Wie bei Kohle- oder Atomkraftwerken muss auch Strom aus Windkraftanlagen durch Schaltanlagen mit sehr hoher Leistung geleitet werden. Um Kurzschlüsse zu vermeiden, wird das Gas Schwefelhexafluorid (SF6) als Isolator verwendet. In Beiträgen in sozialen Netzwerken wird behauptet, dass Windkraftanlagen Bauteile mit SF6 enthalten, dessen Treibhausgaswirkung tausendmal höher sei als die von CO2. Zwar ist dieses Treibhausgas tatsächlich sehr stark, aber nicht direkt Bestandteil von Windrädern. Es ist Teil von Stromschaltern, die auch von Windkraftanlagen genutzt werden. SF6 wird bei der Stromerzeugung unabhängig von der Quelle, erneuerbar oder fossil, verwendet – insbesondere in Transformatoren.
„Windräder sind nicht so Umweltfreundlich wie alle behaupten“, schreibt ein User auf Facebook und teilt ein rund einminütiges Video. Darin heißt es: „Windräder enthalten Bauteile, die wiederum ein ziemlich exotisches Gas enthalten. Es heißt Schwefelhexafluorid SF6. Eine Kombination aus Schwefel und Fluor. Das Problem, es ist das stärkste bekannte Treibhausgas. (…) Bisher gelangen in Deutschland laut offizieller Statistik nur geringe Mengen des Gases in die Luft. Aber die sorgen schon heute für mehr Treibhauseffekt als der gesamte innerdeutsche Flugverkehr. Tendenz steigend.“
Auf Facebook wurde das Video als Reel über 3000 Mal geteilt. Auf Tiktok verbreitet sich der Clip ebenfalls seit Juni 2023. In den geteilten Videos ist meist ein Name eingeblendet, der den AfD-Politiker Martin Sichert als Autor kennzeichnet. Er hatte den Beitrag bereits im September 2022 mit der Videounterschrift „Windräder sind Klimakiller – stärker als alle Flugzeuge zusammen“ veröffentlicht.
Auch auf Twitter, das inzwischen in „X“ umbenannt wurde, wurde der Beitrag über 1000 Mal geteilt.
Zu erneuerbaren Energien kursieren immer wieder Falschbehauptungen in sozialen Netzwerken. Aussagen zu Windrädern überprüfte AFP bereits hier oder hier. Faktenchecks zum Klimawandel sammelt AFP hier.
Bei den aktuell verbreiteten Aufnahmen handelt es sich um Ausschnitte aus einem Beitrag des ARD-Wirtschaftsmagazins Plusminus (Link hier archiviert) vom 17. August 2022 namens „SF6 – Die schlummernde Gefahr in Windrädern“. Das Video ist rund neun Minuten lang.
Ähnliche Behauptungen wurden auch auf Französisch (etwa auf Twitter und Facebook) verbreitet. Wie viele andere Postings greifen diese einen Artikel mit der Überschrift „Klimakiller in Windkraftanlagen“ auf, der Mitte August 2022 auf der Website der Tagesschau der ARD (Link hier archiviert) erschien. Der Artikel verlinkt direkt auf den Plusminus-Beitrag, der von demselben Journalisten stammt, die enthaltenen Informationen zu Schwefelhexafluorid in Windkraftanlagen decken sich inhaltlich.
Der Journalist Michael Houben, der den Plusminus-Fernsehbeitrag gestaltet und den Artikel auf der Website der Tagesschau verfasst hatte, wurde von AFP kontaktiert und betonte, dass „der Artikel auch in Deutschland verwendet wurde, um Windkraftanlagen zu denunzieren. Das ist natürlich Unsinn“.
„Trotz der Verwendung von SF6 in Schaltern (im Netz, Anm. d. Red.) sind Windkraftanlagen natürlich viel besser für das Klima als Kohle oder Gaskraftwerke“, erklärte Michael Houben am 13. Juni 2023 in einer E-Mail an AFP.
