Überfülltes Flüchtlingslager auf Lampedusa sorgte für mehr Falschinformationen über Geflüchtete

Als im September Tausende Geflüchtete über das Mittelmeer die italienische Insel Lampedusa erreichten, stand das Thema Migration im Mittelpunkt der europäischen Debatte und vieler Falschbehauptungen.

Es kursierten vor allem Videos, die die vermeintliche Gewaltbereitschaft der Migranten auf Lampedusa zeigen sollten, unter anderem, wie sie angeblich die italienische Polizei angriffen oder ein Gebäude in Brand setzten. In Wahrheit handelte es sich aber um alte Videos, von denen manche an anderen Orten aufgenommen worden waren. Solche Videos kursierten insbesondere in Deutschland, Spanien, Litauen und der Slowakei.

Auch in anderen Falschmeldungen wurden Eingewanderte und Geflüchtete als gewalttätig und als eine Gefahr für europäische Werte dargestellt. So wurde in Irland fälschlicherweise behauptet, dass Asylbewerber wählen gehen und damit die nationalen Wahlen beeinflussen könnten, in Griechenland postete ein Politiker in den sozialen Netzwerken ein Video, auf dem angeblich Migranten auf Zypern mit Steinen und Stöcken in den Händen zu sehen waren. Auf Zypern war es Anfang September zu schweren Ausschreitungen gegen Migranten gekommen. In Spanien wurde die Verschwörungstheorie des „Great Replacement“ verbreitet, wobei demografische Berichte aus Frankreich verwendet wurden, um den angeblichen politischen Willen zu belegen, alle Bürger Spaniens durch Einwanderer zu ersetzen.

Zu diesen Ergebnissen kommt das monatliche Briefing des EU-weiten EDMO-Faktencheck-Netzwerks, zu dem 29 Faktencheck-Organisationen beigetragen haben, die im September 2023 insgesamt 1.382 Faktenchecks veröffentlicht haben.

Wieder weniger Falschbehauptungen über den Klimawandel

Der Anteil an Falschinformationen über den Krieg in der Ukraine (10%) und Covid-19 (5%) blieb stabil. Nach einem Höchststand im August (14%) ist der Anteil an Falschinformationen über den Klimawandel nun wieder auf dem gleichen Niveau wie im Juli (9%), der Anteil an Falschbehauptungen über die Europäische Union ging ebenfalls etwas zurück (von 4% auf 3%).

Das Hauptnarrativ der Falschinformationen über den Krieg in der Ukraine war die Darstellung führender ukrainischer Politiker und Geflüchteter als Profitmacher, die sich angeblich an den bereitgestellten Hilfsgeldern bereichern.

In Bezug auf Umwelt- und Klimathemen wurde fälschlicherweise behauptet, dass sowohl das Erdbeben in Marokko als auch der subtropische Regensturm in Libyen durch die Strahlung der Haarp-Anlage der USA ausgelöst worden seien. Zudem übertrieben eine Reihe von Berichten über den Sturm in Libyen die bereits dramatischen Folgen der Katastrophe.

In einigen Falschmeldungen wurden Maßnahmen gegen den Klimawandel als Repressionen dargestellt und über angebliche Reaktionen der Bürger darauf berichtet, die aber nichts mit den Maßnahmen zu tun hatten. So kursierte in den sozialen Netzwerken ein Video, in dem ein Brite angeblich mit einem Militärfahrzeug in zwei Polizeiautos gefahren sei, um gegen Umweltzonen zu protestieren. Dies ist nicht wahr – Auslöser war ein Streit des Mannes mit seiner Freundin.

Die am weitesten verbreiteten Falschinfos in der EU im September

Die am weitesten verbreiteten Falschmeldungen in der EU waren im September laut der beteiligten Faktencheck-Organisationen:

  • Eine Fotomontage des ehemaligen Premierministers Großbritanniens Johnson, die zeigt, wie er während einer öffentlichen Zeremonie in der Ukraine den Hitlergruß macht.
  • Die Tageszeitung USA Today soll über eine Schlägerei zwischen Betrunkenen in New York, an der angeblich ein Leibwächter des ukrainischen Präsidenten beteiligt war, berichtet haben.
  • Ein manipuliertes Bild des ehemaligen ukrainischen Verteidigungsministers Resnikow, das zeigt, wie er nach seinem kürzlichen Rücktritt auf einer Jacht Champagner trinkt.
  • Bill Gates soll einen Plan zur Abholzung von 70 Millionen Hektar Bäume fördern, um den Klimawandel zu bekämpfen.
Falschinformationen auf dem nationalen Level
  • In Deutschland wurde die Falschmeldung verbreitet, dass russische Truppen Panzer mit Bundeswehr-Besatzung in der Ukraine zerstört hätten.
  • In der Slowakei kursierte der angebliche Mitschnitt eines Telefongesprächs zwischen dem Vorsitzenden der Partei „Fortschrittliche Slowakei“ und einer Journalistin über angeblich manipulierte Wahlen.
  • In Dänemark machte die Falschmeldung die Runde, dass in Kindergärten nicht mehr das Märchen „Das hässliche Entlein“ von Hans Christian Andersen gelesen werden dürfe, weil es rassistisch sei.
Methodik

Die in diesem Briefing enthaltenen Informationen wurden mittels eines Fragebogens erhoben, der an die Mitgliedsorganisationen des EDMO-Faktencheck-Netzwerks geschickt wurde. Bezugszeitraum: 1. bis 30. September 2023. Anzahl der Befragten: 29. Hauptherausgeber dieses Dokuments: Tommaso Canetta und Enzo Panizio, Pagella Politica/Facta.

Organisationen, die zu diesem Briefing beigetragen haben: AFP, Correctiv, Delfi, Demagog.cz, Demagog.pl, Demagog.sk, DW, Eesti Päevaleht, EFE Verifica, Ellinika Hoaxes, Eurocomunicare, FactReview, Faktabaari, Faktisk, FranceTV, Funky, Greece Fact Checking, Knack, Lakmusz, Maldita, Newtral, PagellaPolitica/Facta, Polígrafo, Pravda, Publico, Re:Baltica, The Journal Fact-Check, TjekDet, Verificat.

Das ausführliche Briefing in Englisch mit weiteren Informationen zu Falschinformationen in verschiedenen EU-Staaten finden Sie hier.

 

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