Julian Assange ist seit 2019 in einem Gefängnis in der Nähe von London inhaftiert. Organisationen für Pressefreiheit prangern seine Inhaftierung regelmäßig an. In diesem Zusammenhang kursiert seit Ende März 2023 in sozialen Netzwerken ein angebliches Foto des sichtlich geschwächten Wikileaks-Gründers. Dabei handelt es sich aber um ein Bild, das mithilfe einer künstlicher Intelligenz erzeugt wurde, wie sein Urheber erklärte. Das bestätigten auch die Frau von Julian Assange und sein Unterstützungskomitee gegenüber AFP.
Hunderte User haben das Bild auf Facebook und Tausende auf Twitter geteilt. Auf Telegram erreichte die Behauptung Zehntausende. Sie kursierte auch auf Französisch, Polnisch und Niederländisch.
Die Behauptung: User teilen ein Bild, das einen Mann zeigt, der Julian Assange ähnlich sieht. Dazu behaupten sie: „Das neueste Bild von Julian Assange.“ Ein anderer fragt: „Wenn wir ihnen erlauben, so mit unseren Helden umzugehen, was denkt ihr, wie sie morgen mit uns umgehen?! Steht endlich auf: Freiheit für Assange!!!“
In den vergangenen Wochen wurden vermehrt KI-erstellte Bilder in sozialen Medien geteilt. Sie sind teilweise schwer als solche zu erkennen. Das birgt die Gefahr von Falschinformationen. AFP erklärt hier, wie man KI-Bilder als solche erkennen kann.
Bilddetails werfen Zweifel auf
Ein genauer Blick auf das Bild wirft Zweifel an der Echtheit auf. Etwa die Lidfalte von Julian Assange, ein weißer Fleck auf der Nase, die Falten und das Material der Kleidung und die körnige Struktur der Kacheln im Hintergrund. Außerdem ist das Wasserzeichen „photo property of ‘E’“ zu sehen.
Mit einer umgekehrten Bildsuche und dem Stichwort „Julian Assange“ ist es möglich herauszufinden, wer hinter dem „E“ steckt. Als Erstes teilte das Bild ein Twitternutzer mit dem Namen „The Errant Friend“ am 30. März 2023.
Darin heißt es: „Sie MÜSSEN Julian Assange unbedingt befreien. Es ist zeitkritisch und dringend. Er muss kein weiteres Jahr hinter Gittern warten, während die Mühlen der ‘Gerechtigkeit’ ihn langsam zermalmen. Jetzt ist der Moment. Jetzt ist, wenn du sprichst, wenn du aufstehst. #FreeAssangeNOW“.
Das Konto veröffentlicht immer wieder KI-generierte Bilder von bekannten Persönlichkeiten. Am 17. März hatte der User bereits ein weiteres künstlich erstelltes Bild von Julian Assange veröffentlicht, der in einer Zelle sitzt, auf der das gleiche Wasserzeichen mit der Aufschrift „Photo property of ‘E‘“ zu sehen ist.
„E“ freute sich in seinem Telegramkanal darüber, dass das Bild viel geteilt wird: „Dieses Bild ist hyperviral geworden, was die Absicht war. Zehntausende haben es aufgenommen und geteilt und es wurde millionenfach über Social-Media-Konten überall angesehen. Alles in 48 Stunden. Das ist ermutigend, da die CIA beabsichtigt, Julian und das, was sie ihm antun, verschwinden zu lassen. Wir stehen ihnen weiterhin direkt im Weg. Danke, dass Sie mir geholfen haben, hier ein sehr wichtiges Feuer zu entzünden. Ihre Taten, unsere Taten, haben so viel Gewicht.“
Am folgenden Tag veröffentlichte er auch eine Nachricht, in der er bestätigte, dass er die Quelle des Bildes sei, und sagte, er habe es erstellt, um „das Leiden, über das berichtet wurde“, von Julian Assange abzubilden.
Er hatte auch gegenüber mehreren Medien erklärt, dass er der Urheber des Bildes sei, das in sozialen Netzwerken kursiert, darunter der amerikanischen Presseagentur AP (archivierter Link), der deutschen „Bild“ (archivierter Link) und dem Faktencheck-Team des Senders TF1 (archivierter Link).
AFP kontaktierte „The Errant Friend“ über seinen Twitter-Account. Er bestätigte am 5. April 2023, der Urheber des Bildes zu sein.
Er stellte sich als „ehemaliger zentraler Entwickler von AssangeDAO [ein Projekt, das die Freilassung des Wikileaks-Gründers unterstützt, Anm. d. Red.] und anderen Assange-bezogenen Projekten“ vor und erklärte, er habe das Bild mit „Version 5 von MidJourney, einem KI-Bild-Generator“ erzeugt und dann mit einem Wasserzeichen versehen, „damit die Leute verstehen, woher das Bild stammt“. Er legte AFP einen Screenshot der Programm-Ansicht mit dem Bild vor.
„Meine Absicht war es, aus dokumentierten Ereignissen über Julians Situation ein Bild zu schaffen. Nach seiner Verhaftung wurde es ihm verboten, in der Öffentlichkeit aufzutreten, auch während seines eigenen Prozesses. Das bedeutet, dass die Öffentlichkeit nicht Zeuge dessen werden kann, was ihm angetan wurde, selbst wenn es Beweise für seinen geistigen und körperlichen Verfall gibt“, schrieb er in einer Nachricht an AFP.
