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DWD: Stadtklimamessungen fließen nicht in Durchschnittstemperatur ein

Auch wenn in der Wissenschaft beim Thema Klimawandel und Erderwärmung sowie bei deren katastrophalen Folgen weitgehende Einigkeit herrscht, halten viele Menschen das Thema nach wie vor für überdramatisiert – oder gar systematisch gefördert. Derzeit kursiert ein Video in den sozialen Medien, dass insbesondere dem Deutschen Wetterdienst (DWD) vorwirft, Wetterstationen zunehmend in Städte zu verlegen, in denen es wärmer ist als auf dem Land. So solle angeblich ein Temperaturanstieg über die Jahre künstlich erzeugt oder verstärkt werden. Dieser Faktencheck überprüft, was an der Behauptung dran ist.

Bewertung

Durch den Aufbau eines Stadtklimamessnetzes gibt es zwar mehr innerstädtische Messstationen als früher. Deren Daten fließen jedoch nicht in die Berechnung des deutschlandweiten Temperaturmittelwertes ein. Dessen Berechnungsverfahren ist zudem so konzipiert, dass der Einfluss von Veränderungen im Messnetz minimiert wird.

Fakten

Auf die Frage, ob es eine Entwicklung hin zu mehr städtischen Wetterstationen gibt, hat Felix Ament vom meteorologischen Institut der Universität Hamburg eine klare Antwort: «Nein, diese Entwicklung gibt es nicht.» Eine solche Entwicklung würde gegen die von der World Meteorological Organization (WMO) aufgestellten Standards guter wissenschaftlicher Praxis oder Regeln verstoßen, so Ament. Der DWD habe kein Interesse daran, seine Wetterstationen in Richtung Städte zu verlagern.

Das Stadtklimamessnetz des DWD

Eine Erklärung, wie die Macher des Videos auf ihre These mit den falschen Schlüssen kommen, gibt es dennoch: Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur teilt DWD-Sprecher Uwe Kirsche mit, dass der DWD seit einigen Jahren ein sogenanntes Stadtklimamessnetz betreibt, «um den städtischen Wärmeinseleffekt genauer beschreiben und quantifizieren zu können.» Diese Stationen seien jedoch nicht Teil des offiziellen DWD-Messnetzes, ihre Daten fließen also «nicht in die Berechnung der Gebietsmittel der Temperaturen der Bundesländer und Deutschland mit ein.» Zudem werde bei Veröffentlichung der in den städtischen Stationen erworbenen Daten explizit darauf hingewiesen, dass sie nicht repräsentativ sind. Beispielsweise die bekannten Rekordwerte werden demnach nicht in Städten, sondern in «freier Lage» erhoben.

Meteorologe Ament von der Uni Hamburg erklärt: «Es gibt dieses eigene Messnetz, weil man aufgrund der Regeln der WMO bisher in Städten umgekehrt blind war. Wenn also jemand den Vorwurf machen würde, wir messen zu wenig in Städten, dann würde ich dem viel eher zustimmen.» Wegen dieses Mangels habe der DWD die städtischen Stationen aufgebaut. «Aber natürlich werden die nicht einfach so mit allen anderen Stationen in einen Topf gerührt und man bildet dann einfach nur stumpf einen Mittelwert», betont Ament. Generell berechne man alle möglichen Gründe für Temperaturunterschiede mit ein, wie beispielsweise Höhenunterschiede.

Teils sei sogar eher das Gegenteil von den im Video getätigten Behauptungen der Fall: Stationen in Innenstädten werden laut DWD in Folge von zunehmender Bebauung immer häufiger ins Umland oder in die Peripherie der Städte verlegt, um aussagekräftigere Ergebnisse zu erhalten. Generell widerspricht Kirsche den Behauptungen im Video eindeutig: «Weder reduziert der DWD systematisch sein Messnetz, noch werden Stationen gezielt an „kalten“ Standorten stillgelegt.»

Das Berechnungsverfahren für den deutschlandweiten Temperaturmittelwert sei so konzipiert, dass der Einfluss von Veränderungen im Messnetz – wie beispielsweise die Anzahl der Klimastationen – minimiert wird, betont der Presseleiter des DWD. Natürlich komme es zu Verschiebungen von Stationen, wenn über Zeiträume von Jahrzehnten Wetterdaten erhoben werden. Die dabei entstehenden Abweichungen werden laut Kirsche «sorgfältig mit wissenschaftlichen Methoden nach internationalen Standards korrigiert.» Für den Zeitraum 1881 bis 2022 ergibt sich ein Temperaturanstieg von 1,7 Grad Celsius.

Wärmeinsel-Effekt in Städten

Wie im Video korrekt dargestellt wird, ist es in dicht bebauten Städten oft wärmer als in ländlichen Gebieten. Man spricht dabei oft vom Wärmeinsel-Effekt, der sich vor allem im Sommer zeigt. Laut dem 6. Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) ist dieser Effekt vor allem der dichten Bauweise, den sich leichter aufheizenden Oberflächen und der zusätzlichen Wärme durch Heizungen, Klimaanlagen, Industrie und Verkehr in der Stadt zuzuschreiben. Diesen Effekt erforscht der DWD durch das Stadtklimamessnetz.

Dass sich Meteorologen diesen Effekt angeblich zunutze machen, um den Klimawandel zu dramatisieren, hält Ament für Unfug: «Was hinter solchen Videos steckt, ist ja immer wieder der Zweifel, ist der Klimawandel denn jetzt real, gibt es den wirklich?». Das sei die Grundhypothese, auf der das Video beruhe. Und diese sei falsch, denn: «Der Klimawandel ist so schlimm wie eh und je. Und selbst, wenn es mal ein kühlerer Sommer war, wird er nicht weniger schlimm.»

(Stand: 5.9.2023)

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Klimawandel, Wissenschaft, Umwelt

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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