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Dieser Vergleich von Ungeimpften und Geimpften führt in die Irre

Im Netz weisen User immer wieder auf vermeintliche Gefahren der Corona-Impfstoffe hin. Diese sollen angeblich Krankheiten verursachen oder gar tödlich sein. Ein aktuell geteilter Vergleich soll zeigen, dass geimpfte im Gegensatz zu ungeimpften Menschen ein höheres Gesundheitsrisiko aufweisen. Der Vergleich führt allerdings in die Irre. Zahlreiche internationale Gesundheitsbehörden erläutern, der Nutzen der Coronaimpfung überwiege bei Weitem deren Risiken. Vor allem dreifach Geimpfte haben zudem ein geringeres Risiko von schweren Verläufen und Tod. 

Hunderte Nutzerinnen und Nutzer haben den Vergleich auf Instagram gesehen. Auch auf Facebook zirkuliert ein Sharepic mit dem Vergleich bereits seit 2021.

Die Behauptung: Ein Foto zeigt einen Aushang mit einem Vergleich vermeintlicher Risiken für Ungeimpfte und Geimpfte. Demnach könnten sich beide Gruppen mit dem Coronavirus infizieren, daran erkranken, sterben und andere infizieren. Jedoch wird gelistet, dass nur Geimpfte aufgrund der Impfung erkranken oder sterben könnten. Ebenso würden die Impfungen neue Virusmutationen auslösen. Geimpfte hätten damit angeblich ein wesentlich höheres Risiko.

Instagram-Screenshot der Behauptung: 16.08.2022

Immer wieder werden Falschbehauptungen zu angeblichen Nebenwirkungen der Corona-Impfstoffe im Netz verbreitet. So überprüfte AFP in der Vergangenheit, ob Impfstoffe giftige Bestandteile enthielten, ob mRNA-Impfstoffe das Erbgut veränderten oder ob die Impfstoffe eine Immunschwäche verursachen würden. Der nun verbreitete Vergleich zu Impfstoffen reiht sich ebenfalls in diese Serie von Falschbehauptungen, die AFP hier sammelt.

Wie gut wirken die Impfungen gegen das Coronavirus?

Im Vergleichsbild heißt es, sowohl Geimpfte als auch Ungeimpfte könnten sich mit dem Coronavirus infizieren und daran erkranken. Auch könnten Menschen aus beiden Gruppen versterben und das Virus weitergeben.

Tatsächlich erläutert das Robert-Koch-Institut (RKI) mit Stand vom 18. August 2022 auf seiner Website, es könne auch trotz einer Coronaimpfung zu einer Covid-19-Erkrankung kommen, da die Impfung keinen hundertprozentigen Schutz biete. Weiter heißt es allerdings, die Impfungen würden vor allem schwere Erkrankungen und Todesfälle verhindern. Dieser Schutz sei auch bei der aktuell verbreiteten Omikron-Variante gewährleistet.

Auch die US-Gesundheitsbehörde CDC schreibt online mit Stand vom 29. Juni 2022, keine Impfung sei zu 100 Prozent wirksam. „Manche Menschen, die gegen Covid-19 geimpft sind, werden trotzdem krank und haben einen Impfdurchbruch.“ Die Impfungen schützten aber weiterhin gegen schwere Erkrankungen und Todesfälle, auch bei der zirkulierenden Omikron-Variante. Auch der britische National Health Service (NHS) spricht von einem verringerten Risiko von schweren Erkrankungen und Todesfällen durch die Impfung.

Im jüngsten Monitoring-Bericht des RKI vom 4. August 2022 zum Impfgeschehen in Deutschland heißt es, dass das Risiko für Ungeimpfte im Zeitraum von etwa Mitte Mai bis Mitte Juni 2022 „aufgrund von Covid-19 in einem Krankenhaus behandelt zu werden 2,9-fach (12- bis 17-Jährige), 3,3-fach (18- bis 59-Jährige) bzw. 4,8-fach (ab 60-Jährige) erhöht im Vergleich zu Personen mit einer Auffrischimpfung.“

Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags verwies im April 2022 in einer Dokumentation zur Impfwirksamkeit gegen die Omikron-Variante des Virus auf eine Untersuchung des Iges-Institut, in der es hieß: „Vor dem Hintergrund einer mehr als einjährigen Aufklärungstätigkeit über die Schutzwirkung von Impfungen insbesondere bei Alten muss allgemein als bekannt vorausgesetzt werden, dass Ungeimpfte ein sehr viel höheres Risiko tragen als Geimpfte.“ Dies zeichne sich durch die hohe Übersterblichkeit von Ungeimpften aus.

