Falschinformationen über die Coronapandemie und Covid-Impfstoffe sind ein Dauerbrenner. Im Oktober 2024 wurde in sozialen Medien behauptet, ein „Bild“-Artikel darüber, dass Astrazeneca schwere Nebenwirkungen seines Impfstoffes eingestanden habe, sei ein aktueller Text der Zeitung. Tatsächlich ist der Artikel jedoch älter. Mangels Nachfrage wurde der Impfstoff zudem im Mai 2024 vom EU-Markt genommen.
„Astrazeneca gesteht schwere Nebenwirkungen ein“, ist auf einem Screenshot eines Artikels der Boulevardzeitung „Bild“ zu lesen, der in einem Facebook-Beitrag vom 17. Oktober 2024 inzwischen über 18.000 Mal geteilt wurde. Auch auf X verbreiten Nutzerinnen und Nutzer das Foto und versehen es mit Kommentaren wie „Mal abwarten was da noch so alles ans Tageslicht kommt“.
Der Artikel stammt jedoch nicht vom Oktober 2024. Der Screenshot zeigt eine echte „Bild“-Überschrift, die die Zeitung so veröffentlicht hat. Eine Stichwortsuche führte zum Artikel mit derselben Überschrift, demselben Foto und derselben Bildunterschrift (hier archiviert). Jedoch ist der Artikel nicht erst im Oktober 2024 erschienen, wie die Beiträge in sozialen Medien mit dem gewählten Ausschnitt des Artikels suggerieren, sondern bereits am 4. Mai 2024.
Eine weitere Stichwortsuche nach „Astrazeneca“ auf der Website von „Bild“ bestätigt, dass der Artikel vom 4. Mai 2024 stammt. Seither veröffentlichte die Zeitung nur wenige Artikel über den Pharmakonzern, keiner davon mit derselben Überschrift oder demselben Foto wie jener vom 4. Mai 2024.
Auf X äußerte sich auch Julian Röpcke, leitender Redakteur für Sicherheitspolitik und Konflikte bei „Bild“, zu den Beiträgen in sozialen Medien (hier archiviert). „Weil aktuell eine fünf Monate alte Schlagzeile von uns hier die Runde macht – zusammen mit Vorwürfen gegen Medien und Politik. (Nicht nur) wir berichten seit 2020 von Nebenwirkungen bei diesem Impfstoff“, schrieb Röpcke am 22. Oktober 2024. Darin hängt er neben Screenshots weiterer Artikel über Nebenwirkungen einen Screenshot des Artikels an, der irreführenderweise als aktuell verbreitet wird.
Der „Bild“-Artikel handelt von einem Gerichtsprozess vor dem High Court in London Ende April 2024, bei dem sich der Pharmakonzern Astrazeneca wegen einer Sammelklage verantworten musste und zum ersten Mal „schwere Nebenwirkungen“ seines Covid-Impfstoffs Vaxzevria zugab. „Bild“ zitiert darin die britischen Zeitung „The Telegraph“, die sich auf Gerichtsakten beruft (hier archiviert).
Am 7. Mai 2024 erklärte die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), dass der Covid-Impfstoff Vaxzevria auf Wunsch des Herstellers wegen mangelnder Nachfrage vom europäischen Markt genommen werde, wie Medien übereinstimmend berichteten. Die Entscheidung zum Widerruf der Zulassung fiel bereits vor der Aussage des Pharmakonzerns vor dem Londoner Gericht: Die Europäische Kommission fasste den Beschluss bereits am 27. März 2024 (hier archiviert).
Damals wurden über den Widerruf der Zulassung und ihre Gründe ebenfalls Falschinformationen verbreitet, AFP widerlegte sie im Mai 2024 auf Serbisch. Auch die Tagesschau erklärte die kommerziellen Beweggründe des Herstellers. Beispielsweise die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zitierte die Europäische Kommission am 8. Mai 2024 mit der Erklärung, „es sei nicht ungewöhnlich, dass Unternehmen die Rücknahme der Marktzulassung von Arzneimitteln oder Impfstoffen aus kommerziellen Gründen beantragen“. Die Behörde „könne bestätigen, ‚dass die Entscheidung nicht auf Zweifeln an Sicherheit oder Wirksamkeit des Impfstoffes beruht'“.
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das in Deutschland für Impfstoffe zuständige Bundesinstitut, macht die gemeldeten Fälle der Nebenwirkungen von Vaxzevria und anderen Covid-Impfstoffen auf seiner Website transparent. Gemäß des letzten Berichts zur Sicherheit der Impfstoffe kamen dem PEI zufolge seit Impfbeginn bis zum 31. März 2023 auf 1000 Impfungen mit Vaxzevria 0,6 gemeldete Fälle von schweren Nebenwirkungen (hier archiviert). Die EMA hält mögliche Nebenwirkungen von Vaxzevria wie beispielsweise Gerinnungsstörungen in einem Produktblatt des Impfstoffs fest.
Über angebliche Risiken der Covid-Impfstoffe gibt es immer wieder Desinformation, die AFP widerlegt hat. So verursachten die Impfstoffe angeblich Krebs oder erhöhten die Übersterblichkeit. Alle Faktenchecks rund um Covid-19 und Impfstoffe gegen die Erkrankung sammelt AFP online.
Fazit: Der im Oktober 2024 verbreitete Screenshot eines „Bild“-Artikels zeigt keine aktuelle Berichterstattung über Nebenwirkungen des Covid-Impfstoffs von Astrazeneca, sondern einen alten Artikel, der im Mai 2024 veröffentlicht wurde.