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Dieses Video eines scheinbar auf Schweinefleisch urinierenden Mannes ist ein Scherz

Im Dezember 2023 löste ein Scherz-Video in sozialen Medien zahlreiche wütende Kommentare gegen die muslimische Gemeinschaft aus. Im Clip ist zu sehen, wie ein junger Mann angeblich in einem niederländischen Supermarkt „auf das Schweinefleisch im Regal pinkelt“. Die Stimme im Clip sagt auf Niederländisch, dass der Täter dies getan habe, „weil er kein Schweinefleisch isst“. Der Autor des Clips erklärte jedoch gegenüber AFP, dass es sich um einen Scherz gehandelt habe und sein Freund im Video nicht auf das Fleisch uriniert habe. Der Autor hat zudem eine Reihe weiterer Videos mit Streichen an anderen Orten gedreht. Die Supermarktkette erklärte AFP außerdem, sie habe keine Beschwerden über derartige Vorfälle in einer ihrer Filialen erhalten.

„Dude, du bist zu radikal. Nur weil er kein Schweinefleisch essen will? Wow! Wir essen kein Schweinefleisch“, sagt eine Stimme teils auf Niederländisch, teils auf Englisch in einem Video mit dem Titel „Wo bleibt die Sicherheit von Albert Heijn?“, einer bekannten niederländischen Supermarktkette. In dem Clip ist ein junger Mann von hinten zu sehen, der angeblich auf Schweinefleisch in einem Regal in einem niederländischen Supermarkt uriniert.

Das Video verbreitete sich Mitte Dezember 2023 in sozialen Medien und wurde millionenfach angesehen, nachdem mehrere Blogs und Internetseiten, die oftmalig Falschmeldungen verbreiten, das Video auf Facebook (etwa hier und hier) oder X (zum Beispiel hier) geteilt hatten. Auf Telegram wurde der Clip auch verbreitet. „Das kann doch nicht wahr sein: Mitten in einem niederländischen Supermarkt pinkelt ein Kunde auf das Schweinefleisch im Regal, angeblich aus Protest“, heißt es etwa in einem Artikel vom 18. Dezember 2023 des österreichischen Boulevardmediums „Exxpress“. Auch der österreichische Regionalsender „RTV Privatfernsehen“ hat das Video mit der Falschbehauptung hier veröffentlicht.

Das Video wurde auch vom niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders, dem Vorsitzenden der antimuslimischen Partei für die Freiheit (PVV), der die Wahlen in den Niederlanden am 22. November 2023 gewonnen hatte, geteilt. Seine Partei verdoppelte ihre Sitze auf 37 im Vergleich zur letzten Wahl. Ein österreichischer Politiker der rechtspopulistischen Partei FPÖ sowie die deutsche AfD Hannover-Stadt haben das Video ebenfalls verbreitet.

Vielfach geteilt wird der Clip außerdem in anderen Sprachen. Viele Nutzerinnen und Nutzer griffen dabei die muslimische Gemeinschaft an, zum Beispiel hier und hier auf Niederländisch, sowie auch in Beiträgen auf Englisch und Französisch. Auch auf Schwedisch wurde der Clip geteilt.

„Abschieben inklusive Familie ohne Wenn und Aber“, kommentierte ein User auf Deutsch auf Facebook. Andere Userinnen und User argumentierten, dass der Mann für seine Taten bestraft werden sollte (etwa hier und hier auf Niederländisch).

Facebook-Screenshot der Behauptung: 27. Dezember 2023

In Bezug auf das Thema Migration tauchen in sozialen Medien generell immer wieder Falschaussagen auf. Alle Faktenchecks dazu sammelt AFP hier.

Auch die aktuell geteilten Beiträge sind falsch. Der Autor des Videos erklärte in einer privaten Nachricht auf Instagram an AFP am 20. Dezember 2023 sowie in einem am selben Tag veröffentlichten Youtube-Video, dass der Mann in dem Clip nicht tatsächlich auf das verpackte Fleisch uriniert habe. Dies sei Teil einer Reihe von Streichen gewesen sei, die der Autor gemacht habe. Ein Sprecher der niederländischen Supermarktkette Albert Heijn teilte AFP am 20. Dezember 2023 per E-Mail mit, dass das Unternehmen zwar von dem Video wisse und es gesehen habe, aber keine Beschwerdemeldungen darüber erhalten habe, dass dies tatsächlich in einem seiner Geschäfte passiert sei.

Video ist gestellt

In dem Video ist das Geräusch einer plätschernden Flüssigkeit zu hören. Es ist deutlich lauter als der Rest der Tonspur. Dennoch ist keine Flüssigkeit auf den Fleischprodukten zu sehen – obwohl der Mann im Clip so tut, als würde er urinieren.

