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Karte zeigt existierende Wehre in der Region Valencia, keine entfernten Staudämme

Am 29. Oktober 2024 wurde die spanische Region Valencia von einer historischen Flut getroffen. In sozialen Medien wurde in diesem Zusammenhang eine Karte geteilt, auf der abgerissene Staudämme und Wasserrückhaltebecken in der Region verzeichnet sein sollen. Die Karte zeigt jedoch das Gegenteil: Darauf sind existierende Wehre und andere Maßnahmen zum Hochwasserschutz zu sehen. Expertinnen und Experten erklärten gegenüber AFP, dass nur stillgelegte Barrieren rückgebaut worden seien.

„Die blauen Punkte markieren alle Dämme und Wasserrückhaltebecken, die rund um Valencia entfernt wurden“, lautet die Beschreibung einer Karte in einem Facebook-Post vom 4. November 2024. Darauf ist die Region Valencia zu sehen, auf der sich zahlreiche blaue Markierungen verteilen. Die Karte wurde mitsamt Beschreibung auch auf X, Threads, Telegram und Tiktok verbreitet sowie in Sprachen wie Schwedisch oder Französisch.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 2. Dezember 2024

Diese Behauptung ist jedoch falsch. Die Karte zeigt existierende Wehre und weitere Hochwasserschutzmaßnahmen anstatt solche, die abgerissen wurden.

Schwerste Überflutungen in Spanien  

Am 29. Oktober 2024 wurde die Region Valencia im Südosten Spanien von schweren Überschwemmungen getroffen. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez sprach von der „ziemlich sicher“ schwersten Flut in Europa in diesem Jahrhundert. Am 4. November 2024 folgten weitere starke Regenfälle im Großraum Barcelona, die zu Überflutungen führten. Nur zwei Wochen nach den Überschwemmungen in der Region Valencia trafen Unwetter die Provinz Málaga. Mitte November 2024 belief sich die Zahl der Todesopfer vorläufig auf mindestens 220, die Suche nach Vermissten dauerte an.

Ein Mann mit einer Maske zieht nach den tödlichen Überschwemmungen eine Schubkarre durch Schlamm und Schutt in einer Straße von Paiporta südlich von Valencia in Ostspanien am 6. November 2024 – JOSE JORDAN / AFP

Nach einer vorläufigen Analyse der Initiative World Weather Attribution sind eintägige Starkregenereignisse wie jenes in der Region Valencia durch das 1,3 Grad Celsius wärmere Klima im Vergleich zum vorindustriellen Zeitatler inzwischen etwa zwölf Prozent intensiver und doppelt so wahrscheinlich (hier archiviert).

Karte zeigt existierende Barrieren

Der erste Beitrag, der die Karte mitsamt der Falschbehauptung enthält und von AFP durch eine umgekehrte Bildsuche gefunden werden konnte, wurde auf Englisch am 31. Oktober 2024 auf X veröffentlicht.

Der X-Post ist mit einer sogenannten Community Note versehen – Nutzerinnen und Nutzer können durch diese Hinweise Posts mit der Notiz versehen, dass es sich um Falschinformationen handelt oder Kontext fehlt und Quellen angeben. Laut dieser Community Note stamme die Karte von einem „Amber Barrier Tracker“. Das Projekt Amber, kurz für Adaptive Management of Barriers in European Rivers, führt Barrieren in europäischen Flüssen auf und zielt darauf ab, eine bessere Verbindung der Flüsse durch ein Gleichgewicht zwischen Nutzen und Auswirkungen der Barrieren herzustellen.

Der Barrier Tracker ist eine App, in der Nutzerinnen und Nutzer Barrieren eintragen und Informationen an Amber übermitteln können. Das Projekt stellt außerdem einen Atlas zur Verfügung, der Informationen zu verschiedenen Barrierearten enthält, die in Europas Flüssen zum Einsatz kommen (hier archiviert). Einen Ausschnitt dieser Karte zeigen die Beiträge in sozialen Medien.

Durch einen Abgleich der Region Valencia auf der Karte des Projekts mit dem Ausschnitt, der mit der Falschinformation geteilt wird, ist zu sehen, dass die verzeichneten blauen Punkte deckungsgleich sind. Zudem ist jeweils das Logo von Mapbox darauf zu erkennen, einer Firma, die unter anderem für Amber Standortdienste anbietet. Somit handelt es sich bei dem geteilten Ausschnitt vermutlich um einen Screenshot der Amber-Karte.

Vergleich des Kartenbereichs auf der Website von Amber (links) und des in Beiträgen geteilten Ausschnitts (rechts): 8. November 2024

Laut der Website von Amber handelt es sich bei der Karte um eine Bestandsaufnahme der Barrieren, die Flüsse in Europa unterbrechen. Im Gegensatz zu den geteilten Beiträgen nennt das Projekt keine entfernten Barrieren. Die Legende der Karte weist die blauen Punkte als Wehre, nicht als Staudämme aus. Diese Punkte machen den Großteil der Markierungen in der Region Valencia aus. Dämme werden mit grünen Punkten verzeichnet, Barrieretypen anderer Art werden mit weißen Punkten markiert.