Aber selbst wenn Klimaschäden durch den Einsatz von SF6 bei der Erzeugung von Windenergie „signifikant geringer sind als bei jeder anderen Energiequelle, ist das nicht notwendig“, und „bringt nur einen vergleichsweise geringen wirtschaftlichen Vorteil und sollte vermieden werden. Jede andere Interpretation meines Artikels ist ‚Fake News'“, fügte er hinzu. Die EU-Gesetzgebung sei laut Houben jedenfalls zu zögerlich in dieser Frage.
SF6 in Hochspannungsleitungen, nicht in Windkraftanlagen
Schwefelhexafluorid ist eine Verbindung der Elemente Schwefel und Fluor und ein äußerst stabiler und effizienter elektrischer Isolator, der Kurzschlüsse und Lichtbögen verhindert. Deshalb wird das Gas seit den 1950er-Jahren weltweit in Leistungsschaltern und elektrischen Umspannwerken für Mittel- und Hochspannung in Stromübertragungs- und -verteilungsnetzen eingesetzt. Es spart auch Platz in Umspannwerken, da es die Abstände zwischen den elektrischen Leitern verringert, wie der Betreiber des französischen Hochspannungsnetzes RTE am 15. Juni 2023 gegenüber AFP erläuterte.
SF6 wird auch bei der Herstellung von Aluminium, Magnesium und Halbleitern verwendet. „In Windkraftanlagen kommt SF6 überhaupt nicht vor“, betonte Régis Olivès, Direktor der Ingenieurschule Sup’EnR in Perpignan, Frankreich, die sich der Energietechnik und den erneuerbaren Energien widmet, am 16. Juni 2023 gegenüber AFP. SF6 komme weder im Herstellungsprozess noch im Aufbau von Windkraftanlagen vor. Diese würden das Gas auch nicht emittieren.
„Da Windparks jedoch Hochspannungsstrom erzeugen, werden auch sie mit gasisolierten Schutzschaltern ausgestattet – ebenso wie Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke“, erklärte Jérémy Simon, stellvertretender Generalsekretär des französischen Verbands für erneuerbare Energien, am 14. Juni 2023 gegenüber AFP. Aufgrund seiner Eigenschaften werde SF6 somit von allen Zweigen der Stromerzeugung verwendet, unabhängig von dessen Herkunft: Windkraft, Solarenergie, Wasserkraft, Kernenergie oder fossile Energieträger wie Gas und Kohle.
Für jedes Element, das Strom unter hoher Intensität erzeuge, hätte man einen solchen Schalter, der mit diesem Gas isoliert ist, da dieses quasi den idealen Isolator darstelle. Das heißt, man könne SF6 genauso gut „in der nuklearen Energieerzeugung finden wie in einem Abzweiger zwischen zwei Stromleitungen mitten in der Beauce (französische Kalkebene, Anm. d. Red.)“, bestätigte Jean-François Gérard, stellvertretender wissenschaftlicher Direktor am Institut für Chemie des französischen Centre national de la recherche scientifique (CNRS) und Leiter der Forschungsprogramme Recycling (PEPR) im Rahmen des Investitionsplans Frankreich 2030, am 12. Juni 2023 gegenüber AFP.
Für Jean-François Gérard vom CNRS ist eine Debatte über SF6-Emissionen, die angeblich nur bei erneuerbaren Energien auftreten würden, daher „spekulativ“, zumal sie im Vergleich zu CO2-Emissionen, die die Atmosphäre erwärmen, äußerst gering seien.
„Es ist ein Thema der Stromnetze“, sagte Jeremy Simon und prangerte eine Fixierung auf SF6 in Windrädern an, die durch die Veröffentlichungen in sozialen Netzwerken hervorgerufen wird „auf Manipulation hinausläuft“.
