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Ursula von der Leyen bekommt laut EU-Haushaltsplan 2024 keine 15-prozentige-Gehaltserhöhung

EU-Beamtinnen und Beamte haben im Juni 2023 eine Gehaltserhöhung von 1,7 Prozent erhalten. Virale Postings in sozialen Netzwerken behaupten, dass Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für EU-Angestellte und sich selbst eine Erhöhung um 15 Prozent fordere. Das ist falsch. Im Haushaltsplan der Europäischen Union für das Jahr 2024 wird das nicht erwähnt. Gehaltserhöhungen werden automatisch und nach strengen Regeln berechnet, die von der Inflation in Brüssel und Luxemburg sowie der Kaufkraftentwicklung von Beamten in den Mitgliedstaaten abhängen.

„Es ist nur noch zum Kotzen. (…) Die nächste Provokation aus Brüssel: Während alle Europäer unter Inflation und zu niedrigen Löhnen leiden, wollen sich EU-Politiker und EU-Beamte erneut ihre Gagen erhöhen – und zwar um 15 Prozent“, schreibt eine Userin auf Facebook. Das Posting wurde über 100 Mal geteilt. Auf Twitter wurde ein Beitrag mit derselben Behauptung über 1300 Mal retweetet.

Auch Politiker der österreichischen rechtspopulistischen FPÖ sowie Ortsgruppen der deutschen AfD haben Beiträge in sozialen Medien verbreitet. Ähnliche Beiträge wurden in mehreren Sprachen wie Französisch und Niederländisch veröffentlicht.

 

Facebook-Screenshot der Behauptung: 21. Juni 2023

 

Die meisten dieser Beiträge beziehen sich auf einen am 12. Juni 2023 veröffentlichten Artikel der österreichischen Nachrichtenseite „Exxpress“. Darin heißt es: „Was im eben aufgeflogenen Budgetplan der Europäischen Union für das Jahr 2024 zu lesen ist, wird viele Österreicher und Deutsche so richtig zornig machen: Während sich die Arbeitnehmer in diesen Ländern mit vier- bis 8,5-prozentigen Gehaltserhöhungen die ungeheure Belastung ihrer Familien durch die noch immer brutale Geldentwertung stemmen müssen, wollen sich die 50.000 EU-Mitarbeiter eine 15-prozentige Erhöhung ihrer Monatsbezüge gönnen.“

Bezüglich der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen fügt „Exxpress“ hinzu: „Nach der eben durchgezogenen siebenprozentigen Gehaltserhöhung kassiert Von der Leyen im Monat 31.250 Euro brutto. Ab dem kommenden Jahr sollen das dann 35.957,50 Euro sein – sie bekommt damit monatlich 4687,50 Euro mehr!“

„Exxpress“ ist ein österreichisches Boulevardmedium, das in der Vergangenheit zahlreiche Falschmeldungen verbreitet hat. AFP hat diese etwa hier, hier oder hier überprüft. Nach eigenen Angaben ist „Exxpress“ ein Medium „für Selberdenker“, das im März 2021 gegründet wurde.

Chefredakteur ist der österreichische Boulevardjournalist Richard Schmitt. Zuvor fungierte Schmitt als Chefredakteur des Onlineportals „oe24.at“ und war bei den Boulevardmedien „Kronen Zeitung“ und „Heute“ tätig. Im berüchtigten Ibiza-Video lobte der mittlerweile gefallene Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Schmitts Arbeit. 2021 wurde er aufgrund eines Beitrags zum Ibiza-Video wegen übler Nachrede und Kreditschädigung strafrechtlich verurteilt.

Geschäftsführerin von „Exxpress“ ist Juristin Eva Schütz, die in der Bundesregierung unter Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz im Finanzministerium tätig war. Die Berichterstattung von Richard Schmitt steht immer wieder in der Kritik. Laut aktuellen Berichten von „Falter“ und „Kobuk“ verbreite das Blatt russische Propaganda.

Auf AFP-Anfrage reagierte der „Exxpress“ bis Veröffentlichung nicht.

Kommission dementiert

„Diese Artikel sind falsch und irreführend“, schrieb die Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich in einer Stellungnahme, die am 15. Juni 2023 veröffentlicht wurde (Link hier archiviert).

