Bewertung
Der genannten Zahl fehlt eine valide Grundlage. Sie kam anhand falscher Annahmen zustande, soweit dies überhaupt nachvollziehbar ist.
Fakten
Ein Artikel der österreichischen Webseite Exxpress.at vom 30. Mai 2023 liegt den inhaltlich falschen Beiträgen von Internet-Nutzern aus Deutschland zugrunde. Darin heißt es, es sei «unglaublich», dass die Nato-Luftwaffenübung die Luft über Europa mit 222 000 Tonnen CO2 belasten werde: «Das ist so viel, wie 30 000 Bewohner einer kleinen Stadt im Jahr produzieren. Und das in nur elf Tagen.»
Verlegung von Kampfflugzeugen geübt
Nach Angaben der Bundeswehr nahmen an der Übung «Air Defender 23» vom 12. bis 23. Juni rund 10 000 Soldatinnen und Soldaten aus 25 Nationen teil. Von 250 eingesetzten Flugzeugen wurden 100 aus den USA nach Deutschland gebracht. Zweck der schon 2018 vorgeschlagenen Übung war es, die Verlegung von Kampfflugzeugen nach Deutschland und deren Einsatz an der Ostgrenze des Nato-Gebiets zu demonstrieren.
In Deutschland gab es drei Übungsgebiete, deren Luftraum zeitlich versetzt jeweils für vier Stunden für Übungen reserviert war. Die Luftwaffe bilanzierte nach der Übung, dass es insgesamt rund 1800 Flüge und praktisch keine Verzögerungen im zivilen Flugverkehr gab.
Offizielle Angaben zum CO2-Ausstoß
Schon Mitte Mai, gut zwei Wochen vor Erscheinen des österreichischen Web-Artikels, hatte die Bundesregierung sich zu den erwarteten CO2-Emissionen des Manövers geäußert. In einer Antwort auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Edgar Naujok heißt es, in Deutschland sei «mit Treibhausgasemissionen in Höhe von 35 000 Tonnen CO2-Äquivalenten durch die eingesetzten Luftfahrzeuge zu rechnen».
Noch früher hatte die Bundesregierung auf Anfrage der Fraktion der Linkspartei diese Zahlen in aufgeschlüsselter Form veröffentlicht. Der Mitteilung von Ende März zufolge wurde damit gerechnet, dass mit rund 15 000 Tonnen die meisten Emissionen von den USA als größtem Übungsteilnehmer kommen würden. Von Militärflugzeugen aus Deutschland wurden knapp 12 500 Tonnen CO2-Emissionen erwartet.
Web-Artikel geht von falschen Annahmen aus
Die Kalkulation der österreichischen Webseite ist kaum nachvollziehbar. Dort wird auf den hohen CO2-Ausstoß verschiedener Flugzeugtypen verwiesen. Da es keine offiziellen Angaben darüber gibt, wie viele Kampfflugzeuge welchen Typs an dem Manöver wie oft und wie lange teilgenommen haben, ist allerdings die Aussagekraft von Emissionswerten unterschiedlicher Modelle begrenzt.
Die österreichische Webseite schreibt zudem: «Bei der elf Tage andauernden Übung werden die Kampf- und Tankflugzeuge täglich fünf Stunden in der Luft sein.» Übungsflüge gab es während des Manövers aber nur an zehn Tagen. Die der Rechnung zugrunde gelegte Annahme, alle Flugzeuge würden während der Übung täglich 5 Stunden in der Luft sein – was zu einer Gesamtflugzeit von 55 Stunden führe – ist falsch.
Einschränkungen in den drei Übungsräumen wurden für jeweils 4 Stunden angekündigt. Und auch dies bedeutet nicht, dass sämtliche in den verfügbaren Übungsräumen vorhandenen Flugzeuge wirklich die gesamte Zeit in der Luft waren. Zudem gibt es keine Angabe darüber, auf welcher Grundlage das Ergebnis von 222 000 Tonnen kalkuliert wurde.
Irreführender Vergleich zum Abgasen
Im Übrigen führt die Formulierung der Überschrift, diese Menge sei so viel CO2, wie «eine Stadt pro Jahr» produziere, in die Irre. Erst später erläutert der Artikel, die Menge entspreche in etwa dem jährlichen CO2-Ausstoß von 30 000 Österreichern. Es kann also nur um eine kleine Ortschaft wie «etwa Baden bei Wien» gehen.
Nur schwer ist die offizielle Zahl von 35 000 Tonnen CO2 in ein Verhältnis zu Deutschlands jährlichem Gesamtausstoß von CO2 zu setzen. Dieser betrug nach Angaben des Umweltbundesamtes im vergangenen Jahr 746 Millionen Tonnen. 35 000 Tonnen hätten daran einen Anteil von 0,00469 Prozent.
(Stand: 26.6.2023)