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Grafik missachtet Unsicherheiten bei Vergleich der Übersterblichkeit einzelner Länder

Seit Beginn der Corona-Pandemie hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf ihrer Homepage viele Daten zu Covid-19 gesammelt. Unter dem Logo der Organisation wird nun in sozialen Netzwerken in Balkendiagramm verbreitet, das die kumulative Übersterblichkeit («Comulate Excess Deaths Percent») von 2020 bis 2022 in mehreren Ländern zeigen soll. Dazu heißt es, Schweden komme hier im internationalen Vergleich auf den niedrigsten Wert, obwohl es dort weder Schulschließungen noch Lockdowns gegeben hätte. Woher stammt das Diagramm und wie sind die Informationen zu bewerten?

Bewertung

Das Diagramm stammt nicht von der Seite der OECD. Die Organisation weist darauf hin, dass es viele Faktoren gibt, die einen Ländervergleich der Übersterblichkeit erschweren. Eine seriöse Aussage über den Einfluss von Corona-Maßnahmen lässt sich nicht treffen.

Fakten

Schweden hat zwar bei den Maßnahmen gegen die Verbreitung von Sars-CoV-2 stärker auf Freiwilligkeit gesetzt als andere Länder. Es gab aber auch dort gesetzliche Vorschriften: So fand während der ersten Coronawelle 2020 für Schülerinnen und Schüler ab der zehnten Klasse kein Präsenzunterricht statt. Geschäfte und Restaurants durften geöffnet bleiben, verschiedene kulturelle Veranstaltungen wurden jedoch abgesagt.

Übersterblichkeit schwer vergleichbar

Das im Sharepic verbreitete Balkendiagramm stammt nicht von der OECD, sondern wurde aus einer auf mehrerenBlogs verbreiteten Grafik und dem Logo der OECD-Datensammlung zusammenmontiert.

Auf der OECD-Seite finden sich auch Zahlen zur Übersterblichkeit in vielen Ländern, auf deren Grundlage das Balkendiagramm entstanden sein soll. Aber sie sind nicht kumuliert, wie die Daten in der anderswo erstellten Grafik. Mit welcher Methode kumuliert wurde, geht aus der verbreiteten Grafik nicht hervor – das kann aber das Ergebnis beeinflussen.

Die OECD mahnt zudem auf ihrem Datenblatt zur Vorsicht bei länderübergreifenden Vergleichen. So können die zugrundeliegenden Vergleichsdaten der Jahren 2015 bis 2019 von Land zu Land stark abweichen. Denn Ereignisse wie schwere Grippesaisons, Hitzewellen oder Naturkatastrophen können die Zahl der Todesfälle in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich beeinflusst haben. Durch den Vergleich mit derartigen Durchschnittswerten könne das Ausmaß der Übersterblichkeit entweder unter- oder überschätzt werden (Download Methodische Anmerkungen).

Diese Abweichungen würden in seriösen Ländervergleichen in Form von Unsicherheitsintervallen wiedergegeben, erklärt Jonas Schöley vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Diese Intervalle fehlen in den Blogbeiträgen jedoch.

Die Vergleiche würden auch umso unzuverlässiger, je ähnlicher sich zwei Länder in Hinsicht auf die Übersterblichkeit sind und je geringer die Bevölkerungszahl in den Ländern ist, führt Schöley aus.

Übersterblichkeit und Corona-Maßnahmen

Die Frage, wie stark die Corona-Maßnahmen die Übersterblichkeit beeinflusst haben, kann also das Balkendiagramm nicht beantworten. Denn neben der jeweiligen Pandemiepolitik wirken sich viele weitere Faktoren auf die Übersterblichkeit aus.

Die Wirksamkeit von Masken und Impfungen wurde in zahlreichen Studien bestätigt. Die Impfquote in Schweden liegt nur knapp unter der in Deutschland.

(Stand: 2.12.2022)

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Wissenschaft, Corona, Gesundheit

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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