Zudem wird in dem Text behauptet, dass nur 1,4 Prozent der deutschen CO2-Emissionen durch das neue Gebäudeenergiegesetz eingespart werden würden. Gemessen an den weltweiten Emissionen wäre das ein «nicht mehr messbarer Anteil von 0,0000004 Prozent».
Bewertung
Die Ergebnisse der Eiskernbohrungen sind zwar richtig. Sie stehen dem menschengemachten Klimawandel aber nicht entgegen. Es ist wissenschaftlich gesichert und gut belegt, dass die Erderwärmung von Aktivitäten des Menschen verursacht wird. Auch die Zahlen zum Gebäudeenergiegesetz sind irreführend.
Fakten
Der Leserbrief bezieht sich auf das Forschungsprojekt NorthGRIP, an dem der dänische Wissenschaftler Jørgen Peder Steffensen vom Niels-Bohr-Institut der Universität Kopenhagen mitgearbeitet hat. In diesem Projekts wurden Eiskernbohrungen in Grönland durchgeführt, um die Klimageschichte des Eises zu erforschen.
Forschungsergebnisse widerlegen menschengemachten Klimawandel nicht
Zwar haben die Forschungen in Grönland wirklich ergeben, dass es vor 2000 bis 4000 Jahren zeitweise etwa 2,5 bis 6 Grad wärmer war als heute, und auch, dass das Jahr 1875 das kälteste Jahr der letzten 10 000 Jahre war. Das beweist aber nicht, dass die aktuelle weltweite Erderwärmung ausschließlich Teil einer natürlichen Entwicklung ist. Tatsächlich gab es in der Vergangenheit immer wieder Phasen mit höheren Temperaturen.
In einer Zusammenfassung des sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarats IPCC aus dem Jahr 2021 werden in Grafiken (S.5) die Klimaveränderungen der vergangenen Jahrzehnte anhand der globalen Oberflächentemperatur simuliert. Für die Jahre 1 bis 1850 wurden die Änderungen der globalen Oberflächentemperatur rekonstruiert und seit 1850 beobachtet.
Wechsel der Phasen erstrecken sich über längere Zeiträume
Dabei zeigt sich erstens (Abbildung b), dass sich die aktuell beobachtete Erwärmung nur dann abbilden lässt, wenn man zusätzlich zu den natürlichen auch die menschlichen Faktoren hinzurechnet. Würde man nur die natürlichen Faktoren hernehmen, hätte sich die Temperatur in den letzten 170 Jahren kaum erhöhen dürfen bzw. teilweise sogar verringern müssen.
Aus Abbildung a geht hervor, dass es in der Vergangenheit tatsächlich Phasen mit höheren Temperaturen gegeben hat. In der Erwärmungsphase des letzten Jahrhunderts stieg die Temperatur demnach auf ein ähnliches Niveau wie vor etwa 6500 Jahren während der aktuellen Warmzeit (Holozän). Das war der wärmste mehrere Jahrhunderte lange Zeitraum in den letzten 100 000 Jahren. Auch in der Warmzeit vor etwa 125 000 Jahren hat es demnach Zeiträume mit höheren Temperaturen gegeben.
Gegen die aktuelle Klimakrise sprechen diese Wärmephasen aber nicht. Die Wechsel der Phasen erstrecken sich über viel längere Zeiträume, als es heute der Fall ist. So hat sich das Klima laut IPCC aktuell in nur wenigen Jahrzehnten in einem Maße erwärmt, wie es seit mindestens 2000 Jahren nicht mehr der Fall war. Zu diesem Ergebnis kommt auch ein dpa-Faktencheck, der sich ebenfalls mit den Ergebnissen von Eiskernbohrungen in Grönland beschäftigt hat.
Steffensen reagiert auf Interpretationen seiner Aussagen
Frank Wilhelms vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung hat ebenfalls am NorthGRIP-Forschungsprojekt mitgearbeitet. Er betont auf dpa-Anfrage die Wichtigkeit des Projekts, um Klimaentwicklungen über einen langen Zeitraum nachvollziehen zu können. Auch die Ergebnisse der Untersuchungen bestätigt er.
