EM 2024: Keine Belege, dass „vermummte Albaner“ in Gelsenkirchen Fußball-Fans angriffen

Am Sonntag, 16. Juni, trafen die Fußball-Mannschaften Englands und Serbiens in einem EM-Spiel in Gelsenkirchen aufeinander. Das Spiel war als sogenannte Hochrisiko-Partie eingestuft, da es in beiden Ländern eine ausgeprägte gewaltbereite Hooligan-Szene gibt. Tatsächlich kam es vor dem Spiel zu mehreren Schlägereien in der Innenstadt.

Mehrere Videos von der Auseinandersetzung verbreiteten sich schnell in Sozialen Netzwerken. In einigen der Beiträge auf X und Facebook wurde spekuliert oder behauptet, dass Albaner serbische Fans angegriffen hätten. Unter anderem der Chef des Onlinemediums Nius, Julian Reichelt, verbreitete die Behauptung auf X – relativierte jedoch wenige Minuten später in einem Kommentar, dass „möglicherweise“ doch keine Albaner involviert seien. Auch andere Accounts korrigierten sich.

Für die Behauptung, dass Albaner vor dem Spiel England gegen Serbien in Gelsenkirchen am 16. Juni Fans angegriffen hätten, finden sich keine Belege (Quelle: X; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Polizei Gelsenkirchen spricht von Auseinandersetzung zwischen serbischen und englischen Fußballfans 

Ein Vergleich mit Bildern von Google Streetview zeigt, dass die Videos in den Beiträgen ein Restaurant in der Arminstraße in Gelsenkirchen zeigen. Dort fanden laut der Polizei Gelsenkirchen die Auseinandersetzungen statt.

Für Behauptungen, dass Albaner die serbischen Fans angegriffen hätten, finden sich in der Pressemitteilung der Polizei Gelsenkirchen vom Tag des Vorfalls keine Belege: Sie schreibt von einer „Auseinandersetzung zwischen serbischen und englischen Fußballfans“ gegen 15.45 Uhr im Bereich der Arminstraße. „Eingesetzte Kräfte der Bereitschaftspolizei […] nahmen sieben serbische Anhänger in Gewahrsam und fertigten eine Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung.“ Laut einem Bericht des WDR gab die Polizei später in einer Pressekonferenz am 19. Juni an, dass bisher insgesamt elf Personen Straftaten zugeordnet werden konnten.

Eine Sprecherin der Polizei Gelsenkirchen, Ramona Hörst, erklärte auf Nachfrage von CORRECTIV.Faktencheck am 25. Juni, dass es bisher keine Hinweise darauf gebe, dass auch albanische Fans involviert waren. Die Ermittlungen dauerten noch an.

Zu den Auseinandersetzungen gab es mehrere Medienberichte, unter anderem von der Tagesschau, der Frankfurter Rundschau, der Rheinischen Post und dem Tagesspiegel. Laut dem Bericht des WDR hatten gewaltbereite Engländer den Streit angefangen. Auch ausländische Medien berichteten. In keinem der Texte ist die Rede von Albanern. In einem Bericht des britischen Guardian heißt es jedoch: „Einige Zeugen hatten behauptet, dass albanische Fans die Anstifter waren, aber die Gelsenkirchener Polizei stellte später klar, dass die Beteiligten Engländer und Serben waren.“

Es gab in der Vergangenheit Auseinandersetzungen zwischen serbischen und albanischen Hooligans

Noch Tage nachdem sich die Behauptung als falsch herausgestellt hatte, verbreiteten X-Beiträge unbelegte Gerüchte, dass Albaner eine Rolle bei den Ausschreitungen gespielt hätten. Darunter auch ein X-Profil, das zu einer russischen Desinformations-Kampagne gehört.

Der Fall ist auch politisch relevant: Bei den Auseinandersetzungen in Gelsenkirchen soll laut Medienberichten auch der Sohn des serbischen Autokraten Danilo Vučić dabeigewesen sein. Serbiens Hooligans sind für ihre Gewalttätigkeit berüchtigt – einige Mitglieder der Szene sollen enge Verbindungen zu rechtsextremen Gruppierungen und der serbischen Regierung haben, die als politischer Alliierter Russlands gilt.

Zwischen serbischen und albanischen Hooligans kam es in der Vergangenheit zu Ausschreitungen. Der Kosovo, in dem eine albanische Bevölkerungsmehrheit lebt, hat sich 2008 für unabhängig von Serbien erklärt. Serbien erkennt das bis heute nicht an. Immer wieder kommt es zu Streit zwischen den beiden Ländern und teils gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der albanischen und serbischen Bevölkerung im Kosovo.

Alle Faktenchecks zur Fußball-EM 2024 finden Sie hier.

Redigatur: Matthias Bau, Sarah Thust

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Gesellschaft, Sport, EU

Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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