Kanada hat der Ukraine zur militärischen Unterstützung tatsächlich Scharfschützengewehre geliefert. Die Behauptungen sind jedoch falsch: Wie ein Sprecher des kanadischen Verteidigungsministeriums auf dpa-Anfrage erklärte, war unter den gelieferten Gewehren nur eins vom Typ «C14-Timberwolf». Ansonsten handelte es sich um andere Modelle. Es gibt keine Belege für Verkäufe der bereitgestellten Waffen durch Geflüchtete auf dem kanadischen Schwarzmarkt.
Fakten
Die kanadische Rüstungsfirma Prairie Gun Works (PGW) Defense Technologies stellt Gewehre für den militärischen und den privaten Gebrauch her. Ein Modell des Unternehmens aus Winnipeg ist das sogenannte «C14-Timberwolf MRSWS (Medium Range Sniper Weapon System)». Dabei handelt es sich um ein für Mittelstrecken ausgelegtes Scharfschützengewehr, das unter anderem vom kanadischen Militär verwendetet wird.
Zu den Kunden des Waffenherstellers gehören auch die ukrainischen Streitkräfte: Wie aus einem Bericht des staatlichen Rundfunksenders CBC hervorgeht, stimmte Kanadas Regierung im Jahr 2018 einem Waffendeal zwischen PGW Defense Technologies und dem ukrainischen Militär zu. Bei der Lieferung – offenbar im Wert von einer Million kanadischer Dollar (aktuell umgerechnet etwa 747 695 US-Dollar bzw. 690 665 Euro) ging es damals jedoch um Scharfschützengewehre des Langstreckenmodells «LRT-3».
Kanadische Waffenspende: Lieferung enthielt unterschiedliche Gewehre
Kanada und die Ukraine sind enge Verbündete. Angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat die kanadische Regierung deshalb finanzielle und militärische Unterstützung zugesagt. So kündige Kanada am 14. Februar 2022, kurz vor dem russischen Überfall, eine Spende von Ausrüstung und Waffen an. Darunter waren nach Angaben auf der Regierungswebseite auch Scharfschützengewehre.
Ein Sprecher des kanadischen Verteidigungsministeriums bestätigte die Waffenspende auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Kanada habe der Ukraine ein «Timberwolf»-Scharfschützengewehr von PGW Defense Technology Inc. und Dutzende Scharfschützengewehre anderer Marken überlassen. Die gespendeten Waffen stammten aus dem Bestand der kanadischen Armee oder wurden für die Ukraine-Lieferung erworben. Laut dem Sprecher wurden die Spende verschiedener Scharfschützengewehre im Wert von 888 000 Dollar direkt an einen Partner der ukrainischen Streitkräfte geliefert.
Kurz nach Ankündigung der kanadischen Regierung war in Beiträgen auf ukrainischen Webseiten darüber spekuliert worden, ob die Ukraine mit der Waffenlieferung auch Gewehre vom Typ «C14-Timberwolf» erhalten würde. Hintergrund ist, dass laut den Beiträgen die ukrainischen Streitkräfte im Rahmen der «Operation Unifier» mit dem Modell trainiert haben.
Bei der «Operation Unifier» handelt es sich um eine militärische Ausbildungsmission der Canadian Armed Forces (CAF) zur Unterstützung der Streitkräfte der Ukraine, die 2015 in Leben gerufen wurde. Die Mission war 2022 bis 2025 verlängert worden, wurde allerdings aufgrund von Spannungen und der folgenden russischen Invasion ab Februar 2022 zeitweise ausgesetzt. Seit August 2022 finden Trainingseinheiten in Großbritannien und Polen statt, heißt es.
Das Verteidigungsministerium bestätigte, dass die kanadische Armee für das Training im Rahmen der «Unifier»-Mission «C14-Timberwolf»-Gewehre bereitgestellt hat. Die Waffen verblieben jedoch im Besitz des kanadischen Militärs und kehrten mit Unterbrechung der Mission wieder nach Kanada zurück, erklärte der Sprecher. Im Rahmen der Mission seien vor 2022 weder Waffen noch Munition oder sonstige Ausrüstung gespendet worden.
Unbelegte Behauptungen über illegalen Waffenhandel
Derweil gibt es auch in Kanada zu den Waffenlieferungen an die Ukraine kritische Stimmen. So berichtete CBC im März 2022 über Warnungen von Experten, dass kanadische Waffen in falsche Hände fallen könnten – etwa von russischen Soldaten oder kriminellen Schwarzmarkt-Verkäufern. Laut einem Artikel der Zeitung «Ottawa Citizen» kann Kanada die an die Ukraine gelieferten Waffen nicht verfolgen oder orten. Es ist nicht auszuschließen, dass von Kanada gespendete Waffen möglicherweise auf dem Schwarzmarkt gelandet sein könnten. Für die Behauptung, geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer hätten einen Großteil der gespendeten Gewehre an den kanadischen Schwarzmarkt verkauft, lassen sich jedoch keine Belege finden.
Die Sorgen über den möglichen Schwarzmarkt-Handel mit Waffen, die eigentlich für die Ukraine gedacht waren, wird unterdessen von pro-russischen Desinformationsakteuren ausgenutzt. So konnte die dpa bereits in einem Faktencheck eine Falschmeldung über ukrainischen Waffenhandel in Bremen widerlegen. Das Recherchezentrum Correctiv sowie Journalisten der BBC haben sich ebenfalls in ausführlichen Hintergrundberichten mit unbelegten Waffenverkäufen auf dem europäischen Schwarzmarkt beschäftigt. Oftmals zielen die Behauptungen demnach auch darauf ab, Ukrainerinnen und Ukrainer als korrupt oder kriminell darzustellen und Stimmung gegen westliche Waffenlieferungen an die Ukraine zu machen.
(Stand: 18.1.2023)