Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird immer wieder zum Ziel von Falscherzählungen. So teilten User im Januar 2023 ein Foto, das angeblich zeigen soll, wie in der italienischen Stadt Mailand ein Denkmal für den Präsidenten errichtet wurde. Zu sehen ist eine Nase mit einer Spur aus weißem Pulver. Dazu wird behauptet, die Statue solle symbolisieren, dass Selenskyj Drogen konsumiere. Das Foto hat aber nichts mit dem ukrainischen Präsidenten oder dem Krieg in der Ukraine zu tun. Es zeigt eine Kunstinstallation, die den Drogenhandel in Mailand verurteilt, erklärte die Künstlerin gegenüber AFP.
Dutzende User haben das Foto der Nasen-Installation auf Facebook geteilt. Der Beitrag verbreitete sich auch hundertfach auf Twitter. Zehntausende sahen ihn auf Telegram.
Die Behauptung: Online wird das Foto einer Nasen-Statue auf einer Straße geteilt. Davor ist eine Spur aus weißem Pulver zu sehen. User schreiben dazu: „Die Stadt Mailand hat dem Obergruppenführer Wolodoymyr #Selenskyj das erste Denkmal errichtet.“
Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 steht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj immer wieder im Fokus von Desinformation. So wurde online behauptet, er habe angeblich einen Krankenhausbesuch im März 2022 vorgetäuscht oder vermeintlich Putin auf einem gemeinsamen Foto im Jahr 2019 Hasenohren gezeigt. Im Juli 2022 kursierte ein gefälschtes Magazincover mit Seleskyj.
Auch manipulierte Videos, die belegen sollten, dass Selenskyj angeblich Kokain konsumiere, wurden bereits von AFP widerlegt. Alle Faktenchecks zum Krieg in der Ukraine sammelt AFP hier.
Nasen-Installation soll Drogenhandel in Mailand kritisieren
Eine umgekehrte Bildsuche führte AFP zu mehreren bereits verfügbaren russischsprachigen Faktenchecks (hier, hier, hier), die das Foto untersuchten. In den Artikeln heißt es, die Nase habe gar nichts mit Selenskyj zu tun. Tatsächlich sei eine Installation namens „Bianco Natale, Milano-Medellin“ (Weiße Weihnachten, Mailand-Medellin) der Künstlerin Christina Donati Meyer in Mailand zu sehen. Die kolumbianische Stadt Medellin ist als Kokainhochburg bekannt.
Eine Suche nach Postings auf den Social-Media-Profilen von Donati Meyer zeigt in Beiträgen vom 23. Dezember 2022 auf Instagram und Facebook das exakt gleiche Bild. Darin wird die Installation auf der Einkaufsstraße Corso Como in Mailand verortet, was AFP mit einem Vergleich der Umgebung auf Google Maps bestätigen konnte.
In den Beiträgen der Künstlerin wird allerdings nicht beschrieben, dass es sich bei der Installation um Selenskyjs Nase oder eine Anspielung auf dessen angeblichen Drogenkonsum handle. Stattdessen schreibt die Künstlerin, die Installation verurteile den immensen Drogenhandel in Mailand, einer „internationalen Drehscheibe für Mafiageschäfte“. Weiter schreibt sie:
„Der Kokainhandel ist innerhalb eines Jahres um 62 Prozent gestiegen und die häufigen Beschlagnahmungen großer Mengen in Mailand reichen nicht, um den Schwarzmarkt in Krise zu versetzen oder zu beeinflussen. Chemische Analysen des Abwassers zeigen, dass der Kokainkonsum im letzten Jahr um 30 Prozent gestiegen ist.“
Auch in den Kommentaren unter den Beiträgen der Künstlerin ist nicht davon die Rede, dass die Nase etwas mit Selenskyj zu tun haben solle. Diese loben die Installation oder thematisieren den Drogenhandel in der Stadt.
Zudem berichteten verschiedene italienische Medien von dem Kunstwerk. So schrieb das Onlinemedium „Milano Today“ im Dezember 2022, die Künstlerin prangere mit der Statue den enormen Drogenhandel in der Stadt an. Das Gleiche berichtete die Website des „Rebel Magazine„, wie auch das Lokalradio Lombardia.
In keiner der Veröffentlichungen heißt es allerdings, die Installation habe einen Bezug zu Selenskyj. In allen Berichten wird stets auf einen Zusammenhang zum Drogenhandel in Mailand verwiesen.
Auf AFP-Anfrage erklärte Christina Donati Meyer am 16. Februar 2023, ihre Installation habe nichts mit dem ukrainischen Präsidenten zu tun. „Ich denke nicht, dass es fair ist, den Sinn meiner Kunst so zu verändern,“ erklärte sie weiter.
Der Drogenhandel in Mailand wird in italienischen Medien immer wieder thematisiert. „Nichts ist banaler, als in Mailand über Kokain zu reden“, titelte beispielsweise das Magazin „Mow“ im Oktober 2022. Auch die Tageszeitung „Corriere della Sera“ berichtete von einer problematischen Normalisierung des Drogenkonsums in der Stadt.
Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) erklärte in einem Länderbericht für Italien aus dem Jahr 2019, Abwasseranalysen hätten in Mailand zwischen 2015 und 2018 einen erheblichen Anstieg an Kokainspuren gezeigt. Das britische Toxikologie-Unternehmen Randox berichtete im Februar 2020, Italien sei nach Angaben des Global Drug Survey 2019 weltweit der zweitgrößte Konsument von Kokain. Dafür wurde in einer Befragung unter 4000 Bürgerinnen und Bürgern die mittlere Anzahl an Tagen ermittelt, an denen die Droge im Jahr konsumiert wurde.
Fazit: Das Foto einer Kunstinstallation in Mailand wurde aus dem Kontext gerissen und hat nichts mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu tun. Die Künstlerin schrieb online, ihre Installation verurteile den Drogenhandel in Mailand. Das berichteten ebenfalls verschiedene italienische Medien.