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Wind und Sonne produzieren zuletzt mehr Strom als Kernkraft

Die letzten deutschen Atommeiler sollen Mitte April vom Netz gehen. Die Bundesregierung setzt in ihrem Koalitionsvertrag auf die Kraft der erneuerbaren Energien, um den CO2-Ausstoß Deutschlands zu verringern. Doch Atomkraftbefürworter machen zuletzt vermehrt mobil gegen Sonnen- und Windenergie. So wird etwa am 13. Dezember 2022 behauptet, die drei verbliebenen Kernkraftwerke hätten in den 30 Tagen zuvor mehr Strom erzeugt als alle Windkraftanlagen zusammen. Teils wird in die Rechnung auch noch Solarstrom einbezogen.

Bewertung

Falsch. Allein mit Windkraft wird in Deutschland auch aktuell mehr Strom erzeugt als mit Kernenergie. Das geht aus verschiedenen Daten zur Stromerzeugung in Deutschland hervor.

Fakten

Im Jahr 2022 tragen die drei letzten deutschen Atommeiler nur noch wenig zur öffentlichen Nettostromerzeugung in Deutschland bei – im Gegensatz zu erneuerbaren Energien etwa aus Wind und Sonne.

Nach Angaben des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme liegt der Atomstrom-Anteil im laufenden Jahr bei 6,7 Prozent (Stand: 20.12., 12.34 Uhr). Der Großteil des Stroms für Öffentlichkeit und Privathaushalte kommt hingegen von erneuerbaren Energien. Wind (24,4 Prozent), Sonne (11,0 Prozent über Netzeinspeisung plus 1,0 Prozent Selbstverbrauch) und weitere nachhaltige Energieträger wie Biomasse machen zusammen knapp die Hälfte (49,2 Prozent) aus. Mit Braun- und Steinkohle wurden bisher 33,4 Prozent erzeugt. Erdgas ist mit 9,6 Prozent am Strom aus der Steckdose beteiligt.

Übers Jahr gesehen haben Wind und Sonne in Sachen Stromproduktion im Vergleich zu AKW also die Nase vorn. Doch wie sah es zuletzt aus? Macht sich tatsächlich eine angebliche Wind- und Sonnenflaute in November und Dezember bemerkbar? Auch hier zeigen aktuelle Daten des Fraunhofer-Instituts ein ganz anderes Bild, als Kritiker der Energiewende glauben machen wollen.

Es stimmt, dass im November die Sonnenenergie für sich gesehen mit einem Wert von 4,2 Prozent weniger Anteil an der öffentlichen Nettostromerzeugung in Deutschland hatte als die Kernenergie (6,7 Prozent). Dass die Sonne seltener und weniger intensiv scheint, ist in der dunklen Jahreszeit nicht untypisch. Doch weit über dem Atom-Wert liegt der Ertrag von Windrädern an Land oder auf dem Meer – ein Anteil von 29,7 Prozent.

Schaut man auf den bisherigen Dezember, dann liegen bis zum Mittag (12.34 Uhr) des 20. Dezember die Werte für Sonnen-, Wind- und Kernenergie zwar tatsächlich näher beieinander als in den Monaten zuvor. Dennoch tragen Wind (15,9 Prozent) und Sonne (1,1 Prozent) weiterhin zusammen mehr zur Stromversorgung bei als die drei letzten deutschen Atommeiler (5,9 Prozent).

Weder im November noch im Dezember gab es bisher einen einzigen Tag, an dem die Kernkraft die Nase vor gehabt hätte. Zwischen 13. November und 13. Dezember speisten nach Fraunhofer-Angaben die drei deutschen Atommeiler 2,84 Terawattstunden (TWh) Strom ins Netz ein. Bei Wind und Sonne waren es mit 9,87 TWh rund dreieinhalb Mal so viel.

Nutzer und Accounts, die von einem vermeintlichen Vorteil der Kernkraftwerke und einem angeblichen «Totalversagen der Energiewende» sprechen, verbreiten zuweilen Screenshots von Angaben zum Stromverbrauch auf der Website «electricitymaps.com».

Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat dort die Werte für den Zeitraum von 30 Tagen vor dem 15. Dezember abgerufen. Demnach waren auch auf «electricitymaps.com» Wind (14,4 Prozent) und Sonne (1,2 Prozent) zusammen zum größeren Teil an der Produktion des verbrauchten Stroms beteiligt als Atomenergie (5,2 Prozent).

Natürlich kann es windstille und trübe Wintertage geben, an denen die Haushalte einerseits viel Strom verbrauchen, andererseits aber kaum Sonnen- oder Windstrom produziert wird. Solange keine entsprechenden Kapazitäten an Stromspeichern vorhanden sind, kommen dann weiterhin etwa fossile Brennstoffe wie Kohle oder Gas ins Spiel.

Dass aber die drei AKW mit der Stromproduktion alle Sonnen- und Windanlagen zusammen übertreffen, ist falsch. Zudem laufen die Kraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland über die ursprünglich zum Jahreswechsel geplante Abschaltung hinaus nur noch im sogenannten Streckbetrieb. Dabei wird der Reaktorkern nach dem eigentlichen Zyklusende der Brennelemente genutzt. Allerdings verliert er dabei sukzessive an Leistung – täglich rund 0,5 Prozent, wie die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit angibt.

Nach einem Zyklusende müssten neue Brennelemente eingesetzt werden. Doch wegen des schon vor Jahren entschiedenen Atomausstiegs ist dieser Schritt bei den deutschen Atommeilern nach aktueller Rechtslage ausgeschlossen.

(Stand: 20.12.2022)

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Wirtschaft, Umwelt

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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