Im September 2020 hatte Julian Assange jedoch per Videokonferenz an seinem Auslieferungsverfahren teilgenommen. Er hatte im Frühjahr desselben Jahres und im Jahr zuvor mehrere andere Anhörungen des Verfahrens aus gesundheitlichen Gründen verpasst, wie in diesem Artikel von „Le Monde“ und diesem Artikel von France 24 beschrieben.
Im Januar 2021 hatte die britische Justiz den Antrag auf Kaution von Julian Assange abgelehnt und seine Inhaftierung wurde daraufhin von der NGO Amnesty International als „willkürlich“ bezeichnet.
Dementi der Angehörigen von Julian Assange
Das Unterstützungskomitee des Wikileaks-Gründers, „Don’t extradite Assange„, bestätigte gegenüber AFP am 4. April, dass „das online kursierende Bild mithilfe einer KI erzeugt wurde“ und somit kein Foto sei, das „die Realität“ zeige.
Julians Ehefrau Stella Assange, die das Bild nicht über ihre sozialen Netzwerke geteilt hat, bestätigte am 4. April, dass es nicht authentisch ist.
„Ich weiß, dass es mit künstlicher Intelligenz erstellte Bilder von Julian gibt, die in den sozialen Netzwerken kursieren. Wenn ich nicht für diese Bilder werbe, ist es klar, dass sie keine echten Fotos sind“, antwortete sie am 4. April auf Nachfrage von AFP, vor Journalisten am Londoner Gefängnis, in dem ihr Mann inhaftiert ist.
Das Komitee „Don’t extradite Assange“ bekräftigte gegenüber AFP außerdem seine „Bedenken hinsichtlich der von den USA beantragten Auslieferung“ von Julian Assange, da er sich „derzeit unter unmenschlichen Bedingungen im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Großbritannien in Untersuchungshaft befindet“, und verwies auf eine am 24. März 2023 veröffentlichte Erklärung zu diesem Thema.
Am 4. April wurde Christophe Deloire und Rebecca Vincent, Generalsekretär und Kampagnendirektorin der NGO Reporter ohne Grenzen (RSF), der Gefängnisbesuch von Assange „verboten“, obwohl ein Interview mit ihm geplant war, berichtete RSF in einer am 4. April veröffentlichten Pressemitteilung.
RSF verurteilte die „absurde“ Entscheidung der britischen Behörden, den Besuch trotz vorheriger Genehmigung zu verweigern, wie in dieser Mitteilung von AFP beschrieben.
„Wir hatten die offizielle Erlaubnis, Julian zu besuchen, es war bestätigt worden (…), aber als wir heute Morgen sehr früh im Belmarsh-Gefängnis in London ankamen, teilte uns der Herr am Eingang mit, dass unsere Namen von der Besucherliste gestrichen worden seien „, erklärte Christophe Deloire, Generalsekretär von RSF vor Journalisten mit.
Assange-Bild geht kurz Verhaftung eines US-Journalisten in Russland viral
Das generierte Bild von Assange ging viral, kurz nachdem bekannt wurde, dass Evan Gershkovich, Korrespondent des Wall Street Journal in Moskau, am 29. März 2023 in Russland verhaftet wurde.
In einigen Beiträgen in sozialen Medien wurde den westlichen Regierungen Heuchelei vorgeworfen, weil sie die Freilassung von Gershkovich forderten, während Assange im Gefängnis bleibt – eine Botschaft, die auch von Russland vorgebracht wurde.
Nachdem der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am 30. März 2023 twitterte, dass „die russischen Behörden einmal mehr ihre systematische Missachtung der Medienfreiheit demonstrieren“, reagierte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, auf Telegram und forderte Borrell auf, seinen Respekt für die Pressefreiheit zu zeigen, indem er die Verhaftung von Julian Assange und des lettischen Sputnik-Redakteurs Marat Kasem verurteilen solle.
Julian Assange ist seit 2019 in England inhaftiert
Julian Assange wurde 2019 nach siebenjährigem Aufenthalt in der ecuadorianischen Botschaft in London von der britischen Polizei festgenommen und wird in Belmarsh, einem Vorort von London, festgehalten.
Er legte Berufung gegen eine im April 2022 getroffene Entscheidung der britischen Regierung ein, ihn an die Vereinigten Staaten auszuliefern, und wartet auf die Prüfung dieser Berufung.
Der 51-jährige australische Staatsbürger wird in den USA strafrechtlich verfolgt, weil er seit 2010 mehr als 700.000 vertrauliche Dokumente über die militärischen und diplomatischen Aktivitäten der USA, insbesondere im Irak und in Afghanistan, veröffentlicht hat, was eine Reihe von Enthüllungen in mehreren Medien auslöste. Ihm drohen 175 Jahre Haft.
Ende November 2022 forderten die fünf Medien („The New York Times“, „The Guardian“, „El Pais“, „Le Monde“ und „Der Spiegel“) die US-Regierung auf, die Strafverfolgung gegen Julian Assange einzustellen, wie dieser Artikel beschreibt.
Fazit: Das in sozialen Medien geteilte Bild von Julian Assange ist nicht echt, sondern wurde von einer KI generiert. Das bestätigt der Urheber. Julians Assanges Frau sowie sein Unterstützungskomitee dementierten ebenfalls die Echtheit des Bildes.