Zwar enthält der EU-Haushaltsplan für 2024 Zahlen zur Anhebung von Gehältern für EU-Beamte und Mitglieder der EU-Kommission. Doch handelt es sich hierbei lediglich um Prognosen, die darauf abzielen, einen möglichen Budgetbedarf vorherzusehen. Die Zahl von 15 Prozent taucht in dem Dokument nicht auf.

Darüber hinaus sind diese Anhebungen nicht das Ergebnis von Ursula von der Leyens Forderungen, sondern automatische Erhöhungen, deren Berechnungsweise unionsrechtlich genau festgelegt ist.

Prognosen des EU-Jahreshaushaltsplans 2024

Die Europäische Kommission hat am 7. Juni 2023 (Link hier archiviert) einen Entwurf für den EU-Haushalt für 2024 in der Höhe von 189,3 Milliarden Euro vorgeschlagen. Dieser muss in den kommenden Monaten von den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament verhandelt und genehmigt werden (Link hier archiviert).

Der Haushaltsentwurf ist auf der Website der Europäischen Kommission verfügbar (Link hier archiviert). Er enthält detaillierte Angaben zum voraussichtlichen Budget jeder EU-Institution für das Jahr 2024, insbesondere zum Haushalt der Europäischen Kommission.

„Die hohe Inflation und die steigenden Energiepreise üben weiterhin einen erheblichen Druck auf die Verwaltungsausgaben aus. Die Kommission hat den Budgetantrag für ihre eigenen Verwaltungsmittel für 2024 erneut sorgfältig geprüft und versucht, jede notwendige Erhöhung durch eine Neuzuweisung von Prioritäten und Kürzungen in allen möglichen Bereichen auszugleichen“, heißt es in dem Entwurf.

In Bezug auf die Gehälter der Angestellten der Kommission sieht das Dokument einen Anstieg um 4,7 Prozent vor, der hauptsächlich auf „die geschätzte Erhöhung der Jahresgehälter ab dem 1. Juli 2023 (+ 4,4 Prozent) und ab dem 1. Juli 2024 (+ 3,4 Prozent auf Halbjahresbasis)“ zurückzuführen sei.

 

Auszug aus dem EU-Jahreshaushaltsplan 2024, Screenshot: 16. Juni 2023

 

Dem Entwurf sind eine Reihe von Anhängen beigefügt. Der sechste Anhang enthält eine detaillierte Aufstellung der Verwaltungsausgaben der EU-Institutionen (Link hier archiviert). Dort findet sich die geschätzte Gehaltserhöhung für die Mitglieder der Europäischen Kommission, einschließlich ihrer Präsidentin Ursula von der Leyen.

Das Dokument erläutert, wie die Gehälter der Kommissionsmitglieder berechnet werden. Das Gehalt der Präsidentin betrage 138 Prozent des „Grundgehalts eines Beamten der Besoldungsgruppe AD 16/3 am 1. Juli 2022“, das bei 22.646,29 Euro lag. Das macht 31.252 Euro aus, was der Zahl entspricht, die im „Exxpress“-Artikel als Höhe des derzeitigen Bruttogehalts von Ursula von der Leyen genannt wird.

Auszug aus dem Arbeitsdokument VI der Europäischen Kommission über den EU-Jahreshaushaltsplan 2024, Screenshot: 16. Juni 2023

Eine Tabelle fasst die vorgesehene Neubewertung für das kommende Haushaltsjahr zusammen. Wie bei anderen Beschäftigten der Kommission beträgt die voraussichtliche Gehaltserhöhung für Ursula von der Leyen 4,4 Prozent. Ebenfalls wie bei allen anderen Kommissionsmitarbeitern wird eine „mögliche“ Aktualisierung von 3,4 Prozent zum 1. Juli 2024 erwähnt.

Das Dokument erwähnt an keiner Stelle eine 15-prozentige Gehaltserhöhung – weder für Kommissionspräsidentin von der Leyen noch für andere Beschäftigte der Europäischen Union.

Darüber hinaus sind die im Plan angeführten Aufwertungen nicht umgesetzt. Es handelt sich lediglich um Schätzungen. Diese Zahlen „zielen darauf ab, einen möglichen Budgetbedarf vorherzusehen. Das bedeutet nicht, dass dieser Betrag an das EU-Personal ausgezahlt wird. Was bezahlt wird, ist der Betrag, der von Eurostat (statistisches Amt der Europäischen Union, Anm. d. Red.) auf der Grundlage der Kaufkraftentwicklung der nationalen Beamten berechnet wird“, teilte der Pressedienst der EU-Kommission AFP am 19. Juni 2023 mit.

