Berlin-Wahl: Nein, diese Aufnahmen belegen keine Manipulation von Wahlurnen

„Die zeigen euch im TV, dass sie euch verarschen: Kein Siegel“, heißt es in einem Tiktok-Video über die Berlin-Wahl 2023. Darin ist zunächst der Spitzenkandidat der CDU, Kai Wegner, bei der Stimmabgabe zu sehen; danach eine Urne mit mehreren kaputten Siegeln. Das Video vom 12. Februar hat rund 250.000 Aufrufe (Stand: 3. März). Nutzerinnen und Nutzer kommentierten: „Lug und Trug diese Wahl“ und „wieder Betrug an die Bürger“.

Die Kommentierenden unterliegen einem Irrtum: Eine Wahlurne muss nicht mit einem Siegel verschlossen sein. In Paragraf 47 der Berliner Landeswahlordnung heißt es dazu: „Vor Beginn der Wahl hat der Wahlvorstand sich davon zu überzeugen, dass die Wahlurne leer ist; sie ist sodann zu verschließen. Den Schlüssel nimmt der Wahlvorsteher oder die Wahlvorsteherin an sich.“

Eine Wahlurne muss in Berlin lediglich mit einem Schlüssel verschlossen sein, damit eine Wahl korrekt durchgeführt wird. Siegel sind dafür nicht erforderlich.
Eine Wahlurne muss in Berlin lediglich mit einem Schlüssel verschlossen sein, damit eine Wahl korrekt durchgeführt wird. Siegel sind dafür nicht erforderlich. (Quelle: Tiktok; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)


Tiktok-Video bedient sich bei
RTL-Sendung

Da am Ende des Videos ein Mikrofon des Senders RTL zu sehen ist, fragten wir bei RTL, ob es sich um aktuelle Aufnahmen der Wiederholungswahl vom 12. Februar 2023 handelt. Pressesprecher Thomas Steuert bestätigte uns: „Die Bilder mit CDU-Spitzenkandidat Wegner sind von unserem RTL-Team gedreht worden.“ Die Detailaufnahmen davon, wie Stimmzettel in Wahlurnen geworfen werden, seien jedoch „Agenturmaterial von APTN“.

APTN ist der Videodienst der Nachrichtenagentur Associated Press. Wir haben auch dort gefragt, wann und wo die Aufnahmen entstanden. Kerstin Sopke, Sprecherin von APTN, schrieb uns: „Unsere Aufnahmen sind am Wahltag [der Berliner Wiederholungswahl, Anm. d. Red.] in Berlin-Charlottenburg in der Paula-Fürst-Schule (Gemeinschaftsschule) entstanden.“ Ihrer E-Mail fügte Spoke einen Link zu den Videoaufnahmen bei. Alle Aufnahmen sind also aktuell und zeigen die Wiederholungswahl in Berlin am 12. Februar 2023.

Alle gezeigten Wahlurnen laut Landeswahlleitung ordnungsgemäß verschlossen

Auf Tiktok heißt es, die Urnen seien nicht versiegelt, die Wahl also ungültig. Bei genauem Hinsehen ist jedoch zu erkennen, dass die Wahlurne mit einem Vorhängeschloss gesichert ist. Wie bereits erwähnt, reicht das aus, um eine Wahl korrekt durchzuführen. Die Landeswahlordnung in Berlin schreibt ein Siegel nicht zwingend vor, eine Wahlurne muss lediglich „verschlossen sein“.

CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner bei der Stimmabgabe am 12. Februar 2023 in Berlin
CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner bei der Stimmabgabe am 12. Februar 2023 in Berlin (Quelle: RTL; Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

So verhält es sich auch bei der zweiten Aufnahme, die in dem Tiktok-Video zu sehen ist: Siegel sind an der Urne nicht zu erkennen, aber ein Metalldorn, der mit einem Vorhängeschloss gesichert ist.

Die zweite Wahlurne, die in dem Tiktok-Video zu sehen ist, ist laut der Landeswahlleitung ebenfalls korrekt verschlossen
Die zweite Wahlurne, die in dem Tiktok-Video zu sehen ist, ist laut der Landeswahlleitung ebenfalls korrekt verschlossen (Quelle: Tiktok; Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Bei der dritten Aufnahme aus dem Video ist nicht sofort ersichtlich, ob die Urne korrekt gesichert ist. Auf der Urne sind zwar Siegel zu erkennen, diese stammen aber vermutlich von vorangegangenen Wahlen, da sie alle gebrochen sind. Ob ein Vorhängeschloss angebracht ist, ist durch die Kameraperspektive nicht zu erkennen.

Ob diese Urne bei der Wiederholungswahl in Berlin korrekt verschlossen ist, ist unklar
Ob diese Urne bei der Wiederholungswahl in Berlin korrekt verschlossen ist, ist unklar (Quelle: APTN; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Weitere Aufnahmen der APTN geben darüber ebenfalls keinen Aufschluss. Sie zeigen die Urne zwar von zwei Seiten, darauf ist jedoch weder ein intaktes Siegel noch ein Vorhängeschloss zu erkennen.

Weitere Aufnahmen der APTN geben keinen Aufschluss darüber, ob diese Urne mit einem Vorhängeschloss gesichert ist
Weitere Aufnahmen der APTN geben keinen Aufschluss darüber, ob diese Urne mit einem Vorhängeschloss gesichert ist (Quelle: APTN; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Wir haben daher bei der Landeswahlleitung Berlin unter Angabe des Wahllokals nachgefragt, ob die Urne in der Paula-Fürst-Schule in Charlottenburg korrekt gesichert wurde. Timo Richter, Mitarbeiter in der Geschäftsstelle des Landeswahlleiters, antwortete uns: „Das Video zeigt unter anderem zwei baugleiche Wahlurnen. Der Verschlussmechanismus besteht aus einem durchgeschobenen Metalldorn mit Vorhangschloss.“ Man sehe in den Aufnahmen lediglich die Rückseite der Urne mit der Metallkugel, die zum Verschlussmechanismus gehört.

Eine weitere Aufnahme von APTN zeigt den Verschlussmechanismus der Wahlurne von beiden Seiten
Eine weitere Aufnahme von APTN zeigt den Verschlussmechanismus der Wahlurne von beiden Seiten (Quelle: APTN; Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Da wir kein weiteres Bild- oder Videomaterial aus dem Wahllokal finden konnten, lässt sich nicht bestätigen, ob der Verschlussmechanismus der Wahlurne tatsächlich mit einem Vorhängeschloss gesichert war. Klar ist aber, dass ein Siegel nicht erforderlich ist, um die Urne korrekt zu sichern.

Redigatur: Steffen Kutzner, Kimberly Nicolaus

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Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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