Starke Treibhauswirkung von SF6
Fest steht, dass SF6 ein enormes Treibhauspotenzial hat. Dies gibt Anlass zur Sorge, sollte es in großen Mengen in die Atmosphäre gelangen. Mit einem Zeithorizont von 100 Jahren ist es nämlich 23.500 Mal stärker als eine gleichwertige Menge CO2. Und obwohl der Weltklimarat (IPCC) in seinem letzten Bericht von 2022 (Link hier archiviert) seine Schätzung der Dauer, die das Gas in der Atmosphäre verbleibt, nach unten korrigiert hat, ist es immer noch extrem lang: 1000 Jahre (gegenüber 3200 Jahren, die bis dahin geschätzt wurden).
Unternehmen in Frankreich sind jedoch verpflichtet, SF6-Lecks zu melden und abzudichten und das Gas am Ende der Lebensdauer von Anlagen wieder zu verwerten. Auf der Website der französischen Elektrizitätsgesellschaft EDF beispielsweise, die verpflichtet ist, der französischen Atomsicherheitsbehörde ASN alle Lecks zu melden, die den Grenzwert von 100 Kilogramm SF6 in der Atmosphäre überschreiten, sind Lecks, etwa einzelner Kraftwerke, online einsehbar.
Obwohl SF6 aufgrund von veralteten Geräten, Wartungsarbeiten oder der Erneuerung von Anlagen entweichen kann, ist es in elektrischen Anlagen „immer in dichten Gehäusen eingeschlossen“, wie die französische Agentur für ökologischen Wandel Ademe am 14. Juni 2023 gegenüber AFP betonte.
Und „da es ein sehr starkes Treibhausgas ist, wird es seit dem 1997 unterzeichneten Kyoto-Protokoll sehr genau überwacht“, erinnerte Cathy Clerbaux, Forschungsleiterin für Atmosphäre und Klima am CNRS: Die Konzentration in der Atmosphäre, die von Klimaforscherinnen und -forschern weltweit sehr genau verfolgt werde, bleibe bislang verschwindend gering.
„Eindeutig Desinformation“
Die Behauptung, dass Windkraftanlagen Bauteile mit SF6 enthalten und massiv in die Atmosphäre freisetzen würden, wird auch in sozialen Netzwerken verbreitet, indem ein Artikel (Link hier archiviert) der britischen Rundfunkanstalt BBC, mit dem Titel „Klimawandel: Das ’schmutzige Geheimnis‘ der Stromindustrie treibt die Erwärmung an“, der im September 2019 veröffentlicht wurde, geteilt wird. Der Artikel findet sich zum Beispiel in diesem Beitrag vom 18. September 2019 wieder:
Der Autor des Artikels, Matt McGrath, antwortete auf eine AFP-Anfrage vom 12. Juni 2023 bis zur Erscheinung dieses Faktenchecks nicht.
Der BBC-Artikel ist jedoch über drei Jahre alt und stammt aus dem Jahr 2019. Die darin zitierte Studie der Cardiff University in Wales stammt aus dem Jahr 2018 (Link hier archiviert) und hatte Daten aus den sechs Jahren davor gesammelt. Die Studie ergab, dass die verbrauchte Menge SF6 in Großbritannien um 30 bis 40 Tonnen pro Jahr zunehme. Unter dem Titel „Bewertung von SF6-Leckagen aus gasisolierten Anlagen in den Stromnetzen Großbritanniens“ untersuchte sie jedoch SF6-Lecks im gesamten britischen Stromübertragungs- und -verteilungsnetz über alle Energiequellen hinweg – also nicht nur im Bereich der Windkraft. SF6 ist demnach nicht nur auf die Windbranche beschränkt.
Dass Windkraftanlagen mit „massiven SF6-Emissionen, die ein ernsthaftes Risiko für das Klima darstellen“, in Verbindung gebracht werden könnten, kommentierte die bekannte französische Paläoklimatologin Valérie Masson-Delmotte, die bis Juli 2023 Co-Vorsitzende einer Arbeitsgruppe des Weltklimarates war, in einem Beitrag in sozialen Medien (Link hier archiviert) im Oktober 2022 mit einem Hinweis auf „eindeutig Desinformation“.
