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Dieses Video von 2013 zeigt einen Massenmord in Syrien

Ein Video mit fünf Minuten Länge, das die Hinrichtung mehrerer Männer zeigt, kursiert in sozialen Medien. Userinnen und Usern zufolge handelt es sich bei den Opfern angeblich um türkische Bauunternehmer, die erschossen worden seien, weil sie unter den Gebäuden Reifen anstelle von Erdbebendämpfern angebracht hätten. Das Erdbeben vom 6. Februar 2023 hat mehr als 56.000 Menschen getötet und hunderttausende Gebäude in der Türkei und Syrien zerstört. Das Video hat jedoch nichts mit der Erdbebenkatastrophe zu tun. Es wurde 2013 aufgenommen und zeigt in Wahrheit einen Massenmord während des syrischen Bürgerkriegs.

Das Video wurde seit Mitte März auf Französisch auf Facebook und in zahlreichen WhatsApp-Gruppenchats geteilt.

Die Behauptung: „Die Türkei gibt ein Beispiel für andere Länder in der Welt“, schreiben Userinnen und User, die diese schrecklichen Bilder verbreiten, die zeigen, wie mehrere Männer von anderen Männern in militärischen Kampfanzügen hingerichtet werden. Ihre Leichen stapeln sich achtlos auf Autoreifen in einer Grube. Bei den Opfern des Massakers soll es sich angeblich um „türkische Bauunternehmer“ handeln, die „erschossen wurden, weil sie unter den Gebäuden Reifen anstelle von Erdbebendämpfern angebracht haben“.

Am 6. Februar 2023 forderte ein Erdbeben der Stärke 7,8, gefolgt von einem weiteren Beben der Stärke 7,6 neun Stunden später, in der Türkei nach jüngsten Angaben der Behörden rund 50.000 Todesopfer. Darüber hinaus kamen in Syrien fast 6000 Menschen ums Leben, wie eine Aufstellung von AFP ergab.

Die verheerendsten Erdbeben weltweit nach Toten seit 1993.

In dem vom Erdbeben betroffenen Gebiet im Südosten der Türkei und im Norden Syriens wurden die Häuser von Millionen von Menschen zerstört. Dort lebt eine große Anzahl an Menschen, die als Flüchtlinge oder Vertriebene aufgrund des Syrien-Konflikts Zuflucht gesucht haben.

Im Zuge der Katastrophe leiteten die türkischen Behörden 564 Ermittlungen gegen Bauträger und Bauunternehmer ein, deren Gebäude wie Kartenhäuser in sich zusammenfielen. In türkischen Medien sowie von Ingenieurinnen und Ingenieuren, Architektinnen und Architekten werden einige Bauunternehmer angeprangert, die minderwertige Materialien verwendet oder die Normen nicht eingehalten haben sollen. Mehrere Bauunternehmer wurden bereits in den ersten Tagen nach dem Erdbeben festgenommen.

Ein Massaker in Syrien von 2013

Die verbreiteten Aufnahmen haben jedoch nichts mit dem verheerenden Erdbeben zu tun. Das Video stammt von 2013 und zeigt ein den syrischen Streitkräften zugeschriebenes Massaker in Tadamon, einem südlichen Vorort von Damaskus in Syrien. In Syrien herrscht seit 2011 ein Bürgerkrieg, in dem das syrische Regime gegen die syrischen Rebellen kämpft. Für Präsident Baschar al-Assad kämpfen verschiedene Milizen, die auch eigene Interessen verfolgen.

Eine umgekehrte Bildsuche auf Google führte zu Ausschnitten aus demselben Video in einem Tweet, der im Januar 2023 veröffentlicht wurde. Der Beitrag berichtet von einem „Massaker durch Assads Truppen in Damaskus, bei dem 288 Zivilistinnen und Zivilisten getötet wurden“. Die Stichwortsuche „Hinrichtung Assad 288 Zivilisten“ führte zu einem Artikel mit dem Titel „Wie ein Massaker an fast 300 Menschen in Syrien aufgedeckt wurde“. Der Artikel erschien im April 2022 im US-amerikanischen „New Lines Magazine“ und stammt von der Forscherin Annsar Shahhoud und dem Forscher Uğur Ümit Üngör.

Screenshot des Artikels vom „New Line Magazine“ erstellt am 22. März 2023

Darin enthüllen sie dieses Massaker, das 2013 in Tadamon begangen wurde und bei dem die syrischen Streitkräfte 288 Zivilistinnen und Zivilisten, darunter sieben Frauen und zwölf Kinder, getötet haben sollen. Der Text enthält Screenshots des verbreiteten Videos. Weitere Bilder sind auch in dem am selben Tag veröffentlichten Artikel der britischen Tageszeitung „The Guardian“ zu diesem Thema zu sehen. Der Artikel zeichnet das Durchsickern und die anschließende Analyse und Veröffentlichung der 30 Videos nach, die die beiden Forschenden erhalten haben. Darunter auch das Video, das in sozialen Netzwerken kursiert.

In einem der Videos ist die exakt gleiche Situation zu erkennen: ein Soldat (rot), der einen Mann (blau) zu der Grube führt, in der er hingerichtet werden soll. Hinter ihm sieht man denselben Schutthaufen (pink) und dieselben Betonwände (grün).

Screenshot eines Videos auf Facebook, erstellt am 22. März 2023
Screenshot eines Fotos auf der Seite von „The Guardian“, erstellt am 22. März 2023

Laut dem „Guardian“ hat ein neuer Rekrut einer regierungstreuen syrischen Miliz 2019 einen Computer aus dem Besitz eines Sicherheitsmitarbeiters von Präsident Baschar el-Assad erlangt, auf dem das Video gefunden wurde. Der Mann übergab sie an einen syrischen Oppositionellen in Frankreich und dann an die Autoren der vom „New Lines Magazine“ veröffentlichten Untersuchung zu schicken, berichtet die britische Tageszeitung. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels versicherte die Zeitung, dass der Mann „außerhalb Syriens in Sicherheit“ sei.

Im August 2022 begann die französische Justiz mit der Prüfung von Foto- und Videoaufnahmen dieser Übergriffe, die ihr vom französischen Außenministerium übermittelt worden war. Aus dem Außenministerium hieß es damals,  dass die „Vorwürfe die schwersten internationalen Verbrechen, insbesondere Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen begründen“ könnten.

Zu diesem Zeitpunkt 2022 liefen in der Abteilung für Verbrechen gegen die Menschlichkeit des Pariser Gerichtshofs mehrere Voruntersuchungen und gerichtliche Ermittlungen zu Vorwürfen von Misshandlungen, die dem syrischen Regime oder Rebellengruppen zugeschrieben wurden.

Fazit: Das Video zeigt keine Hinrichtung von türkischen Bauunternehmern nach dem verheerenden Erdbeben in Syrien und der Türkei. Die Aufnahmen stammen aus dem Jahr 2013 und zeigen einen Massenmord an Zivilistinnen und Zivilisten in einem Vorort von Damaskus, der syrischen Streitkräften zugeschrieben wird.

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Politik, Katastrophen

Autor(en): AFP Mexiko / AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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