Aktuell wird in Australien an mRNA-Impfstoffen gegen Nutztierkrankheiten geforscht, allerdings sind dort noch keine solchen Impfstoffe verfügbar. Dennoch haben User in sozialen Medien die falsche Erzählung geteilt, dass australische Landwirte mit einer Impfpflicht dazu gezwungen würden, ihren Kühen tödliche mRNA-Impfstoffe zu injizieren. Eine solche Impfpflicht gibt es nicht. AFP hat keine Beweise dafür gefunden, dass der in den Beiträgen beschriebene Vorfall tatsächlich stattgefunden hat.
Dutzende User haben die Behauptung Anfang Oktober 2022 auf Facebook geteilt. Die unbelegte Geschichte erreichte auf Telegram Hunderttausende. Die Behauptung wurde auch von dem prominenten australischen Impfgegner David Oneeglio auf Englisch verbreitet.
Die Behauptung: User teilen einen englischsprachigen Blogartikel-Link dessen Übersetzung sie in ihren Beitragstexten teilen. Demnach habe eine Freundin sie informiert, dass ihre Nachbarin, eine Milchbäuerin in Australien, per Impfpflicht gezwungen würde, ihren Kühen mRNA-Impfstoffe zu verabreichen. „Von den 200 Rindern starben 35 auf der Stelle“, heißt es. Die DNA der Kühe habe sich verändert. Der Konsum der Milchprodukte der Kühe sei außerdem für Menschen „buchstäblich wie eine Impfung“. Der Blogartikel behauptet, die Geschichte sei im australischen New South Wales passiert.
Die Behauptung kursierte, nachdem der australische Bundesstaat New South Wales am 28. September 2022 bekannt gegeben hatte, dass es einen Vertrag mit einem US-amerikanischen Biotech-Unternehmen geschlossen hatte, um die Entwicklung von mRNA-Impfstoffen für zwei Nutztierkrankheiten zu fördern.
Die Impfstoffe, die voraussichtlich nicht vor August 2023 einsatzbereit sein werden, sollen bei der Maul- und Klauenseuche (MKS) und die Lumpy-Skin-Krankheit helfen. MKS ist eine hochansteckende, akut verlaufende, fieberhafte Viruserkrankung, die auch an Blasen an Lippen, Klauen und Eutern zu erkennen ist. Sie befällt alle Klauentiere. Die Lumpy-Skin-Krankheit ist ein Virus, das Rinder befällt und sogenannte Lumps, also Klumpen in der Haut am ganzen Körper auslöst. Beide Krankheiten sind für Menschen nicht gefährlich.
Nachdem in Indonesien beide Krankheiten ausgebrochen waren, versetzte Australien das Land im Juli 2022 in Alarmbereitschaft. Australien reglementiert seine Biosicherheit streng.
In Australien sind bisher keine mRNA-Impfstoffe für Kühe zugelassen
Die Facebook-Postings behaupten, die mRNA-Impfungen seien verpflichtend in Australien. Das ist falsch. Stand 24. November 2022 sind überhaupt keine mRNA-Impfungen gegen die beiden Krankheiten bei Nutztieren zugelassen.
Pall Thordarson, Direktor des RNA-Instituts der Universität von New South Wales sagte am 4. Oktober gegenüber AFP: „Es gibt keine Möglichkeit, dass Rinder hier mit mRNA geimpft wurden, geschweige denn daran gestorben sind.“
Auch ein Sprecher des Premierministers von New South Wales sagte am 11. Oktober gegenüber AFP: „Die Regierung von New South Wales hat die Verwendung eines Impfstoffs bei Nutztieren nicht angeordnet – unsere Herausforderung besteht darin, einen zu entwickeln.“
Am 13. Oktober 2022 veröffentlichte die australische Regierung einen nationalen Plan zur Bekämpfung der Lumpy-Skin-Krankheit. Der Plan beschreibt Impfungen als wichtiges Instrument, um die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern und gibt auch einen kurzen aktuellen Forschungsüberblick anderer Länder. In Israel und Südafrika seien Impfstoffe bei Tieren im Einsatz. Allerdings handelt es sich dabei nicht um mRNA-Impfstoffe, sondern um Lebendimpfstoffe.
AFP hat auch bei Christina Hölzel, Leiterin der Arbeitsgruppe Tierhygiene, Tiergesundheit und Lebensmittelhygiene an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, nachgefragt, wie es um solche behaupteten Impfstoffe in Deutschland steht. Am 24. November 2022 sagte sie gegenüber AFP: „In Deutschland gibt es keine zugelassenen oder angewendeten mRNA-Impfstoffe bei Kühen, generell war ja der Covid-Impfstoff der erste in Deutschland überhaupt zugelassene mRNA-Impfstoff.“
Keine Auswirkungen auf tierische Produkte
Derzeit werden mRNA-Impfstoffe beim Menschen gegen Covid-19 eingesetzt. AFP hat in früheren Faktenchecks bereits ausführlich berichtet, dass mRNA-Impfungen die DNA nicht verändern (hier, hier, hier).
Bei mRNA-Impfstoffen wird kein aktiver Virus injiziert. „mRNA“ steht für „messenger RNA“, auch Boten-Ribonukleinsäure genannt. Diese Impfung liefert dem Körper sozusagen einen genetischen Bauplan, dessen Zellen auf dieser Grundlage dann Antikörper herstellen. Die DNA enthält in ihrem Doppelstrang wichtige Erbinformationen, sozusagen den Bauplan eines Menschen mit all seinen Eigenschaften. Die RNA hat nur einen einzelnen Strang.
Internationale Experten und Expertinnen sowie medizinische Institute (hier, hier, hier) sind sich einig: Eine mRNA-Impfung verändert die DNA eines Menschen nicht. Sie erklären unisono, dass die geimpfte RNA lediglich in einem bestimmten Teil der Zelle zur Anwendung kommt. Der genetische Bauplan gelangt aber nicht in den Kern einer Zelle, wo sich die DNA befindet. Auf Grundlage der geimpften RNA bildet der Körper Teile des Coronavirus nach. Mit der eigentlichen DNA der Zellen hat dieser Vorgang aber nichts zu tun.
Diese Website der Cambridge-Universität erklärt die Funktionsweise von mRNA. AFP erklärt es ebenfalls in diesem Video:
Pall Thordarson erklärte, dass die mRNA-Impfstoffe, die für Tiere entwickelt werden, ähnlich wirken sollen. „Unsere DNA ist anderen Säugetieren (wie etwa Rindern und Schweinen) und tatsächlich allen Tieren (Fische und Hühner eingeschlossen) sehr ähnlich.“
Ein Sprecher des australischen Ministeriums für Grundstoffindustrie, das die landwirtschaftliche Industrie des Landes überwacht, erklärte am 5. Oktober gegenüber AFP, sollten mRNA-Impfstoffe eingesetzt werden, würden sie „keine Auswirkungen auf tierische Produkte wie Fleisch oder Milch haben.“
Fazit: AFP hat keine Belege für eine angebliche mRNA-Impfpflicht und darauf folgende Todesfälle bei Kühen in Australien gefunden. In Australien wird zwar an mRNA-Impfstoffen gegen Nutztierkrankheiten geforscht, aktuell sind allerdings keine im Einsatz. Auch eine Impfpflicht mit diesen Impfstoffen gibt es nicht.