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Gefälschter Alpenvereins-Brief über Gipfel-Halbmonde erneut im Umlauf

Schon im Jahr 2006 sorgte ein gefälschter Brief des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) für Aufruhr, der nun erneut kursiert. Darin soll der ÖAV der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreichs (IGGÖ) als Kompromiss angeboten haben, auf einem Berggipfel einen Halbmond anstelle eines Gipfelkreuzes anzubringen. Das Schreiben ist nicht echt, der ÖAV dementierte die Echtheit erneut.

Das angebliche Schreiben des Alpenvereins kursierte im März 2023 erneut auf Facebook und Twitter.

Die Behauptung: Angeblich schlägt der Alpenverein der Islamischen Glaubensgemeinschaft in einem Schreiben vom 12. März 2023 die „Etablierung einer islamischen Sparte“ in der Organisation sowie „die Anbringung eines Halbmondes an einem Berggipfel der gemeinsamen Wahl“ vor.

Screenshot der Behauptung auf Facebook: 31. März 2023

Alpenverein dementiert

Der Alpenverein ist der größte Bergsteigerverein Österreichs. Am 28. März 2023 veröffentlichte der ÖAV auf seiner Website ein Statement, in dem er das Schreiben als eine Fälschung bezeichnete: „Aktuell ist ein gefälschter Brief in Umlauf, in dem der Österreichische Alpenverein angeblich die ‚Etablierung einer islamischen Sparte‘ im Alpenverein sowie ‚die Anbringung eines Halbmondes an einem Berggipfel ‚ vorschlägt. Bei dem Brief handelt es sich um eine Fälschung. “ Das Dokument werde laut ÖAV aktuell über WhatsApp verbreitete und sei bereits 2006 als Fälschung enttarnt worden.

Dementi vom 28. März 2023 auf der ÖAV-Website, Screenshot vom 31. März 2023

Das angebliche Schreiben weist außerdem Ungereimtheiten auf, die auf eine Fälschung hindeuten. Andreas Ermacora, der im Brief als Verfasser und Vizepräsident des Alpenvereins auftritt, ist mittlerweile Präsident des Vereins, Vizepräsident ist heute Gerald Dunkel-Schwarzenberger. Der Alpenverein hat seinen Vereinssitz außerdem in der Zwischenzeit in die Innsbrucker Olympiastraße verlegt. Die im Brief angegebenen Adresse habe seit 2008 keine Verbindung zum Alpenverein, wie ÖAV-Sprecher Peter Neuner-Knabl am 31. März 2023 gegenüber AFP bestätigte.

Auch Omar Al-Rawi, der im Brief als Abgeordneter zum Wiener Landtag und Integrationsbeauftragter der Islamischen Glaubensgemeinschaft beschrieben ist, bekleidet heute andere Funktionen. Der SPÖ-Politiker ist zwar weiterhin Landtagsabgeordneter in Wien, war aber nur bis 2011 Integrationsbeauftragter der Islamischen Glaubensgemeinschaft.

Das angebliche Schreiben erwähnt zudem, dass man den Kompromiss „möglichst ohne große Öffentlichkeit“ schließen wolle, da dies gerade vor Wahlen zu einem Aufschaukeln von Emotionen führen würde. Die nächste Nationalratswahl in Österreich findet voraussichtlich erst 2024 statt. In Tirol, wo der ÖAV seinen Vereinssitz hat, wurde 2022 gewählt, in Wien stehen die nächsten Wahlen 2025 an,

Die Schriftgröße des Datums des angeblichen aktuellen Briefs vom 12. März 2023 ist außerdem größer als die des restlichen Textes. Das liegt daran, dass der Brief eine lange Vorgeschichte hat und bereits vor 17 Jahren kursierte, damals datiert auf den 20. März 2006. Schon in der älteren Version hatte sich ins Datum allerdings ein Fehler eingeschlichen: Dort hieß es „006“ statt „2006“.

Fälschung mit langer Historie

Schon im Jahr 2006 löste das vermeintliche Schreiben eine Kontroverse aus. Der damalige BZÖ-Chef Peter Westenthaler präsentierte die Fälschung in einer ORF-TV-Konfrontation vor der Nationalratswahl 2006 dem damaligen SPÖ-Vorsitzenden Alfred Gusenbauer.

Ermacora bestritt schon damals, das Schreiben verfasst zu haben. Das BZÖ beharrte allerdings auf der Echtheit des Briefs, eine gerichtliche Auseinandersetzung folgte. Der Alpenverein gewann, Westenthaler musste die Vorwürfe widerrufen.

Hinter der Aktion steckte der Politikberater Gerd Millmann, der bereits mehrfach für ähnliche Mediencoups sorgte. Gemeinsam mit einer Aktivistengruppe habe man unter dem Motto „how low can you go“ testen wollen, „wie weit populistische Politiker gehen“.

Halbmonde, die Kreuze an Berggipfeln ersetzen sollen, erregen seither immer wieder die Gemüter, die Erzählung von der angeblich schleichenden Islamisierung Europas lebt in der islamophoben Szene weiter. Eine Kunstaktion in der Schweiz, bei der ein Halbmond in den Appenzeller Alpen aufgestellt wurde, sorgte 2016 für Empörung.

Fazit: Ein Schreiben, in dem sich der Österreichische Alpenverein angeblich mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreichs auf die Aufstellung eines Halbmondes anstelle eines Gipfelkreuzes einigt, ist eine Fälschung. Der ÖAV dementierte die Echtheit des Schreibens. Die sogenannte Halbmondaffäre sorgte bereits während des Nationalratswahlkampfes 2006 für Aufsehen, als der damalige BZÖ-Chef Peter Westenthaler auf die Fälschung hereinfiel. Eine Aktivistengruppe bekannte sich damals zu der Aktion.

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Politik, Gesellschaft

Autor(en): Eva WACKENREUTHER / AFP Österreich

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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