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Grafik verwechselt Verfassungsschutz mit Verfassungsrichtern

Anfang Mai hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz die Alternative für Deutschland (AfD) eigentlich zur «gesichert rechtsextremistischen Bestrebung» hochgestuft. Dagegen setzte sich die Partei aber mit einem Eilantrag zur Wehr. Bis zu einer Entscheidung des zuständigen Verwaltungsgerichts Köln legt der Inlandsgeheimdienst die neue Einstufung auf Eis und führt die AfD erst einmal weiter als sogenannten Verdachtsfall.

Bei der Partei und ihren Anhängerinnen und Anhängern löst die Hochstufung Unmut aus. Online kursiert ein Sharepic mit der Aufschrift «Unser Verfassungsschutz ist unabhängig und frei» zusammen mit einem lachenden Emoji. Darunter sind Fotos und Namen von Personen neben Parteilogos zu sehen. Das Sharepic legt nahe, dass darauf Personen des Verfassungsschutzes zu sehen seien, die bestimmten Parteien angehören – entsprechend kommentiert beispielsweise ein Nutzer: «Soviel zur Neutralität des Verfassungsschutzes. Eine Frechheit sondergleichen!» Zeigt die Grafik wirklich Mitglieder des Verfassungsschutzes?

Bewertung

Die Grafik ist irreführend: Die Fotos zeigen Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) – keine Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV).

Fakten

Über die angegebenen Namen lässt sich schnell herausfinden: Bei den abgebildeten Personen handelt es sich um die Richterinnen und Richter des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Auf den Fotos tragen sie die für das Verfassungsgericht typische Amtstracht – die roten Richterroben.

Das Sharepic verwechselt zwei Einrichtungen miteinander: Beim Bundesamt für Verfassungsschutz handelt es sich um den deutschen Inlandgeheimdienst. Die Behörde hat die Aufgabe, Informationen über politische Bestrebungen, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten, zu sammeln und auszuwerten.

Das Bundesverfassungsgericht ist hingegen ein Gericht und eines der fünf obersten Staatsorgane. Es ist für die Einhaltung des Grundgesetzes zuständig und wird auch als «Hüter der Verfassung» bezeichnet. Es besteht aus zwei Senaten mit jeweils acht Mitgliedern.

Zwei-Drittel-Mehrheit macht Zusammenarbeit der Parteien erforderlich

Die 16 Richterinnen und Richter werden jeweils zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt. Das ist entsprechend im Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) geregelt. Für die Wahl wird jeweils eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigt. Das macht angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und Bundesrat eine Zusammenarbeit unter den Parteien erforderlich und soll breiten Rückhalt für die gewählten Richterinnen und Richter gewährleisten.

Allerdings gibt es immer wieder Kritik über fehlende Transparenz des Wahlverfahrens. Im Bundestag erfolgt die Wahl mit verdeckten Stimmzetteln und ohne Aussprache auf vorherigen Vorschlag eines nach Parteienproporz eingerichteten Wahlausschusses. Die Mitglieder dieses Ausschusses sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Aus den online einsehbaren Vorschlägen des Ausschusses, beispielsweise hier, hier und hier, geht nicht hervor, welche Partei die zur Wahl empfohlene Person zuvor vorgeschlagen hatte.

Medien berichteten in der Vergangenheit jedoch über Vereinbarungen auf bestimmte Vorschlagsrechte zwischen den Parteien, die zusammen auf die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit kommen. So sei etwa Doris König, aktuelle Vizepräsidentin des BVerfG, 2014 auf vorherigen Vorschlag der SPD zur Verfassungsrichterin gewählt worden, wie mehrere Medien schrieben (hier und hier).

Die Parteilogos neben den Fotos auf der Grafik sollen also offenbar anzeigen, auf welche Partei der Vorschlag zur Wahl der jeweiligen Person zurückgeht. Anders als dargestellt, ging die Wahl von Holger Wöckel Berichten zufolge auf einen Vorschlag der unionsgeführten Länder im Bundesrat zurück, nicht auf die SPD. Thomas Offenloch sei zudem von der FDP – nicht CDU – vorgeschlagen worden.

Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

Mit einer Parteimitgliedschaft der Personen sind die Zuordnungen nicht gleichzusetzen. Ob und welche Mitglieder des Zweiten Senats einer Partei angehören, dazu wollte sich das Bundesverfassungsgericht auf dpa-Anfrage nicht äußern. Ein Sprecher verwies in dem Zusammenhang auf die Privatsphäre der Richterinnen und Richter.

Die genauen Voraussetzungen, die eine Person für die Wahl zum Verfassungsrichter erfüllen muss, sind im BVerfGG gesetzlich geregelt. In den «Verhaltensleitlinien für Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts» heißt es: «Die Mitglieder des Gerichts üben ihr Amt in Unabhängigkeit und Unparteilichkeit aus, ohne Voreingenommenheit im Hinblick auf persönliche, gesellschaftliche oder politische Interessen oder Beziehungen.» Eine Zugehörigkeit zu bestimmten politischen, religiösen oder gesellschaftlichen Gruppen sei «bei angemessener Zurückhaltung» aber nicht ausgeschlossen.

Dass Richterinnen und Richter einer Partei als Mitglied angehören, ist also durchaus möglich. Tatsächlich gibt es Verfassungsrichter mit einer öffentlich bekannten parteipolitischen Vergangenheit. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, saß vor seiner Tätigkeit am Gericht beispielsweise für die CDU im Bundestag.

(Stand: 22.5.2025)

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Politik

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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