Das in den Aufnahmen sichtbare Logo auf verschiedenen Produkten deutet darauf hin, dass das Video in einem Albert Heijn-Supermarkt gedreht wurde. Es ist nicht das erste Mal, dass die Einzelhandelskette für die Inszenierung von Fake-News-Videos genutzt wurde.

Eine Stichwortsuche ergab, dass die früheste Version des Videos, die AFP finden konnte, am 15. Dezember 2023 von einem 22-jährigen User, der sich Danny Derix nennt, auf dem Instagram- und Tiktok-Konto des niederländischen Accounts „Buurtwachtt“ (Nachbarschaftswache) veröffentlicht wurde. AFP konnte nicht herausfinden, ob Danny Deix der echte Name des Nutzers ist.

Autor bestätigte Inszenierung des Clips

In seinen Instagram-Stories postete der User am 19. Dezember 2023 eine kurze Aufnahme, in der er das virale Video kommentierte: „Wisst ihr, wie viel Mühe es kostet, die Motivation zu haben, jeden Tag aufzuwachen und auf eine gute Idee zu kommen, wie auf Schweinefleisch zu pinkeln? Wisst ihr, wie viel Mühe das kostet? Ich habe den härtesten Job der Welt“. In einem anderen Live-Video war er in Zaandam, einer niederländischen Stadt nördlich von Amsterdam, zu sehen. Beide Instagram-Stories verschwanden nach 24 Stunden – bevor sie archiviert werden konnten.

AFP fand auf dem Instagram-Account von „Buurtwachtt“ mehrere andere Videos, in denen ein Mann zu sehen ist, der der Person in dem aktuell geteilten Video ähnelt und angeblich an verschiedenen Orten uriniert, zum Beispiel in einem Fitnessstudio (hier und hier).

AFP kontaktierte den User auf Instagram, um mehr über das Video zu erfahren. In einer Instagram-Nachricht vom 20. Dezember 2023 bestätigte er gegenüber AFP, dass er der Autor des Videos sei: „Die Person, die in dem Video zu sehen ist, ist mein Freund. Es wurde am 13. Dezember 2023 aufgenommen. Es wurde in den Niederlanden in einem Lebensmittelgeschäft (Albert Heijn XL) in der Stadt Zaandam aufgenommen. Das Video ist eine absolute Fälschung. Er hat nie auf das Fleisch gepinkelt oder so etwas, ich habe einen Soundeffekt mit einem Uriniergeräusch verwendet und über das Originalvideo gelegt. Die Absicht war, der Welt zu zeigen, wie einfach es ist, Fake News zu produzieren und als Wahrheit zu verbreiten.“ Er sagte: „Alle Beweise werden auf meinem Youtube-Kanal ‚Buurtwacht‘ veröffentlicht.“

Am 20. Dezember 2023 um 17.30 Uhr teilte der User ein zuvor aufgezeichnetes Video auf Youtube, das er danach auch zu seinem Kanal hinzufügte. In etwa 15 Minuten erklärte er, wie er die Serie von vier Videos erstellte und wie er den Ton hinzufügte, indem er beispielsweise eine versteckte Wasserflasche verwendete oder Wasser auf verschiedene Objekte schüttete. Er behauptete, er habe einen Streich spielen und sehen wollen, wie sich die Falschinformation verbreiten würde.

Auf Youtube erklärte er weiter: „Wir haben in diesem Video nicht einmal eine Wasserflasche verwendet. Es ist buchstäblich ein Soundeffekt, den ich auf meiner Toilette mit meinem iPhone aufgenommen und unter das Originalvideo gelegt habe, das wir bei Albert Heijn aufgenommen haben.“

Supermarktkette ist kein derartiger Vorfall bekannt

AFP kontaktierte auch die Supermarktkette Albert Heijn, um herauszufinden, ob diese den Vorfall in einer ihrer Filialen bestätigen kann oder nicht. Angela Stoelinga von der Presseabteilung schrieb AFP per E-Mail am 20. Dezember 2023: „Wir haben das Video gesehen. Wir haben daraufhin interne Nachforschungen angestellt. Wir haben keine Berichte über Belästigungen aus unseren Geschäften erhalten.“

Der Supermarkt äußerte sich nicht dazu, ob die Fleischverkäufe durch die Verbreitung des Videos beeinträchtigt wurden.

Fazit: In sozialen Medien kursiert ein Video, in dem ein Mann angeblich auf Schweinefleisch in einem niederländischen Supermarkt uriniert. Der Clip ist jedoch gestellt. Der Autor des Videos erklärte gegenüber AFP, dass es sich um einen Scherz gehandelt habe. Es gäbe zudem eine Reihe weiterer Videos mit ähnlichen Streichen an anderen Orten. Auch die Supermarktkette bestätigte, dass sie keine Beschwerden über derartige Vorfälle in einer ihrer Filialen erhalten habe.

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Migration, Politik

Autor(en): Charlotte STEENACKERS / Katharina ZWINS / AFP Österreich / AFP Niederlande

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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