Während in Tschechien viel über steigende Immobilienpreise und Wohnungsknappheit berichtet wird, wird in sozialen Netzwerken die Behauptung verbreitet, dass Ukrainerinnen und Ukrainer, die in Tschechien Immobilien erwerben möchten, Vorteile erhalten. Tausende Facebook-Nutzerinnen und -Nutzer haben die Behauptung geteilt, dass ukrainische Geflüchtete, die in der Tschechischen Republik leben, ab September 2023 Hypotheken ohne Anzahlung aufnehmen könnten, weil die ersten Raten vom Staat gezahlt würden. Sowohl die Regierung als auch eine Bank erklärten jedoch, dass eine solche Maßnahme nicht existiert und nicht geplant sei.
„In der Tschechischen Republik lebende Ukrainer können ab dem 1. September 2023 im Rahmen eines Programms für Flüchtlinge aus der Ukraine ein Haus ohne Anzahlung kaufen, wobei die erste Rate von bis zu 200.000 Tschechischen Kronen (CZK) vom Staat übernommen wird“, heißt es in einem tschechischsprachigen Facebook-Beitrag, der seit seiner Veröffentlichung am 5. August 2023 über 1600 Mal geteilt wurde. Mit dem aktuellen Umrechnungskurs vom 22. August 2023 entsprechen 200.000 CZK rund 8330 Euro.
Dies ist eine falsche Behauptung, die sich in verschiedene Falschinformationen einreiht, wonach Ukrainerinnen und Ukrainer in der Tschechischen Republik angeblich gegenüber der einheimischen Bevölkerung bevorzugt würden. AFP hat bereits andere Behauptungen zu diesem Thema widerlegt. Faktenchecks zum Krieg in der Ukraine sammelt AFP hier.
Steigende Immobilienpreise, Löhne, die aufgrund der Inflation sinken und Wohnungsmangel, insbesondere in größeren Städten, haben dazu geführt, dass sich immer weniger Tschechinnen und Tschechen ein Eigenheim leisten können.
Laut Martin Machala, Leiter der Ownest-Gruppe, hat sich die Unerschwinglichkeit von Wohnraum seit 2012 immer weiter verstärkt. Ownest berät Menschen mit begrenzten Mitteln, die eine Hypothek aufnehmen möchten.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Ukrainerinnen und Ukrainer, die in der Tschechischen Republik Immobilien kaufen wollen, auf bessere Bedingungen treffen als Einheimische.
Keine Maßnahme zur Unterstützung von Hypotheken für Ukrainerinnen und Ukrainer geplant
AFP hat beim tschechischen Ministerium für Arbeit und Soziales nachgefragt, ob der Staat plane, Ukrainerinnen und Ukrainer beim Erwerb von Immobilien zu unterstützen. Jakub Agusta, Sprecher des Ministeriums, sagte, die Informationen in den verbreiteten Beiträgen seien „Unsinn“.
„Ab dem 1. September 2023 sind keine neuen Maßnahmen im Bereich der Flüchtlingshilfe geplant. Die aktuellsten Änderungen in diesem Bereich betrafen die sogenannten humanitären Leistungen“, teilte Augusta AFP in einer E-Mail vom 17. August 2023 mit und verwies auf eine besondere monatliche finanzielle Unterstützung für ukrainische Geflüchtete.
Weiter erklärte Augusta, dass der Staat seit dem 1. Juli 2023 zwischen schutzbedürftigen und nicht schutzbedürftigen Antragstellenden unterscheide. „Die Regeln, wer Anspruch auf die Leistungen hat, wurden sogar verschärft“, so der Sprecher.
Auf der Website des Ministeriums für Arbeit und Soziales (archivierter Link) ist zu lesen, dass erwachsene Geflüchtete aus der Ukraine in den ersten fünf Monaten nach der Ankunft in der Tschechischen Republik Anspruch auf eine monatliche Leistung von 4.860 CZK (rund 200 Euro) haben. Diese Unterstützung wird ab dem sechsten Monat auf 3.130 CZK (rund 130 Euro) pro Monat reduziert. Gleichzeitig prüft der Staat, ob die Antragstellenden neben ihrem regelmäßigen Einkommen über Vermögen verfügen.
In den in sozialen Netzwerken verbreiteten Beiträgen ist von einer Summe von „bis zu 200.000 CZK“ die Rede, die der Staat den Ukrainerinnen und Ukrainern als „erste Rate“ beim Kauf einer neuen Wohnung zur Verfügung stellen soll.
„Der Betrag von 200.000 CZK ist eine erfundene Summe, die in keinem Zusammenhang mit einer Unterstützung oder einer anderen Hilfe für die Geflüchteten steht. Nichts dergleichen wird derzeit diskutiert oder vorbereitet, auch nicht im Rahmen der nächsten Änderung der Lex Ukraine 7, die wir im September (2023) abschließen werden“, sagte Augusta.
Bank verneint Hypothekenzuschüsse für Ukrainerinnen und Ukrainer
AFP wandte sich daraufhin an die Česká spořitelna, die als eine der größten Privatkundenbanken auf dem tschechischen Markt ukrainischen Geflüchteten in der Tschechischen Republik bestimmte über dem Standard liegende Dienstleistungen anbietet. Dazu gehören die Einrichtung eines kostenlosen Kontos, die Bereitstellung von Online Banking in ukrainischer Sprache und die schnelle Bearbeitung von Zahlungskarten.
Die Bank biete jedoch keine Vorteile für diejenigen, die versuchen, eine Hypothek aufzunehmen, teilte Sprecher Filip Hrubý in einer E-Mail am 17. August 2023 mit.
Fazit: Ukrainische Geflüchtete erhalten keine finanzielle Unterstützung von der Tschechischen Republik, wenn sie dort eine Immobilie erwerben wollen. Das bestätigten sowohl das Ministerium für Arbeit und Soziales als auch der Sprecher einer Bank gegenüber AFP.