Boom erneuerbarer Energien
Die in den 1950er-Jahren begonnene Verwendung von SF6 als Isolator in elektrischen Hochleistungssystemen hat dennoch über mehrere Jahrzehnte hinweg stetig zugenommen, da der Strombedarf weltweit stieg und die Stromverteilungsnetze ausgebaut wurden. Gleichzeitig stiegen die Emissionen des SF6-Gases an.
Der Ausbau der Stromerzeugung wurde in den letzten Jahren durch die steigende Nachfrage in Schwellenländern sowie den Boom erneuerbarer Energien weltweit angetrieben.
So hat „die rasche Expansion der weltweiten Stromnachfrage und die schnelle Einführung erneuerbarer Technologien, wie die Kapazität in Wind- und Solarenergie im letzten Jahrzehnt, insbesondere im asiatischen Raum, eine große Reserve an SF6 bereitgestellt, die derzeit zur atmosphärischen Belastung durch SF6 beiträgt und während der Lebensdauer (30 bis 40 Jahre) der installierten Anlagen bestehen bleiben wird“, betonten 28 Forscherinnen und Forscher mehrerer renommierter Universitäten in einer internationalen Studie, die 2020 in der Zeitschrift Athmospheric Chemistry and Physics (Link hier archiviert) unter dem Titel „Die zunehmende atmosphärische Belastung durch das Treibhausgas Schwefelhexafluorid (SF6)“ veröffentlicht wurde.
Da Anlagen, die Strom aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen, kleiner und weiter über das Land verstreut sind als beispielsweise Gas- oder Kohlekraftwerke, mussten für ihre Entwicklung „viel mehr Verbindungen zum Stromnetz“ gebaut werden, was wiederum zu einem Anstieg der Zahl der installierten SF6-haltigen Trennschalter und Transformatoren geführt haben könnte, heißt es in der Studie weiter.
Keine globalen Daten über Anteil von Windenergie an SF6-Emissionen
Das bedeutet jedoch nicht, dass erneuerbare Energien den Großteil des weltweit erzeugten Stroms liefern oder dass sie die Hauptnutzer und -emittenten von SF6 sind. Jean-François Gérard vom CNRS meinte: „Es gibt keine Korrelation zwischen erneuerbaren Energien und dem Einsatz von Anlagen, die SF6 verwenden. Denn wenn der benötigte Strom nicht durch erneuerbare Energien produziert würde, würde er durch andere Energiequellen erzeugt werden.“
Einerseits ist zu beachten, dass der Anteil erneuerbarer Energien an der weltweiten Stromerzeugung zwar steigt, aber laut der Internationalen Energieagentur (IEA) im Jahr 2022 (Link hier archiviert) 29 Prozent der Gesamtmenge ausmachte. Laut der britischen Denkfabrik Ember lagen Solar- und Windenergie zusammen bei zwölf Prozent im Jahr 2022. In Deutschland kamen laut Bericht 32 Prozent des Stroms aus Solar- und Windkraft.
Dies bedeutet, dass die restlichen 71 Prozent durch andere Energiequellen, allen voran Kohle, erzeugt werden, wie in der nachstehenden Tabelle der IEA (Link hier archiviert) zu sehen ist:
Um die Auswirkungen von SF6, das in Schaltanlagen verwendet wird, auf das Klima zu bewerten, müsste man den Anteil der SF6-Leckagen aus diesem Sektor an den gesamten weltweiten SF6-Emissionen kennen. Recherchen von AFP in verschiedenen Quellen ergaben jedoch keine diesbezüglichen Zahlen. Die Europäische Umweltagentur antwortete auf die Frage von AFP, ob solche Daten verfügbar seien, in einer E-Mail vom 9. Juni 2023, dass sie „ihres Wissens nach nicht existieren“.
