Bewertung
Das Selbstbestimmungsgesetz betrifft den Geschlechtseintrag von Menschen. Es ist nicht möglich, sich rechtlich als Tier zu «identifizieren». Der Fall mit den Katzentoiletten ereignete sich anders als dargestellt 2023 in Großbritannien, nicht in Deutschland. Der angebliche Fall mit einem Reh ist nicht auffindbar.
Fakten
Das Selbstbestimmungsgesetz ist im November 2024 in Kraft getreten und erleichtert seitdem trans- und intergeschlechtlichen sowie nichtbinären Menschen das Ändern ihres Geschlechtseintrags und ihrer Vornamen. Während früher ein Gericht über solche Änderungen entschied, genügt nun eine einfache Erklärung beim Standesamt. Eine geplante Änderung muss drei Monate im Voraus angemeldet werden.
Besondere Regeln gelten für Minderjährige: Minderjährige unter 14 Jahren dürfen den Antrag nicht selbst stellen. Auf Wunsch des Kindes können das die Eltern oder andere Sorgeberechtigte übernehmen. Minderjährige, die älter als 14 sind, dürfen den Antrag selbst stellen. Allerdings brauchen sie ein Einverständnis der Eltern oder Sorgeberechtigten.
Änderungen im Sinne des Selbstbestimmungsgesetz drehen sich also um den Geschlechtseintrag von Menschen. Der auf Social Media beschriebene Fall, dass sich Menschen, insbesondere Kinder, als Tiere identifizieren und dass dies mithilfe des Selbstbestimmungsgesetzes geschieht, ist nicht möglich.
Katzen-Fall alt und nicht aus Deutschland
Auch die im Video beschriebenen angeblichen Fälle von Schülern, die sich als Katzen oder als Reh identifizieren, haben nichts mit dem deutschen Selbstbestimmungsgesetz zu tun. Der eine Fall ist mehrere Jahre alt und aus Großbritannien. Die Existenz des angeblichen zweiten Falls lässt sich nicht verifizieren.
Bereits im Jahr 2023 berichtete eine britische Schulleiterin über Schüler, die mit Kostüm-Katzenohren oder Katzenschwänzen in die Schule kämen und sich als Katzen «identifizieren». Es ist allerdings unklar, wie häufig das vorgekommen ist und was genau die Folgen dessen war.
Auch 2023 gab es einen Medienbericht über eine Schule in Wales, die sich in einem Schreiben an Eltern gewandt hatte: Darin stellt die Schule klar, dass es sich um eine Falschnachricht handele, dass an der Schule Katzentoiletten bereitgestellt würden für Schüler, die sich als Katzen identifizieren. Es ist unklar, ob die Schule die Katzentoiletten aktiv verweigerte – oder es bereits ein Gerücht war, dass es überhaupt Anfragen nach einer Katzentoilette gegeben habe. Auch in den USA kursierte die Falschmeldung, Schulen würden Katzentoiletten für Schüler bereitstellen.
Subkultur Furry Fandom
In den Berichten fällt immer wieder der Begriff der «Furries». Menschen, die in ihrer Freizeit Tierkostüme tragen und oft dabei einen bestimmten Charakter verkörpern, werden Furries genannt. Die äußerliche Verwandlung in einen Charakter aus der Tierwelt ist ihr Hobby. Etwa 100.000 Menschen gehören Schätzungen zufolge der Subkultur Furry Fandom in Deutschland an – Tendenz steigend. Furry ist das englische Wort für pelzig oder flauschig, Fandom heißt Fangemeinde.
Das Hobby ist vor ein paar Jahren aus den USA nach Deutschland geschwappt und hat auch in Großbritannien oder Japan viele Anhänger. Da das Geschlecht bei der Wahl des Charakters egal ist, sind auch Menschen aus der Queer-Community Teil der Szene. Die Subkultur hängt aber nicht zwingend mit der Debatte um Geschlechtseinträge zusammen.
Kein Fall einer Identifizierung als Reh bekannt
Die Echtheit des zweiten erwähnten angeblichen Falls lässt sich dagegen nicht bestätigen. Im Video sagt die AfD-Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst: «In meinem Wahlkreis gibt es schon ein Kind an einer Schule, die mir bekannt ist, das sich als Reh identifiziert.» Auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur, an welcher Schule sich der Fall zugetragen haben soll, antwortete Höchst nicht.
Höchsts Wahlkreis Kreuznach liegt in Rheinland-Pfalz und umfasst die Landkreise Bad Kreuznach und Birkenfeld. Es finden sich keine Medienberichte über einen solchen angeblichen Fall. Auch die dpa-Korrespondenten vor Ort haben keine Kenntnis davon.
Die Behörden vor Ort teilten auf dpa-Nachfrage ebenfalls mit, dass sie nichts davon gehört hätten, dass sich ein Kind als Reh identifiziert habe. Weder in der Schulabteilung der Kreisverwaltung Bad Kreuznach noch in deren Jugendamt sei ein Fall eines Kindes bekannt ist, das sich als Reh identifiziert haben soll, teilte eine Sprecherin des Kreises Bad Kreuznach mit.
Eine Sprecherin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier, die Schulaufsicht für den Landkreis Birkenfeld, teilte mit, dass bei den zuständigen Schulreferentinnen und -referenten quer durch die Schularten ebenfalls niemand Kenntnis von einem solchen Fall haben. Die Kreisverwaltung Birkenfeld, teilte mit, dass über einen solchen angeblichen Fall «nichts bekannt» sei.
(Stand: 13.5.2025)