Eine weitere Studie der britischen Gesundheitsbehörde UKHSA vom April 2022 hat gezeigt, dass eine zweifache Impfung mit den Impfstoffen von Biontech und Astrazeneca nur einen eingeschränkten Schutz gegen symptomatische Erkrankungen mit der Omikron-Variante bieten würden. Eine Auffrischimpfung mit einem mRNA-Impfstoff könne die Schutzwirkung jedoch „signifikant steigern“. Der Schutz nehme aber im Laufe der Zeit wieder ab. Auch die Studie eines an das finnische Gesundheitsministerium angegliederten Forschungsinstituts zeigte, dass die Wirksamkeit der Impfung gegen die Omikron-Variante bei zwei Dosen abnehmen, sich aber mit einer dritten Dosis wiederherstellen lasse.

Mit Stand vom 5. August 2022 schreibt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zu einer möglichen Virusübertragung bei Geimpften: „Insgesamt ist das Risiko, dass Menschen trotz Impfung PCR-positiv werden und das Virus übertragen, unter der Delta-Variante deutlich vermindert. Wie hoch das Übertragungsrisiko unter Omikron ist, kann derzeit noch nicht bestimmt werden.“ Es müsse aber davon ausgegangen werden, dass Menschen auch trotz Impfung nach Kontakt mit dem Virus PCR-positiv werden und dabei auch Viren ausscheiden und infektiös sind, selbst wenn diese womöglich gar keine Symptome entwickeln. Auch die US-Behörde CDC schreibt, die Omikron-Variante des Virus verbreite sich leichter als noch die Delta-Variante. Die Behörde gehe davon aus, dass jeder, der mit Omikron infiziert ist, das Virus auf andere übertragen könne, unabhängig von Impfstatus und Symptomen.

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags verwies dabei im April 2022 auf eine dänische Studie zur Übertragung der Omikron-Variante in Haushalten. Dabei habe sich eine gegenüber der Delta-Variante erhöhte Übertragungsrate ergeben. Menschen mit Auffrischimpfung hätten das Virus seltener übertragen als solche mit Zweifachimpfung. Beide Gruppen hätten das Virus wiederum seltener übertragen als Ungeimpfte.

Birgt die Impfung ein höheres Gesundheitsrisiko?

Weiter heißt es auf dem Vergleichsbild, Geimpfte hätten ein höheres Gesundheitsrisiko, da sie aufgrund der Impfung erkranken oder sterben könnten. Woran die Menschen angeblich erkranken sollen, wird nicht weiter geschildert. Ebenso sollen Impfungen neue Virusvarianten auslösen können.

Wie bei anderen Impfstoffen auch, kann es nach einer Corona-Impfung zu üblichen Impfreaktionen kommen, wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erläutert. Dazu gehören beispielsweise Rötungen, Schmerzen an der Einstichstelle, Fieber oder Kopfschmerzen. Auf diese Reaktionen wird auch in den Aufklärungsblättern zu den verwendeten Impfstoffen hingewiesen (hier, hier, hier). Auch über Impfkomplikationen, also Folgen der Impfung, die über das normale Maß einer Impfreaktion hinausgehen und den Gesundheitszustand „deutlich belasten“, wird darin informiert.

Das deutsche Bundesgesundheitsministerium erklärte mit Stand vom 10. August hierzu, der Nutzen einer Impfung überwiege bei Weitem die Risiken. Das in Deutschland für die Impfstoffüberwachung zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) erläuterte in seinem jüngsten Sicherheitsbericht vom 4. Mai 2022, die Melderate von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen betrug insgesamt 1,7 Meldungen pro 1000 Impfdosen. Schwere Verdachtsfallmeldungen hätten 0,2 Meldungen pro 1000 Impfdosen ausgemacht. Eine Bestätigung des ursächlichen Zusammenhangs mit der Impfung gibt es aber nicht in all diesen Fällen.

