Bewertung
Die Jugendgesundheitsuntersuchung J1 wird bei Ärztinnen und Ärzten durchgeführt, nicht in der Schule. Hier werden die Jugendlichen lediglich beraten, Impfungen aufzufrischen oder nachzuholen. Die Durchführung ist freiwillig. In Bayern wird unabhängig davon in den 6. Jahrgangsstufen eine Impfberatung und Erhebung der Impfquoten durchgeführt.
Fakten
Für das Kindes- und Jugendalter stehen den Versicherten hierzulande von Gesetzes wegen verschiedene Vorsorgeuntersuchungen zu, deren Kosten die Krankenkassen übernehmen. Die Inhalte und zeitlichen Abläufe legt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in einer Richtlinie (Downloadlink) fest. Der Ausschuss ist dafür zuständig, zu definieren, auf welche Leistungen die gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland Anspruch haben.
Eine dieser Vorsorgemaßnahmen ist die Jugendgesundheitsuntersuchung J1 für Jugendliche zwischen 12 und 15 Jahren. Hier werden unter anderem der allgemeine Gesundheitszustand und die Pubertätsentwicklung erfasst. Außerdem werden die Jugendlichen zu ihrem seelischen Befinden und etwaigem gesundheitsgefährdenden Verhalten wie Rauchen oder Drogenkonsum befragt. Teil der Anamnese ist seit Einführung der Untersuchung im Jahr 1998 (Downloadlink) auch die Ermittlung des Impfstatus.
Laut dem Blogbeitrag erscheint es fraglich, ob die Vervollständigung des Impfschutzes nur gegen «die klassischen Kinderkrankheiten» erfolge. Auf Anfrage der dpa erklärte eine Pressesprecherin des niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung: «Gerade im Alter zwischen 12 und 17 Jahren stehen bei Kindern und Jugendlichen die Auffrischung von Impfungen wie Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten und Kinderlähmung an und im Rahmen der Untersuchung wird dazu beraten, dass fehlende Impfungen nachgeholt beziehungsweise unvollständige Impfserien komplettiert werden sollten.»
Das gelte überdies für Krankheiten wie Masern, Mumps oder Röteln – und inzwischen eben auch für Covid-19. Hierbei handele es sich aber nur um eine Beratung, betonte die Sprecherin: «Selbstverständlich sind alle Impfungen freiwillig.»
Zur Schulgesundheitspflege
Die Jugendgesundheitsuntersuchung wird allerdings, anders als in dem Blogartikel behauptet, bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten durchgeführt – und nicht in der Schule. Das ist auch in Bayern so, wie eine Sprecherin des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (StMGP) der dpa auf Anfrage bestätigte. Ebenso wenig würde die Untersuchung durch die Gesundheitsämter durchgeführt.
Es existiert allerdings eine gesetzlich vorgeschriebene Impfberatung sowie Erhebung der Impfraten. Laut Schulgesundheitspflegeverordnung (SchulgespflV) finden diese in Bayern jahrgangsweise bei der Schuleingangsuntersuchung sowie in den sechsten Jahrgangsstufen statt. Seit dem 1. Januar 2013 seien die Sorgeberechtigten von Schulkindern in diesem Rahmen verpflichtet, vorhandene Impfausweise und -bescheinigungen vorzulegen, erklärte die Ministeriumssprecherin weiter. Ziel sei, das Bewusstsein für die Bedeutung von Impfungen zu stärken und auf Impflücken hinzuweisen.
Die Impfberatungen und Erhebungen fänden aber unabhängig von der J1-Untersuchung statt, das überschneide sich lediglich zeitlich mit der Altersgruppe der Schülerinnen und Schüler der sechsten Klassen, so die Sprecherin des bayerischen Gesundheitsministeriums abschließend. Es sei aber eine Gelegenheit, auf die Vorsorgemaßnahme hinzuweisen.
Das erste Mal allein zum Arzt
Ob Jugendliche ihre Eltern zu diesem Termin mitnehmen oder nicht, bleibt ihnen überlassen. Auch was ihre Sorgeberechtigten erfahren sollen und was nicht, entscheiden sie selbst. Darauf macht das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Zusammenarbeit mit dem bayerischen Gesundheitsministerium seit 2016 in einer entsprechenden Kampagne aufmerksam. Im Zuge der Impfberatung wird der Flyer unter anderem durch die Gesundheitsämter verteilt.
Der Hinweis auf dem Flyer, dass die Eltern nicht alles erfahren müssten, sei auf die ärztliche Schweigepflicht zurückzuführen, teilte ein Pressesprecher des LGL der dpa mit. Diese ist in Paragraf 9 der ärztlichen Berufsordnung festgelegt (Downloadlink, S. 4) und besagt, dass alle Informationen des Patienten der Geheimhaltung unterliegen. Das gelte gleichermaßen für Jugendliche unter 18 Jahren, so der Sprecher des LGL weiter gegenüber der dpa.
Von der Schweigepflicht sind Ärzte laut ihrer Berufsordnung nur dann befreit, wenn sie ausdrücklich davon entbunden wurden, gesetzliche Anzeigepflichten existieren oder eine Offenlegung «zum Schutze eines höherwertigen Rechtsgutes erforderlich ist» (Downloadlink, S. 4) – etwa wenn das Leben einer Patientin oder eines Patienten in Gefahr wäre. Bei Verstoß droht eine Geldstrafe oder Freiheitsentzug von bis zu einem Jahr.
(Stand: 5.5.2023)