Über Einwanderer und Geflüchtete verbreiten sich immer wieder irreführende Behauptungen. In sozialen Medien in Afrika und Europa wurde ein Video geteilt, das angeblich Menschen zeigt, die in Deutschland aus einem fahrenden Bus springen, um sich der Abschiebung zu entziehen. Der Clip zeigt jedoch Einwanderer, die aus einem Bus in Algerien springen.
Das Video zeigt, wie mehrere Personen nacheinander durch ein zerbrochenes Fenster aus einem fahrenden Bus springen und in Richtung eines nahe gelegenen Wohnkomplexes weglaufen. Auf X, vormals Twitter, wird die Szene so beschrieben: „Afrikaner, die aus Deutschland abgeschoben werden, entscheiden, dass sie nicht weg wollen.“ Auf Englisch verbreitete sich ein ähnlicher Tweet, der von flüchtenden Ghanaern in Deutschland spricht, tausendfach.
Video aus Algerien
Der Clip wurde jedoch nicht in Deutschland gedreht. Mithilfe des Videoverifikationstools InVID-WeVerify führte AFP eine umgekehrte Bildsuche nach Schlüsselbildern aus dem Filmmaterial durch.
Das führte zu einem Nachrichtenbericht (hier archiviert) der arabischen Ausgabe des russischen Staatssenders RT vom 3. Juli 2023, der einen Screenshot desselben Filmmaterials zeigt. Dem Artikel zufolge zeige es Einwanderer, die vor der Abschiebung in Algerien fliehen.
In dem RT-Artikel wurde ein Tweet vom 2. Juli 2023 von ABC Arabia, einer irakischen Nachrichtenseite, eingebettet (hier archiviert). Der Beitrag ist auf Arabisch verfasst und lautet übersetzt: „#Algerien…#Flucht einer Gruppe illegaler Migranten aus #Subsahara-Afrika und #Sahel-(Küsten-)Ländern, während sie in ihre Länder abgeschoben werden.“
#الجزائر.. #هروب لمجموعة #مهاجرين غير شرعيين من #دول الساحل والصحراء قبل ترحيلهم إلى بلدانهم #ABC_عربية#التحديث_الجديد#الهجرةpic.twitter.com/avP4S6FrEv
— عربية_Abc (@Abc_arabia1)
July 2, 2023
Auch arabische Nachrichtenseiten wie Al Arabiya oder Al Jazeera berichteten über den Vorfall (hier, hier und hier archiviert). In den Berichten heißt es, die Szene habe sich in Algerien abgespielt und die Einwanderer hätten ein Fenster eingeschlagen, seien aus einem fahrenden Bus gesprungen und geflohen.
Ein im Vordergrund des Videos zu sehendes Auto hat ein Kennzeichen, das mit einem gelben Nummernschild und drei Zahlenreihen dem algerischen Zulassungssystem entspricht. Auf der rechten Seite des Kennzeichens steht die Zahl 16 für eine algerische Provinz.
Fahrzeuge in Deutschland (hier archiviert) haben hingegen Autokennzeichen, die Zahlen und Buchstaben, sowie die Flagge der Europäischen Union zeigen.
Darüber hinaus deuten umgekehrte Bildsuchen darauf hin, dass die im Clip gezeigten Gebäude dem Stil der sogenannten AADL-Wohnungen (hier archiviert) entsprechen, die von einem chinesischen Unternehmen in Algier, der Hauptstadt Algeriens, gebaut wurden.
Eine Suche auf Google Maps nach AADL-Wohnungen in Algerien ergab Fotos von Immobilien in der Nähe des Douera-Stadions in Algier mit einem ähnlichen Design wie in dem Video (hier archiviert). Eine Google-Suche nach „AADL Douera-Stadion“ ergab außerdem Fotos (hier archiviert), die die gleichen Gebäude im Fotoarchiv von Getty Images zeigen.
Die Identität der Personen, die aus dem fahrenden Bus sprangen, konnte nicht unabhängig überprüft werden. Flüchtlinge aus Subsahara-Afrika in Algerien sind mit Gewalt und Ausweisung aus dem Land konfrontiert (siehe Berichte hier und hier).
Fazit: Ein Video von aus einem Bus springenden Menschen zeigt keine Männer, die einer Abschiebung aus Deutschland entgehen wollen. Es wurde in Algerien aufgenommen.