Online kursieren immer wieder Falschinformationen über angebliche neue Gesetze auf EU-Ebene. Ende Dezember 2024 verbreiteten User vielfach die Behauptung, die EU habe ein Schneemannverbot beschlossen. Dazu wurden drei angebliche Nummern von EU-Rechtsakten aufgelistet. Die geteilten Nummern sind online jedoch nicht auffindbar und entsprechen auch nicht den Vorgaben der EU. Zudem dementierte eine Sprecherin der Europäischen Kommission die Behauptung.
„Es klingt wie ein Scherz, doch es ist bitterer Ernst: Die EU hat den Schneemann ins Visier genommen“, lautet ein Facebook-Post vom 23. Dezember 2024. „Ohne behördliche Genehmigung darf Schnee nicht mehr vom eigenen Rasen entfernt werden“, heißt es darin weiter. Grund sei „die neue Verordnung D-8u09809“, die den Umgang mit Schnee im heimischen Garten ab 2026 regle.
Dazu wurde ein Artikel der Website „telegra.ph“ vom 23. Dezember 2024 mit der Überschrift „EU verbietet den Schneemann im Garten“ geteilt. Der Artikel benennt als Gründe für das vermeintliche Verbot Klimaschutzmaßnamen, kulturelle Risiken und Bemühungen zur Abfallreduzierung. Als Quelle für die Behauptung nennt der Artikel eine „Verordnung D-8u09809“, eine „EU-Textilentsorgungsrichtlinie 43234/19“, eine „Verordnung 479i8/23“ und wörtliche Zitate aus „internen EU-Dokumenten“, sowie eines namentlich nicht genannten „EU-Sprechers“. Etwaige Verstöße könnten mit Geldstrafen in Höhe von bis zu 500 Euro geahnden werden, heißt es außerdem.
Auch auf X, Instagram, Tiktok und Telegram wurden Ausschnitte aus dem Artikel vielfach verbreitet. Zahlreiche Kommentare unter den Beiträgen zeigen, dass die meisten Userinnen und User die Behauptung für authentisch halten: „Bei den hackts wohl ich mach in meinem Garten was ich will“, kommentierte etwa eine Facebook-Nutzerin am 26. Dezember 2024.
Andere Facebook-Posts ähnlichen Inhalts verlinkten als Quelle auf weitere Artikel mit identischem Wortlaut, die bereits am 22. Dezember 2024 auf den Websites „Journalistenwatch“ und „Opposition24“ veröffentlicht wurde. „Journalistenwatch“ ist in der Vergangenheit bereits mehrfach durch die Verbreitung von Falschinformationen aufgefallen, die AFP widerlegt hat.
Auf der Website „Opposition24“ wurde der Artikel unter der Rubrik „Satire“ veröffentlicht, was jedoch in den online verbreiteten Posts nicht erwähnt wird.
Auch die Website „Opposition24“ verbreitete bereits Falschinformationen, die überprüft wurden. Mithilfe einer erweiterten Websuche konnte AFP keine seriöse Quelle für ein vermeintliches Schneemannverbot durch die EU ausfindig machen.
Keine offizielle Erwähnung eines Schneemannverbots in offiziellen EU-Dokumenten
EUR-Lex ist die offizielle Online-Datenbank für Rechtsdokumente der Europäischen Union. Die Seite wird vom Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union betrieben und täglich aktualisiert. Darin sind alle öffentlichen Dokumente, Rechtsakte und Vorgänge in den 24 Amtssprachen der EU abrufbar.
Eine Suche in EUR-Lex nach den online kursierenden angeblichen Nummern D-8u09809, 479i8/23 und 43234/19 ergab jedoch keinerlei Ergebnisse. Auch eine Stichwortsuche nach den Begriffen „Schneemann“ (hier archiviert) und „Schneemannverbot“ (hier archiviert) führte zu keinen Ergebnissen über ein etwaiges Verbot, in privaten Gärten Schneemänner zu bauen. Die Suche lieferte dabei lediglich Ergebnisse, die eine Person mit dem Nachnamen „Schneemann“ in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 1990 nennen.
Die aktuellste Erwähnung des Stichwortes „Schnee“ (hier archiviert) in einem EU-Dokument auf EUR-Lex stammt aus der Durchführungsverordnung (EU) 2021/535 vom 31. März 2021, die sich mit Spezifikationen von Fahrzeugen befasst. Dabei werden unter anderem technische Bestandteile aufgezählt, wie etwa eine Schneekette, die „auf Schnee Antrieb ermöglicht“.
Angebliche Rechtsakt-Nummern sind unseriös
Auf AFP-Anfrage antwortete eine Sprecherin der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland am 8. Januar 2025 per E-Mail, dass es keinerlei EU-Rechtsakte gäbe, die sich mit Schneemännern in privaten Gärten befasst hätten. Auch gäbe es keine EU-internen Dokumente, die Schneemänner, wie online behauptet, als „kulturelles Risiko“ bezeichnen würden.
Die Sprecherin wies zudem darauf hin, dass die online genannten Nummern bereits in ihrem Aufbau unseriös seien. Demnach gibt es feste Vorgaben, wie EU-Rechtsakte benannt werden. Sie sind durch Nummern gekennzeichnet, die jeweils aus drei Teilen bestehen: Der Abkürzung des Vertrags beziehungsweise des Bereichs in Klammern (zum Beispiel EU, Euratom oder ähnliches), dem Jahr der Veröffentlichung (bestehend aus vier Ziffern) und der laufenden Nummer, die basierend auf einer jährlichen Abfolge so viele Stellen wie nötig aufweist.
Konkret ergeben diese Vorgaben Nummern, die wie die oben zitierte Durchführungsverordnung aus dem Jahr 2021 aufgebaut sind: (EU) 2021/535. Die online kursierenden angeblichen Rechtsakt-Nummern D-8u09809, 479i8/23 und 43234/19 entsprechen diesem Muster nicht.
Alle Faktenchecks zu EU-bezogene Themen finden sich auf der AFP-Website.
Fazit: Online kursierende Behauptungen über ein angebliches Schneemannverbot der EU haben keinerlei Grundlage. Das ergab eine erweiterte Dokumentensuche in der EU-Rechtsdatenbank sowie ein klares Dementi einer Sprecherin der Europäischen Kommission. Die Behauptung scheint auf einen Satire-Artikel zurückzugehen, dessen Inhalt in sozialen Medien jedoch ohne entsprechenden Hinweis verbreitet wurde.