Ungenutzte Wehre und Dämme können Risiko bergen 

AFP widerlegte bereits weitere Falschinformationen zur Rolle von entfernten Dämmen bei den Überschwemmungen im Herbst 2024. In diesem Zusammenhang erklärten Expertinnen und Experten, es gebe keine Beweise für die Behauptung, dass Staudämme entfernt worden seien, die vor Überflutung hätten schützen sollen.

Eine Karte auf der Website des Geoportals von Spaniens Regierung zeigt, dass wesentlich weniger Wehre und Staudämme in der Region Valencia rückgebaut wurden als in den Beiträgen fälschlicherweise behauptet wird (hier archiviert). Die Daten dieser Karte reichen bis in das Jahr 2021.

Screenshot der Karte auf der Website Geoportal, die entfernte Wehre und Staudämme in Spanien zeigt: 11. November 2024

Die Pressestelle des spanischen Ministeriums für ökologische Transformation und demographische Herausforderungen (Miteco) erklärte auf AFP-Anfrage in einer E-Mail vom 4. November 2024, dass in Spanien „kleine Wehre und Wasserfälle von wenigen Metern Höhe“ entfernt worden seien, „die nicht länger in Benutzung sind“.

Wehre sind Mauern, die an Flüssen gebaut werden, um einen Teil des Flusses für Bewässerung und andere Zwecke umleiten zu können. Der Pressestelle zufolge seien in den vergangenen Jahrzehnten in der Region Valencia nur der Corindón-Staudamm (2017) und die Dämme in der Rambla de L’Algoder (2007) abgerissen worden.

Staudämme wiederum können zur Speicherung von Wasser genutzt werden. Damit sie gegen Überschwemmungen helfen, müssen Staudämme eine große Menge Wasser speichern können, erklärte Ignacio Escuder-Bueno, Professor für Wasserbautechnik an der Polytechnischen Universität Valencia, am 5. November 2024 auf AFP-Anfrage. Das sei bei der abgerissenen Infrastruktur in Spanien nicht der Fall.

„Einige Wehre oder kleine Staudämme, die nicht mehr in Benutzung sind (in der Regel sind sie niedrig und haben sehr wenig Speicherkapazität) können eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen oder negative Auswirkungen auf die Umwelt haben“, erklärte Escuder-Bueno.

César Rodríguez, Generalsekretär des Flussschutzverbandes AEMS-Ríos con Vida, stimmte dieser Einschätzung zu. „Ein paar wenige Wehre wurden entfernt, die für das Problem, über das wir sprechen, unbedeutend sind“, erklärte er gegenüber AFP am 4. November 2024. Rodríguez betonte, dass ein Wehr, vor allem wenn es nicht mehr genutzt oder gewartet wird, „zu einer Ansammlung von Material und einem Anstieg des Wasserspiegels führen und zum Überlaufen beitragen kann“ oder aber dass es zu bersten droht.

Auch bei größeren Infrastrukturen könnten diese Probleme auftreten, wie im Fall des Tous-Staudamms im Júcar-Becken, das die Region Valencia umfasst. Dieser sei im Jahr 1982 zusammengebrochen und eingestürzt, erklärte Rodríguez. Dabei seien einige Menschen ums Leben gekommen und obdachlos geworden.

Die Organisation, die das Einzugsgebiet des Flusses Júcar verwaltet – die Júcar Hydrographic Confederation –, schrieb in einer Reihe von Beiträgen auf X im Jahr 2023, dass Wehre eine unüberwindbare Barriere für Fische und Wasserfauna dartellten und stehendes Wasser zur Ausbreitung invasiver exotischer Arten führen könne. Deshalb sollte ein stillgelegtes Wehr „abgerissen werden“, „um diese Probleme zu vermeiden und die longitudinale Kontinuität (ungehinderte Durchgängigkeit, Anm. d. Red.) des Flusses und seinen Charakter als ökologischen Korridor wiederherzustellen“.

Fazit: Auf einer online geteilten Karte der Region Valencia sind keine abgerissenen Staudämme, sondern existierende Wehre und andere Barrieren verzeichnet. Es gibt zudem keine Hinweise darauf, dass angeblich entfernte Staudämme zu den Überschwemmungen in der Region im Herbst 2024 geführt hätten. Nicht genutzte Wehre können im Gegenteil eher eine Gefahr für das Ökosystem und Menschen darstellen.

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Klimawandel, Katastrophen

Autor(en): Anna HOLLINGSWORTH / Johanna LEHN / AFP Finnland / AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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