Dass die Ergebnisse der Forschungen von Jørgen Peder Steffensen den menschengemachten Klimawandel in Frage stellen würden, schließt er aus. «Er bezieht sich dabei auf meteorologische Messdaten und ob man mit der Beobachtung Kausalitäten nachweisen kann. Klarerweise sind die von ihm dargestellten Beobachtungen verträglich mit einem menschengemachten Klimawandel», so Wilhelms.
Ein Ausschnitt aus einer Dokumentation, in der Steffensen sich zu den Ergebnissen seiner Forschung äußert, wird seit längerer Zeit als vermeintlicher wissenschaftlicher Beweis gegen den menschengemachten Klimawandel verbreitet. Gegenüber den Faktenprüfern von AFP erklärte Steffensen zwar, er stehe hinter seinen Aussagen, doch er sei mit deren Interpretation, die der mehr als 20 Jahre alte Film macht, nicht einverstanden.
Zahlen zum Gebäudeenergiegesetz führen in die Irre
Zum Ende des Leserbriefs widmet sich der Autor der Änderung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Das sogenannte Heizungsgesetz wurde im September 2023 durch den Bundestag beschlossen. Er behauptet, das Bundeswirtschaftsministerium habe auf Anfrage der AfD-Fraktion zugegeben, dass das Gesetz erst ab 2030 eine CO2-Einsparung von lediglich 1,4 Prozent erreichen würde. Gemessen an den weltweiten Emissionen sei dies nur ein «nicht messbarer» Anteil von 0,0000004 Prozent.
Woher die Zahl der 1,4 Prozent stammt, ist unklar. Eine angebliche Antwort auf eine Anfrage der AfD-Fraktion lässt sich nicht finden. Wie viel CO2 die Änderung des GEG letztlich einsparen wird, ist umstritten. Die Bundesregierung hatte auf Basis einer Berechnung des Öko-Instituts mit drei Szenarien gerechnet. Für den günstigsten Fall wird eine Einsparung von knapp 40 Millionen Tonnen CO2 bis 2030 angegeben. Vertreter der Heizungsindustrie zweifeln diese Berechnungen an und rechnen mit einer geringeren Einsparung. 40 Millionen Tonnen würden eine Einsparung von rund 6 Prozent bedeuten, denn 2022 lagen die CO2-Emissionen in Deutschland laut Umweltbundesamt bei 666 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid.
Gemessen an den weltweit durch den Menschen verursachten 37 Milliarden Tonnen CO2 ergibt das einen deutschen Anteil von 1,8 Prozent. Das ist nicht so gering, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag, stellt auch Marie-Luise Beck vom Klima-Konsortium auf dpa-Anfrage klar: «In unserem Land lebt gerade einmal 1 Prozent der Weltbevölkerung.» Europaweit verursacht Deutschland am meisten Treibhausgas-Emissionen und beim CO2 belegte Deutschland 2021 trotz gering erscheinender 1,8 Prozent im weltweiten Vergleich Platz 7.
Kosten für Gebäudeenergiegesetz werden niedriger geschätzt
Weiter behauptet der Leserbrief, die deutsche Bevölkerung müsse für das Gesetz angeblich 300 Milliarden Euro aufbringen. Auch hier ist unklar, woher diese Zahl stammt. Die Bundesregierung nennt eine Belastung von 9,17 Milliarden Euro jährlich bis zum Jahr 2028, danach wären es noch je etwa fünf Milliarden Euro.
Dem würden demnach aber Einsparungen in Höhe von rund 11 Milliarden Euro über die Betriebszeit von 18 Jahren gegenüberstehen, da Öl und Erdgas in den kommenden Jahren deutlich teurer werden sollen, so das Ministerium. Die Zahlen beruhen auf wissenschaftlichen Begleitgutachten.
(Stand: 2.11.2023)