Automatische Höherstufungen

Das Gehalt der Präsidentin der Europäischen Kommission wird nicht nach den Wünschen der Person, die das Amt innehat, festgelegt, sondern folgt Regeln, die 1967 festgelegt wurden. Wie im Haushaltsplan angeführt, entspricht es 138 Prozent des Gehalts eines Beamten, der die höchste Stufe und die höchste Besoldungsgruppe erreicht hat.

Was seine jährliche Entwicklung betrifft, so unterliegt das Gehalt denselben Regeln, die auch für EU-Beamte, Abgeordnete des EU-Parlaments oder Richter des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) gelten.

Diese Regeln beruhen auf „einem Beschluss des Europäischen Parlaments und der Mitgliedstaaten im Rat der EU aus dem Jahr 2013, in dem ein vordefiniertes System zur Berechnung von Gehaltsanpassungen für EU-Institutionen beschlossen wurde“, wie ein Sprecher der Europäischen Kommission gegenüber AFP erklärte.

Die Entwicklung der Gehälter der EU-Funktionäre hänge von zwei Faktoren ab: der Entwicklung der Inflation einerseits und der – steigenden oder fallenden – Kaufkraft der Beamtinnen und Beamten in den Mitgliedstaaten andererseits.

Ursula von der Leyen in Brüssel im Juni 2023 – KENZO TRIBOUILLARD / AFP

„Der genaue Betrag der Erhöhung wird von Eurostat auf Grundlage der Entwicklung der Nettokaufkraft der nationalen Beamten im Zeitraum von Juli des Vorjahres bis Juli des laufenden Jahres sowie der Inflationsentwicklung in Brüssel und Luxemburg berechnet“, sagte der Sprecher. „Mit anderen Worten: Wenn die Gehälter der Beamten in unseren Mitgliedstaaten im Durchschnitt steigen oder sinken, gilt dies auch für die Gehälter der EU-Beamten. Wenn in der ersten Hälfte des Bezugszeitraums eine hohe Inflation zu verzeichnen ist, ist eine Zwischenaktualisierung vorgesehen“, erklärte der Sprecher AFP weiter.

Konkret würden die Gehälter und Pensionen der EU-Bediensteten (einschließlich der Kommissionspräsidentin) einmal im Jahr mit der Gehaltsabrechnung im Dezember automatisch aktualisiert werden. Ausnahmsweise, wenn die Inflation sehr hoch sei (über 3 Prozent in der ersten Hälfte des Bezugszeitraums von Juli bis Dezember des Vorjahres), gebe es eine automatische Zwischenaktualisierung in der Mitte des Jahres normalerweise mit der Gehaltsabrechnung im Juni.

„Das ist dieses Jahr der Fall. Die Zwischenaktualisierung beträgt 1,7 Prozent und wurde dem Personal mit der Gehaltsabrechnung im Juni ausgezahlt, rückwirkend ab Jänner 2023. Im Dezember 2023 wird es die letzte automatische jährliche Aktualisierung geben, die die endgültige Entwicklung der Kaufkraft der nationalen Beamten widerspiegelt. Bei dieser jährlichen Aktualisierung wird automatisch berücksichtigt, was bei der Zwischenaktualisierung im Juni ausgezahlt wurde“, sagte der Pressedienst der Europäischen Kommission.

„Da die endgültige Entwicklung (der Kaufkraft, Anm. d. Red.) der nationalen Beamten zwischen Juli 2022 und Juli 2023 noch nicht bekannt ist, ist es nicht möglich zu wissen, wie die automatische jährliche Aktualisierung 2023 aussehen wird. Dies gilt auch für die jährliche Anpassung 2024“, fügte der Pressedienst hinzu.

Dies erklärte auch der Gewerkschaftsbund „Union Syndicale Fédérale“ (USF), der Beschäftigte des europäischen öffentlichen Dienstes vertritt, auf seiner Website (archivierter Link hier). Zwischen Juli und Dezember 2022 sei die Inflation in Brüssel und Luxemburg nach Berechnungen von Eurostat um 3,7 Prozent gestiegen. Gleichzeitig sei jedoch die Kaufkraft der nationalen Beamtinnen und Beamten zurückgegangen, was zu einer zwischenzeitlichen Aufwertung des Gehalts der EU-Bediensteten um 1,7 Prozent führte.