Das PEI erklärt zudem in seinem Bericht, bei etwa einem Prozent der erhaltenen Verdachtsfallmeldungen handele es sich um einen tödlichen Verlauf in unterschiedlichem zeitlichen Abstand zur Impfung. „116 Fälle wurden vom Paul-Ehrlich-Institut als konsistent mit einem ursächlichen Zusammenhang mit der jeweiligen Covid-19-Impfung bewertet.“ Hier bestehe ein wahrscheinlicher oder möglicher ursächlicher Zusammenhang.

Weiter erklärt das PEI, ein Vergleich der Verdachtsfallmeldungen mit tödlichen Ausgang bis 30 Tage nach einer Corona-Impfung und der im gleichen Zeitraum „statistisch zufällig zu erwartenden Anzahl der Todesfälle“ habe für keinen der fünf zugelassenen Impfstoffe ein Risikosignal ergeben.

Auch die US-Behörde CDC schreibt, der Nutzen der Coronaimpfungen überwiege deren Risiko. Diese Einschätzung wird auch von den australischen Gesundheitsbehörden geteilt. Diese machen Ende Juli 2022 zwar auch auf einige der seltenen Impfnebenwirkungen wie Herzmuskelentzündungen aufmerksam, erläutern aber, dass der Nutzen der Impfung gegen Covid-19 das sehr geringe Risiko einer Herzmuskelentzündung bei Weitem überwiege. Auswertungen des Schweizer Heilmittelinstituts zu Verdachtsfallmeldungen kommen ebenfalls zu einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis der Corona-Impfungen. Auch der britische National Health Service beschreibt Nebenwirkungen wie Herzmuskelentzündungen, allergische Reaktionen und Thrombosen als sehr selten.

Auf der Website der CDC heißt es, Berichte über Todesfälle nach Coronaimpfungen seien selten. Bis zum 17. August 2022 seien in den USA mehr als 607 Millionen Impfdosen verabreicht worden. Dabei seien 16.077 vorläufige Meldungen zu Todesfällen eingegangen, was 0,0026 Prozent entspreche. Untersuchungen hätten ergeben, dass neun der Todesfälle in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Impfstoff von Johnson und Johnson stünden.

Wie entstehen neue Virusvarianten?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, so viele Menschen wie möglich zu impfen. Das verringere die Verbreitung des Virus und damit auch die Entstehung von Varianten. Es sei also genau umgekehrt, die anhaltende Zirkulation der Krankheit ermögliche die Entstehung von Krankheiten. AFP erklärt die Entstehung von Varianten genauer:

Forschende nutzen die sogenannte Genomsequenzierung, um neue Varianten zu identifizieren und um deren Auswirkungen auf die Gesundheit zu untersuchen. Catherine Hill, Epidemiologin am Institut Gustave Roussy in Frankreich, bestätigte den Zufallscharakter von viralen Mutationen bereits am 14. Juli 2021 gegenüber AFP in diesem Faktencheck:

„Das Virus mutiert ohne Absicht, und dann gibt es Selektionssysteme, die dazu führen, dass sich eine Variante durchsetzt, wenn sie einen Vorteil hat, insbesondere wenn sie ansteckender ist.“

Auch die University of Maryland erklärt, die Impfung könne die Verbreitung des Virus eindämmen. Weiter heißt es: „Eine geringere Übertragung des Virus bedeutet weniger Mutationsmöglichkeiten, was dazu beitragen kann, das Auftreten anderer Varianten zu verhindern.“

Fazit: Zahlreiche Gesundheitsbehörden weltweit erkennen an, dass die Impfwirksamkeit mit der Verbreitung der Omikron-Variante des Virus nachgelassen hat, Auffrischimpfungen bieten aber weiterhin einen guten Schutz gegen schwere Verläufe und Todesfälle. Schwere Nebenwirkungen und Todesfälle im Zusammenhang mit den Impfungen sind selten. Der Nutzen der Impfung überwiegt weiterhin deren Risiken.

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Corona, Gesundheit

Autor(en): Saladin SALEM, AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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