Die bereits zitierte Studie der Universität Cardiff hatte zwar für den Zeitraum 2015 bis 2016 eine „Leckrate“ von schätzungsweise „0,40 Prozent“ des verwendeten SF6 berechnet. Wie bereits erwähnt, bezog sich diese jedoch auf das gesamte britische Stromübertragungs- und -verteilungsnetz, das heißt auf alle Stromquellen zusammen.
Steigende SF6-Emissionen
In ihrem letzten Bericht aus dem Jahr 2022 (Link hier archiviert) haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Weltklimarates die globalen SF6-Emissionen in die Atmosphäre untersucht. Diese steigen weiter an:
Weltweit sei „SF6, das in elektrischen Verteilersystemen, der Magnesiumproduktion und der Halbleiterherstellung verwendet wird, von 7,3 ppt („parts per trillion“, zu Deutsch: Teile pro Billion, Anm. d. Red.) im Jahr 2011 auf 10,0 ppt im Jahr 2019 (plus 36 Prozent) gestiegen. Die SF6-Konzentrationen wird in ppt angegeben. Alternativen zu SF6 oder SF6-freie Geräte für elektrische Systeme wurden in den letzten Jahren verfügbar gemacht, aber SF6 wird immer noch häufig in Schaltern verwendet“, schrieben die IPCC-Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftler in ihrem Bericht weiter.
Allerdings müsse man bei der Größenordnung vorsichtig sein: Klimaforscherinnen und -forscher betonen, dass die SF6-Konzentrationen in der Atmosphäre – alle Emissionsquellen zusammengenommen – im Vergleich zu den Konzentrationen von CO2 oder Methan, zwei anderen stark überwachten Treibhausgasen, nach wie vor viel geringer seien.
Für die CO2-Konzentrationen verwenden Forscherinnen und Forscher eine größere Maßeinheit, nämlich „parts per million“ (ppm), was einem Millionstel (10 hoch -6, also sechs Nullen hinter dem Komma) entspricht. So „liegt die weltweite CO2-Konzentration in der Atmosphäre derzeit bei rund 420 ppm“, betonte Cathy Clerbaux vom CNRS – im Vergleich zu den 10 ppt, die der Weltklimarat in seinem soeben angeführten Bericht erwähnt.
Die 28 Forscherinnen und Forscher der oben erwähnten internationalen Studie betonten außerdem, dass „das geringe atmosphärische Mischverhältnis von SF6 im Vergleich zu CO2 seinen Beitrag zum anthropogenen (menschlich bedingten, Anm. d. Red.) Strahlungsantrieb auf etwa 0,2 Prozent begrenzt“.
SF6-Emissionen werden genau überwacht
Darüber hinaus werden SF6-Lecks und -Konzentrationen – wie bei allen Treibhausgasen – von Klimaforscherinnen und -forschern untersucht und vom Agage-Netzwerk (Advanced global atmospheric gases experiment) weltweit genauestens überwacht. Hierbei handelt es sich um ein Netzwerk von Laboratorien, die systematische Boden- und Satellitenmessungen der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre durchführen.
Die Messungen würden jedoch zeigen, dass „die SF6-Leckagen nicht ausreichen, um dieses Gas zu einer Verbindung zu machen, die in der Atmosphäre in erheblichem Maße vorhanden ist. Die Auswirkungen von SF6 auf das Klima sind derzeit noch gering. In Satellitendaten ist es nicht sichtbar, weil die Konzentrationen so gering sind, während andere Gase wie CO2 oder Methan enorme Signale senden“, erklärte Cathy Clerbaux.
Geringere SF6-Emissionen in Industrieländern
Der „Anstieg der SF6-Emissionen“ in Entwicklungsländern habe die „erheblichen Reduzierungen“ in Industrieländern mit ihren „weniger emittierenden Industriepraktiken“ übertroffen, wie die 28 Forscherinnen und Forscher der Studie über die „Belastung“ von SF6 feststellten.
