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Erwähnte Studien behandeln keine vegane Ernährung

Das Interesse und Angebot an Alternativen zu Fleisch- und Milchprodukten steigt. Mitunter herrscht jedoch Unsicherheit, ob sie einen Beitrag zu gesunder Ernährung leisten. «Schock-Studien: Vegane Ernährung „ungesund bis tödlich“», heißt es etwa in einem Blogbeitrag. Was sich gefährlich anhört, ist tatsächlich eine irreführende Interpretation.

Bewertung

Die Studien beschäftigen sich nicht mit veganer Ernährung, sondern analysieren Gesundheitsrisiken von stark verarbeiteten Lebensmitteln wie etwa Fertiggerichten insgesamt.

Fakten

Der kursierende Blogbeitrag verweist als Anlass seines Berichts auf einen Auftritt des Ernährungsmediziner Matthias Riedl am 19. März in der Sendung «Stern TV» auf RTL. Dort sprach Riedl aber nicht über vegane Ernährung im Allgemeinen, sondern über vegane Ersatzprodukte – also etwa auf Basis von Pflanzeneiweiß hergestellten Fleisch- oder Wurstersatz.

Diese Unterscheidung wird in dem Blogbeitrag nicht explizit beschrieben. Erst am Ende des zweiten Absatzes findet sich der Verweis auf Ersatzprodukte in einem Zitat von Riedl. Im Verlauf werden Aussagen über Ersatzprodukte immer wieder mit den Begriffen «vegane Lebensmittel» oder «Veganismus» vermischt. Nicht die vegane Ernährung nannte Riedl «ungesund bis tödlich», sondern er sagte: «Dieser Hype nach Ersatzprodukten ist ungesund bis tödlich.»

Riedl stützt seine These, dass zu viele vegane Ersatzprodukte ungesund seien, nicht auf explizite Erkenntnisse über vegane Ersatzprodukte – sondern auf die Erkenntnis, dass ein hoher Konsum von hochverarbeiteten Lebensmitteln insgesamt nicht als gesund gilt. Das trifft also gleichermaßen auf verarbeitete Produkte mit wie ohne Fleisch zu.

Hinzu kommt: Die in der Überschrift des Blogbeitrags erwähnten Studien belegen keine Auswirkungen von veganer Ernährung oder explizit veganen Ersatzprodukten. Sie beschäftigen sich noch nicht einmal mit veganer Ernährung, sondern mit stark verarbeiteten Lebensmitteln insgesamt. «Studien belegen Risiken der veganen Ernährung», wie es im Verlauf des Blogbeitrags heißt, ist also eine falsche Interpretation.

In der einen Studie aus dem Jahr 2021, die sich auf die sogenannte Framingham-Offspring-Kohorte bezieht, wurde untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und dem Genuss hochverarbeiteter Lebensmittel gibt – etwa Hamburger, Frittiertes, Limonade, Backwaren oder Schokoriegel. Fleischersatzprodukte werden nicht gesondert aufgezählt in der Liste jener hochverarbeiteten Lebensmittel, welche die Probanden aßen.

Insgesamt berechneten die Forscher, dass ein höherer Konsum von hochverarbeiteten Lebensmittel das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigen lässt. Sie schreiben aber auch, dass ein ursächlicher Zusammenhang nicht belegt ist, weil weitere Effekte des persönlichen Lebensstils nicht ausgeschlossen werden konnten.

In der zweiten Studie aus dem Jahr 2021 geht es um hochverarbeitetes Essen und das Risiko, an der chronischen Darmerkrankung Morbus Crohn zu erkranken. Hier verbanden die Forscher einen höheren Konsum verarbeiteter Lebensmittel mit einem erhöhten Risiko für Morbus Crohn. Es wurden nicht allein vegane Lebensmitteln untersucht, sondern jegliche Art von stark verarbeitetem Essen. In einer Untergruppe werden «Produkte mit Fleisch und Fleischersatz» aufgezählt, solche Ersatzprodukte waren hier also mit eingeschlossen. Diese Gruppe gehörte zu der Gruppe hochverarbeiteter Lebensmittel, die in der Analyse weniger stark als andere mit einem Morbus-Crohn-Risiko verbunden wurden.

Ob die persönliche Einschätzung des Ernährungsmediziners, dass der «Hype» um vegane Ersatzprodukte «ungesund bis tödlich» sei, zutrifft, ist umstritten. Nach Riedls Auftritt gab es Kritik anderer Ernährungsexperten an seinen Thesen, die «Stern TV» in einem Artikel abbildete. Sie bezeichneten seine Thesen etwa als zu pauschal und «Panikmache».

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rät: «Eine Ernährung nach den Empfehlungen der DGE ist eine pflanzenbasierte Ernährung.» Damit sei keine vegane Ernährung gemeint, aber eine mit einem «überwiegenden Anteil aus pflanzlichen Lebensmitteln, wie Gemüse und Obst, Vollkorngetreide und Hülsenfrüchten sowie Nüssen und pflanzlichen Ölen. Diese Auswahl wird durch eine geringe Menge an Lebensmitteln tierischer Herkunft ergänzt», schreibt die DGE.

Bei veganen Ersatzprodukten kommt die DGE zu einem gemischten Urteil. «Vor allem energie-, fett- und salz- oder zuckerreiche, stark verarbeitete Lebensmittel auf pflanzlicher Basis sind aus gesundheitlicher Sicht nicht empfehlenswerter als die tierischen Produkte, welche sie imitieren. Beide Varianten sollten sparsam und bewusst eingesetzt werden», schreibt sie. Vegane Fertig- und Ersatzprodukte könnten aber auch einen Beitrag zur Nährstoffversorgung leisten, wenn ihnen Vitamine und Mineralstoffe zugesetzt seien.

(Stand: 4.4.23)

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Wissenschaft, Verbraucher, Gesundheit

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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