Ein im September 2022 geteiltes Video schürt Stimmung gegen Flüchtlinge. Darin sind zahlreiche Geflüchtete im österreichischen Burgenland zu sehen. Das Video ist allerdings alt – es stammt aus dem Jahr 2015. Die aktuelle Flüchtlingssituation im Burgenland ist nicht mit der von 2015 vergleichbar. Damals überquerten Hunderttausende die Grenze von Ungarn nach Österreich.
Die Behauptung: In einem von einem Bildschirm abgefilmten Video sind zahlreiche Geflüchtete entlang einer Straße zu sehen. Nutzerinnen und Nutzer beschreiben die Aufnahme als aktuell aus dem Burgenland. Hunderte User teilten die Aufnahme im September 2022 auf Facebook, darunter der frühere Vizekanzler Heinz-Christian Strache (ehemals FPÖ), der zum Video schrieb: „Ein Massenansturm an illegalen Migranten wird aktuell ohne Grenzschutz und ohne Rückführung in unser Heimatland Österreich hereingelassen. Es droht eine schärfere Entwicklung als im Jahr 2015.“
Eine Stimme im Clip kommentiert die Szene abfällig und bezeichnet die Szene als aktuell, der Mann beschreibt die Aufnahme als „Bilder von gestern“. Er sagt außerdem: „Das sind diejenigen, die den Klimabonus demnächst kriegen.“ Die Auszahlung des Klimabonus in Österreich begann im September 2022. Am 10. September 2022 trat ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner zurück, nachdem eine Debatte um den Klimabonus für Asylwerber zu Anspannungen in der Koalition geführt hatte. Im Video wird außerdem mutmaßlich auf eine Äußerung des burgenländischen Landeshauptmannes Hans Peter Doskozil (SPÖ) zum Thema Asyl vom 11. September 2022 Bezug genommen.
FPÖ räumt Irrtum ein
Das österreichische Magazin „Profil“ berichtete, dass die Aufnahme am 13. September 2022 von FPÖ TV auf Youtube veröffentlicht wurde. Im Onlinemedium der FPÖ ist der Clip mit den Worten „Burgenland im Jahr 2022: Soll dieses Video niemand zu Gesicht bekommen?“ beschrieben. Das Video ist dort mittlerweile gelöscht, FPÖ-Chef Herbert Kickl schrieb dazu am nächsten Tag auf Facebook: „Leider ist unserem Social Media-Team ein Fehler unterlaufen: Gestern wurde auf unseren Seiten ein Video gepostet, das die Dramatik der illegalen Einwanderung in unser Land aufzeigen soll.“ Dabei sei es allerdings zu einer „Verwechslung“ gekommen: „Das betreffende Video ist nicht aktuell, es stammt aus 2015. Wir bedauern diesen Irrtum.“
Altes Video
Online ist das vom Bildschirm abgefilmte Video bereits viel früher zu finden. Ein User veröffentlichte es mit der Beschreibung „Nickelsdorf heute 9.30 Uhr“ bereits am 11. September 2015 auf Facebook. Es kann demanch also nicht aktuell sein. Das Video stammt tatsächlich aus Nickelsdorf nahe der ungarischen Grenze. Ein Vergleich mit Aufnahmen von Google Maps zeigt, dass sich das filmende Fahrzeug vom Ortsausgang Nickelsdorf in Richtung Grenze bewegt.
Dort gab es aktuell aber keine großen ankommenden Menschenmengen. Helmut Marban von der Landespolizeidirektion Burgenland schrieb am 16. September 2022 an AFP, dass es „dass es seit 2015 keinerlei derartige, wie im Video dargestellte, ‚Märsche‘ von Migrant:innen im Burgenland gegeben hat.“ Das Video sei alt. „Unseren bisherigen Ermittlungen zufolge stammt jedoch das im Hintergrund laufende Video aus dem September 2015.“ Die Aufnahme im geteilten Video entspreche „einer Szenerie, die im Jahr 2015 so zu beobachten gewesen ist“. Die Polizei ermittle momentan zu den Hintergründen des aktuell verbreiteten Videos.
Kein Vergleich zu heute
Die österreichische Asylstatistik des Jahres 2015 zeigt, dass 2015 rund 89.000 Asylanträge gestellt wurden, 2014 waren es noch etwa 28.000. Viele gelangten über das beschauliche Nickelsdorf in Österreich an. Täglich wurden dort im Herbst 2015 Tausende gezählt, das Österreichische Rote Kreuz (ÖRK) spricht von insgesamt rund 300.000 Schutzsuchenden, die innerhalb weniger Monate die Grenze zwischen Ungarn und dem Burgenland überquerten. Ein AFP-Video aus dem September 2015 zeigt die damalige Situation.
Polizeisprecher Marban erklärte dazu: „Die Migrationssituation ist mit dem Jahr 2015 überhaupt nicht vergleichbar.“ Aktuell würden täglich rund 400 Menschen die burgenländische Grenze überschreiten. Das geschehe auf unterschiedliche Arten: mithilfe „der klassischen Schleppung in Fahrzeugen über die Grenzübertrittsstellen bis zum Überqueren der grünen Grenze“.
Zwischen Januar und Juli 2022 stellten laut Innenministerium 41.910 Menschen einen Asylantrag in Österreich, die meisten davon aus Afghanistan und Syrien.
Fazit: Das Video hat nichts mit der aktuellen Situation im österreichischen Burgenland zu tun. Die Aufnahme zeigt ankommende Flüchtlinge im Jahr 2015. Ein Polizeisprecher betonte, dass es seit 2015 keinerlei derartige Situationen im Burgenland gegeben habe.