In den USA beispielsweise, wo „elektrische Übertragungs- und Verteilungssysteme den Großteil der Schwefelhexafluorid-Emissionen ausmachen“, sind die SF6-Gesamtemissionen aus allen Quellen zwischen 1991 und 2021 um 22,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente zurückgegangen, was einem Rückgang von 73,7 Prozent entspricht, wie die US-amerikanische Umweltschutzbehörde (EPA) in ihrem jüngsten Bericht über Treibhausgasemissionen (Link hier archiviert) schreibt.
In der Europäischen Union machte der Anteil der SF6-Emissionen (dunkelblau in der untenstehenden Grafik, die AFP von der Europäischen Umweltagentur bereitgestellt wurde) im Jahr 2021 etwa 0,1 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen aus:
Citepa, eine unabhängige Vereinigung, die die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf das Klima und die Luftverschmutzung bewertet, stellt seit 1999 ebenfalls einen rückläufigen Trend in Frankreich (Link hier archiviert) bei den SF6-Emissionen fest:
Im Gegensatz dazu schätzten die 28 Forscherinnen und Forscher der oben zitierten Studie im Jahr 2020, dass die SF6-Emissionen aus China „etwa zehnmal so hoch sind wie die Emissionen aus Westeuropa“.
Überarbeitung rechtlicher Vorschriften
Um die Emissionen fluorierter Gase – zu denen neben Fluorkohlenwasserstoffen (FKW) und Perfluorcarbonen (PFC) auch SF6 gehört – zu reduzieren, hat die Europäische Union schrittweise ein Regelwerk geschaffen, das derzeit jedoch nicht vorsieht, dass diese durch andere Gase oder Verfahren ersetzt werden müssen.
2015 trat die EU-Verordnung 517/2014 über fluorierte Treibhausgase (Link hier archiviert), mit der die Emissionen fluorierter Gase zwischen 2014 und 2030 um zwei Drittel gesenkt werden sollten, in Kraft. Die Verordnung beinhaltet Bestimmungen über die „Vermeidung von Emissionen fluorierter Treibhausgase“ (Artikel 3), die regelmäßige Kontrolle der Dichtheit von Anlagen (Artikel 4), die Installation von „Leckage-Erkennungssystemen“ ab einem bestimmten Schwellenwert für das verwendete Gas (Artikel 5) sowie die Ausbildung und Zertifizierung von Personen, die an diesen Einrichtungen arbeiten (Artikel 10).
„Dagegen sieht dieses Rechtsinstrument keine Beschränkung des Inverkehrbringens von elektrischen Geräten, die SF6 enthalten, vor, da es zum Zeitpunkt der Ausarbeitung der derzeit geltenden EU-Verordnung keine funktionierende Alternative gab“, betonte das französische Umweltministerium gegenüber AFP in einer E-Mail vom 16. Juni 2023.
Derzeit finden auf europäischer Ebene jedoch Gespräche zur Überarbeitung dieser Verordnung statt: Diese befindet sich in einem Novellierungsprozess, ein Verbot von SF6 für Neuanlagen wird laut deutschem Umweltbundesamt aktuell diskutiert (Link hier archiviert).
„Es ist insbesondere vorgesehen, die Verwendung von SF6 und das Inverkehrbringen von elektrischen Schaltanlagen, die SF6 enthalten, merklich zu reduzieren“, erklärte auch das französische Umweltministerium.
Im Rahmen des von der Europäischen Union angestrebten Ziels der Klimaneutralität bis 2050 hat die Europäische Kommission im Frühjahr 2022 (Link hier archiviert) unter anderem vorgeschlagen, dass SF6 bis 2031 schrittweise aus allen neuen Schaltern, die auf den Markt kommen, entfernt werden soll.
Die Verhandlungen zwischen den EU-Institutionen dauern seitdem an, wie das Europäische Parlament am 21. Juni 2023 gegenüber AFP bestätigte (Link hier archiviert).
