Twitter-Besitzer Elon Musk hat versprochen, sein soziales Netzwerk zur „präzisesten Informationsquelle der Welt“ zu machen. Im Gegensatz dazu nutzte er jedoch immer wieder seinen eigenen Account, um falsche Behauptungen von einigen der bekanntesten Desinformanten im Internet zu verbreiten. Zu diesem Ergebnis kam AFP nach einer Analyse von Musks Online-Aktivitäten.
Elon Musks Beiträge lenken die Aufmerksamkeit auf Falschinformationen zu Themen wie den Angriffskrieg in der Ukraine oder den Überfall auf den Ehemann von Nancy Pelosi, einer US-amerikanischen Kongressabgeordneten. Ebenso teilte Musk einen Tweet, der fälschlicherweise behauptete, dass verschiedene Ärzte Grippefälle angeblich als Corona-Todesfälle diagnostiziert hätten.
„Eines der größten Rätsel von Covid-19: Wo war die Grippe in den Jahren 2020 und 2021?“, fragte ein Account namens „KanekoaTheGreat“. Musk antwortete: „Gute Frage.“
Seit Musks Übernahme von Twitter für 44 Milliarden US-Dollar vor rund einem halben Jahr, hat Musk mindestens 40 Mal auf dieses Profil geantwortet, das auch die QAnon-Verschwörungserzählung unterstützt hat. In dieser Zeit hat Musk nur wenigen anderen Konten öfter geantwortet.
PolitiTweet ist eine Website, die die Beiträge von Personen des öffentlichen Lebens verfolgte, bis Twitter den Zugang sperrte. Anhand dieser gesammelten Daten untersuchte AFP Tausende von Beiträgen, die Musk zwischen Oktober 2022 und März 2023 veröffentlichte.
Er teilte einen gefälschten Beitrag über den US-amerikanischen Fernsehsender CNN, bezeichnete ein erfundenes Zitat mit „weise Worte“ und behauptete, dass die Polizei am 6. Januar 2021 beim Sturm auf das US-Kapitol angeblich einen der Randalierenden durch das Gebäude geleitet hätte. Er verschaffte einem Beitrag Reichweite, der Personen der queeren Gemeinschaft für Massenerschießungen verantwortlich machte und bekräftigte eine gefälschte Darstellung der Opferzahlen in der Ukraine.
Musk verharmloste außerdem Covid-19 und unterstützte falsche Behauptungen zur angeblichen Verursachung von Blutgerinnseln, Fehlgeburten und Herzproblemen durch Impfstoffe.
„Uns gehen die ‚Verschwörungen‘ aus, die sich als wahr herausgestellt haben“, sagte der Twitter-Besitzer im März 2023. Musk antwortete dazu auf einen Beitrag, in dem Covid-19 und die Sicherheit von Impfstoffen als „größte Medienlüge“ bezeichnet wurden.
Einige Tage später veröffentlichte er einen Twitter-Beitrag mit der Aussage, dass der beste Weg, Fehlinformation zu bekämpfen, darin bestehe, mit korrekten Informationen zu antworten.
Expertinnen und Experten halten Musks Aktivitäten für besorgniserregend – und das nicht nur wegen seines Online-Einflusses. Brendan Nyhan ist Professor am US-amerikanischen Dartmouth College und forscht dort zu Fehleinschätzungen in der Politik. Er sagte gegenüber AFP am 12. April 2023: „Musk hat beinahe 135 Millionen Followerinnen und Follower auf Twitter und hat seine Ingenieure dazu gezwungen, seine Reichweite zu erhöhen, daher sollten wir besorgt sein, wenn er Falschinformationen verbreitet.“
Weiter sagte Nyhan: „Am meisten beunruhigt mich jedoch, was diese Twitter-Beiträge über das Urteilsvermögen einer Person aussagen, die über die Richtlinien eines großen sozialen Netzwerks bestimmt.“
Der Feed von Elon Musk
Forscherinnen und Forscher haben Twitters jüngste Änderungen an den Richtlinien mit einem Anstieg der Fehlinformationen in Verbindung gebracht. Teil dieser Änderungen war Musks Wiedereinsetzung gesperrter Accounts und die Überarbeitung der Verifizierungspraktiken.
NewsGuard, ein Unternehmen, das die Glaubwürdigkeit von Internetseiten bewertet, hat festgestellt, dass Profile, die für das Twitter-Abomodell „Twitter Blue“ bezahlen, das soziale Netzwerk mit falschen Behauptungen füllen.Musk erhöht die Aufmerksamkeit einiger dieser Profile.
„Ich habe den Genehmigungsstempel von Elon Musk bekommen“, schrieb „KanekoaTheGreat“ auf Telegram nach einer Antwort von Musk auf einen seiner Beiträge.
Eine Studie des „Institute for Strategic Dialogue“, einer Denkfabrik aus London, die im Januar 2023 veröffentlicht wurde, stellte einen „erschütternden“ Anstieg von Musks Interaktionen mit rechten Profilen fest, seitdem er Twitter gekauft hatte. Darunter waren mehrere Profile, die in anderen Untersuchungen als Verbreiter von Fehlinformationen zu den US-Wahlen identifiziert wurden.
Musk hat wiederholt Beiträgen von Konten wie der Pro-Donald-Trump-Seite „Catturd„, dem Anti-LGBTQ+-Account „Libs of TikTok“ und der Verschwörungsseite „ZeroHedge“ größere Reichweite verschafft.
Ian Miles Cheong, ein rechter Blogger, hat mindestens 60 Antworten von Musk erhalten, was laut AFP-Analyse alle anderen Profile bis auf wenige Ausnahmen übertrifft.
In einem Fall verschaffte Musk einem Tweet mehr Aufmerksamkeit, der den US-Präsidenten Joe Biden für ein Einwanderungsprogramm verantwortlich machte, das unter Ex-Präsident Donald Trump gestartet wurde.
„Musk hebt einige der schlimmsten Stimmen auf Twitter hervor“, sagte Nyhan gegenüber AFP. „Diese Interaktionen werden wahrscheinlich die Reichweite und den Bekanntheitsgrad der Konten erhöhen.“
In einigen Fällen hat der Twitter-Besitzer dazu beigetragen, dass falsche Behauptungen weiter verbreitet wurden. Im Oktober 2022 drang ein Einbrecher in das Haus der US-Kongressabgeordneten Nancy Pelosi in Kalifornien ein und schlug ihren Ehemann mit einem Hammer nieder. Danach veröffentlichte Musk auf Twitter den Link zu einem Artikel, in dem behauptet wurde, ihr Mann sei betrunken gewesen und habe sich mit einem Sexarbeiter gestritten. Der Hashtag #Pelosigaylover erschien in den Trends bei Twitter.
Gerichtsakten und Videomaterial des Vorfalls widerlegten die Behauptungen. Die Behauptungen stammten von einer Seite, die bereits zuvor Falschinformationen veröffentlicht hatten. Doch der Schaden war angerichtet.
„Es ist sehr traurig für dieses Land, dass sich Personen von solch großer Sichtbarkeit so unverhohlen von Fakten und von der Wahrheit abwenden“, sagte Nancy Pelosi dazu. „Für diejenigen, die davon betroffen sind, ist es traumatisierend. Aber diesen Personen ist das egal, offensichtlich.“
Twitter antwortete auf AFP-Anfragen nach einem Kommentar mit einem Fäkal-Emoji, eine automatische Antwort, die Elon Musk im März 2023 eingeführt hatte.