„Da sich die Inflation verlangsamt, ist es noch zu früh, um zu versuchen, vorherzusagen, wie die jährliche Aktualisierung aussehen könnte, aber es ist wichtig zu wissen, dass die 1,7 Prozent Aktualisierung, die wir bereits Mitte des Jahres erhalten haben, natürlich vom Jahresergebnis abgezogen werden“, schrieb die Gewerkschaft.

Damit sich das Gehalt von EU-Funktionären sowie Ursula von der Leyen um 15 Prozent erhöht – in einem Kontext, in dem sich die Inflation in Belgien und Luxemburg verlangsamt (laut Eurostat im Mai auf + 2,7 Prozent bzw. + 2,0 Prozent – archivierter Link hier) –, müsste sich die Kaufkraft der nationalen Beamten sehr deutlich verbessern.

Aufwertung von 4,5 Prozent im Jahr 2022 sowie Nachholbedarf

Im „Exxpress“-Artikel wird zudem behauptet, dass EU-Beamte und Ursula von der Leyen im Jahr 2022 bereits eine Gehaltserhöhung von 7 Prozent erhalten hätten. Die Zahlen sind korrekt, aber die Erhöhung ist das Ergebnis einer außergewöhnlichen Angleichung.

Von Juli 2021 bis Juni 2022 stieg die Inflation in Brüssel und Luxemburg um 8,6 Prozent. Im gleichen Zeitraum ging die Kaufkraft der nationalen Beamten um 3,9 Prozent zurück. Die Nettoerhöhung der Bezüge der EU-Bediensteten betrug daher im Jahresverlauf 4,5 Prozent, wobei eine Zwischenerhöhung von 2,4 Prozent aufgrund der hohen Inflation berücksichtigt wurde, wie der Gewerkschaftsbund USF erläuterte (archivierter Link hier).

Zu dieser Aufwertung, die dem für Beamten der EU geltenden Berechnungsmodus entspreche, kam „die Freigabe der 2,5 Prozent, die 2020 infolge der Wirtschaftskrise nicht gewährt wurden“ hinzu, was „schließlich plus 7,0 Prozent“ ergeben habe.

„Eine Erhöhung von 2,5 Prozent war den nationalen Beamten im Jahr 2020 gewährt worden, wurde aber für die EU-Bediensteten aufgrund des starken Rückgangs des BIP der EU im Jahr 2020 ausgesetzt“, erklärte der Pressedienst der Kommission gegenüber AFP. Im Jahr 2022 sei diese Erhöhung freigegeben worden, da das BIP der EU das Vorkrisenniveau von 2019 erreicht hätte.

Dieser Mechanismus wurde 2021 auch von „Union for Unity“, einer weiteren Gewerkschaft, die EU-Personal vertritt, auf ihrer Website auf Französisch erklärt (Link hier archiviert): „Die Höhe des spezifischen Indikators (welcher der Entwicklung der Kaufkraft der EU-Beamten entspricht, Anm. d. Red.), der für 2020 auf + 2,5 Prozent geschätzt wurde, wurde unter Anwendung der Ausnahmeklausel nicht gewährt; der Rückgang des BIP der EU betrug mehr als 3 Prozent. Dieser Teil der Anpassung (oder Aufwertung, Anm. d. Red.) wird jedoch zu dem Zeitpunkt vorgenommen, zu dem das BIP der EU wieder das Niveau von 2019 erreicht.“

Die Gehälter und Leistungen von Mitarbeitern und Führungskräften von EU-Institutionen sind häufig Gegenstand von Polemik und Kritik und geben regelmäßig Anlass zu Falschinformationen, die AFP etwa hier bereits überprüfte.

Fazit: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte für EU-Angestellte und sich selbst keine Gehaltserhöhung um 15 Prozent. Das geht aus dem Haushaltsplan der Europäischen Union für das Jahr 2024 nicht hervor. EU-Beamte haben im Juni 2023 eine Gehaltserhöhung von 1,7 Prozent erhalten. Diese wird stets automatisch und nach strengen Regeln berechnet.

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Wirtschaft, EU

Autor(en): Bénédicte REY / Katharina ZWINS / AFP Belgien

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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