Arbeit an neuen Technologien
SF6 ist demnach im Visier der Europäischen Union. Dies würde zu einer „Bewusstseinsbildung“ zu diesem Thema beitragen, meinte Jean-François Gérard vom CNRS. Deshalb arbeiten Unternehmen seit mehreren Jahren an der Entwicklung von Alternativen, entweder aus fluorierten Gasen, deren Treibhauspotenzial geringer ist als das von SF6, oder, wie der französische Konzern Schneider Electric (Link hier archiviert), der zu den weltweit führenden Herstellern von Umspannwerken gehört, mit Systemen, die Luft als Isolator oder Vakuum als Mechanismus zur Stromabschaltung nutzen.
Fachleute gehen davon aus, dass der technologische Fortschritt in Zukunft den Einsatz von SF6 reduzieren wird.
In den USA können „alte Schutzschalter bis zu 2000 Pfund SF6 (907 Kilogramm, Anm. d. Red.) enthalten, während moderne Schutzschalter normalerweise weniger als 100 Pfund (45 Kilogramm, Anm. d. Red.) enthalten“, so die US-Umweltschutzbehörde auf ihrer Website (Link hier archiviert).
Das französische Umweltministerium erklärte, dass die Windkraftbranche (auch in Bezug auf die Verwendung von SF6) eine neue Industrie sei. Mehr als 50 Prozent der Anlagen seien weniger als zehn Jahre alt. Die Betreiber von Windkraftanlagen würden in diesem Bereich geschult werden. Die französische Elektrizitätsgesellschaft EDF erklärte 2022, die SF6-Emissionen seiner Kernkraftwerke um 45 Prozent reduziert zu haben (Link hier archiviert).
Auch der deutsch-spanische Hersteller Siemens-Gamesa, einer der größten Produzenten von Windenergieanlagen weltweit, gab bekannt, bis spätestens 2030 auf den Einsatz von SF6 zu verzichten. Laut einer Pressemitteilung sowie eines Postings auf Facebook aus 2022 (Link hier archiviert) sollen neue Windräder „so schnell wie möglich, spätestens jedoch bis zum Jahr 2030“ ohne Schwefelhexafluorid auskommen.
SF6-Emissionen in Deutschland gehen zurück
In Deutschland trafen die Bundesrepublik sowie die deutsche Wirtschaft im Jahr 2000 eine Vereinbarung diesbezüglich (Link hier archiviert). In diesem Rahmen haben SF6-Produzenten sowie Hersteller und Betreiber von elektrischen Betriebsmitteln über ein Kilovolt (1000 Volt) im Jahr 2005 eine freiwillige Selbstverpflichtung abgeschlossen: SF6-Emissionen sollen – wo immer möglich – vermieden und eingesetzte SF6-Mengen zur Funktionserfüllung minimiert werden.
Die Emissionen an SF6 in Deutschland gingen laut Informationen des deutschen Umweltbundesamtes (Link hier archiviert) bei Produktion und Verwendung auch deutlich zurück:
Laut Statistischem Bundesamt (Link hier archiviert) wurden in Deutschland 2020 rund drei Millionen Tonnen CO2-Äquivalente SF6 freigesetzt. Das entsprach einem Anteil von 0,4 Prozent an den gesamten Treibhausgasemissionen der Bundesrepublik.
Im Vergleich dazu hat der innerdeutsche Luftverkehr tatsächlich einen Anteil von 0,3 Prozent an den gesamten deutschen CO2-Emissionen, wie Daten des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft aus 2019 zeigen (Link hier archiviert).
Allerdings belegen Daten des Umweltbundesamtes (Link hier archiviert), dass der Großteil der deutschen SF6-Emissionen aus Schallschutzscheiben stammt, während elektrische Betriebsmittel (von denen Windkraftanlagen wiederum nur ein kleiner Teil sind) nur rund 15 Prozent ausmachen:
Fazit: Schwefelhexaflourid ist ein hoch wirksames Treibhausgas. Es wird in elektrischen Schaltanlagen eingesetzt, die unter anderem auch für die Nutzung von Windkraft gebraucht werden. Bei Emissionen machen Windräder keinen besonders relevanten Teil aus.