Immer wieder werden historische Bilder herangezogen, um den menschengemachten Klimawandel und einen damit verbundenen Anstieg der Meeresspiegel in Frage zu stellen. Auf Facebook werden aktuell zwei Bilder des Hafens der australischen Stadt Sydney geteilt – eines soll aktuell sein, das andere von 1932. „So sieht ein dramatischer Anstieg des Meeresspiegels aus“, heißt es dazu. Die Aussage ist offenbar sarkastisch gemeint, denn ein Anstieg ist auf den Fotos nicht zu erkennen. Der Beitrag wurde tausende Male geteilt, auch auf X, Facebook und Telegram verbreitete sich der Bildvergleich.
Wie schon zuvor bei ähnlichen Behauptungen in Bezug auf Rio de Janeiro, New York und Dubai taugen die Bilder nicht als Beweis, ob der Meeresspiegel in der jeweiligen Region steigt oder nicht. Dafür müssen Messdaten herangezogen werden – und die zeigen, dass auch in Sydney der Meeresspiegel steigt.
Vergleich zweier Fotos ist kein Beweis für ein Gleichbleiben des Meeresspiegels
Das obere Schwarzweiß-Foto in den Beiträgen stammt tatsächlich von 1932. Über eine Bilder-Rückwärtssuche finden wir das Bild in einem Online-Archiv der australischen Nationalbibliothek. Demnach wurde es am 19. März 1932 vom Norden Sydneys aus aufgenommen. Darauf ist die damals eröffnete Hafenbrücke zu sehen. Das bekannte Operngebäude fehlt – die Bauarbeiten dazu begannen erst 1959.
Das Foto unten in den Beiträgen, das mit „aktuell“ betitelt ist, kursiert laut Bilder-Rückwärtssuchen schon mindestens seit 2013 im Netz. Ein exaktes Datum lässt sich jedoch nicht ermitteln. Völlig unklar ist auch, ob die Fotos während einer Ebbe oder einer Flut aufgenommen wurden.
Selbst wenn Fotos zur gleichen Uhrzeit unter gleichen atmosphärischen Bedingungen gemacht wurden, sind sie als Beleg nutzlos, wie uns Kristina Hill, Professorin an der Universität von Kalifornien, Berkeley, für einen vorherigen Faktencheck erklärte. „[Das] ist das Äquivalent dazu, dass ich Ihnen zwei Nachtfotos als Beweis dafür zeige, dass die Sonne nie aufgeht“, schrieb sie damals in Bezug auf eine ähnliche Behauptung zu New York.
Messdaten belegen Anstieg des Meeresspiegels im Hafen von Sydney
Laut einem Bericht des Deutschen Klima-Konsortiums steigen die Meeresspiegel weltweit betrachtet „nicht gleichmäßig wie in einer Badewanne“. Satellitenbeobachtungen zeigen, dass sich der Anstieg der Meeresspiegel regional erheblich unterscheidet. Für die Beurteilung des Risikos vor Ort, komme es folglich nicht nur auf die globale Entwicklung an, sondern auch auf die regionale Verteilung des Meeresspiegelanstiegs.
Forschende verlassen sich nicht auf die Analyse von einzelnen Bildern, sondern auf die Daten von Messstationen. Diese belegen einen Anstieg des Meeresspiegels im Hafen Sydneys.
Im Hafen von Sydney messen zwei Stationen den Meeresspiegel – und zwar schon seit über einem Jahrhundert. Sie befinden sich auf der Insel Fort Denison, die auch die Namen Mattewanye, Muddawahnyuh oder Pinchgut Island trägt. Sie belegen einen Anstieg des Meeresspiegels dort über die Jahrzehnte, wie eine Auswertung der US-amerikanischen Wetter- und Ozeanografiebehörde National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) dieser Messdaten zeigt, wie auch in einem Diagramm auf der Webseite von NOAA zu erkennen ist:
Die Messdaten wurden von saisonalen Schwankungen bereinigt, die durch unterschiedliche Temperaturen, Salzgehalte, Winde, atmosphärische Drücke und Meeresströmungen entstehen. Basierend auf Daten von 1886 bis 2022 stieg der Meeresspiegel demnach in hundert Jahren um rund 8 Zentimeter. Der relative Meeresspiegel-Anstieg beträgt 0,8 Millimeter pro Jahr.
Das ist laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur (EAA) geringer als der globale Anstieg, der von 1900 bis 2020 bei durchschnittlich 1,7 Millimetern pro Jahr – und insgesamt bei 21 Zentimetern – lag. Seit den 1990er-Jahren steigt der Meeresspiegel noch schneller, Hauptursache ist laut der EAA der Einfluss des Menschen.
Redigatur: Gabriele Scherndl, Sarah Thust