Während der Corona-Pandemie fanden wegen Infektionen und Angst vor Ansteckung weniger Flüge in Deutschland statt. Online wird nun, Jahre später, eine Meldung geteilt, wonach die Lufthansa Flüge ohne Passagiere angekündigt hätte, um ihre Start- und Landerechte zu behalten. Nutzerinnen und Nutzer verbreiten die Nachricht fälschlich als aktuell. Tatsächlich stammt sie aber von Januar 2022.
„Aber Hauptsache wir zahlen die CO2 Steuer“, schrieb ein Nutzer in einem Facebook-Beitrag vom 9. November 2024. Dazu teilte er ein Bild der ZDF-Sendung „Terra X“, wonach die Lufthansa angekündigt hätte, „diesen Winter 18.000 ‚Geisterflüge‘ durchzuführen“, um ihre Start- und Landerechte zu behalten.
In der Kommentarspalte wird die Empörung des Nutzers geteilt. „Alles nur noch Wahnsinn“ oder „Politik, nicht Lufthansa“ ist dort etwa zu lesen. Auch auf X wird das Bild von „Terra X“ derzeit verbreitet. Die Beiträge erwecken den Eindruck, es handele sich um eine aktuelle Meldung. Tatsächlich ist der Beitrag jedoch mehr als zwei Jahre alt.
Die Logos des Senders ZDF und der ZDF-Sendung „Terra X“ sind auf dem Bild zu erkennen. Eine Stichwortsuche auf den Social-Media-Accounts der Sendung führte zum Originalbeitrag, der am 7. Januar 2022 auf Facebook veröffentlicht wurde (hier archiviert). „Könnte das nicht umweltfreundlich durch eine Änderung von Verordnungen geregelt werden?“, schrieb „Terra X“ damals dazu. Dieser Text sowie die Datumsangabe sind in den Beiträgen von November 2024 jedoch nicht zu sehen, es wurde nur das Bild verbreitet.
Im Winter 2021/2022 hatte es eine Debatte um Leerflüge gegeben, berichteten mehrere Medien: Durch die Corona-Pandemie buchten weniger Passagiere Flüge, die Fluggesellschaften mussten dennoch einen gewissen Prozentsatz ihrer sogenannten Zeitnischen an absolvierten Flügen erfüllen, um diese Slots nach EU-Recht nicht an konkurrierende Airlines zu verlieren – das rief vor allem Kritik an unnötigem Treibhausgasausstoß hervor.
Hintergrund ist eine EU-Verordnung (hier archiviert). Sie regelt die Vergabe der Zeitnischen an verschiedene Fluggesellschaften an europäischen Flughäfen. Diese Zeitnischen sind festgelegte Zeitfenster, die die Gesellschaften zum Starten und Landen nutzen dürfen. Laut Verordnung muss eine Airline 80 Prozent der ihr zugeteilten Zeitnischen nutzen. Erfüllt sie diese Quote nicht, werden die nicht genutzten Zeitfenster im kommenden Flugplan unter den Fluggesellschaften neu verteilt.
Zeitnischen-Quote war in der Pandemie niedriger
Während der Pandemie weichte die Europäische Union diese Quote auf 50 Prozent auf, die wiederum in Ausnahmefällen wie beispielsweise der Ausbreitung einer neuen Virusvariante unterschritten werden durfte, berichtete unter anderem der „Stern“. Die zur Sommersaison 2022 geplante Rückkehr zu zunächst 64 Prozent hätte die Fluggesellschaften zu Leerflügen gezwungen. Die Anzahl von 18.000 solcher Flüge, die „Terra X“ in ihrem Beitrag aufgriff, nannte Lufthansa-Chef Carsten Spohr Ende Dezember 2021 in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.
Die Flüge seien aufgrund der Pandemie wenig gebucht worden, wodurch nur wenige Reisende jeweils an Bord gewesen seien, erklärte eine Lufthansa-Sprecherin auf AFP-Anfrage am 15. November 2024. Den Begriff „Leerflüge“ lehnte sie ab. „Es waren daher unnötige Flüge, die Lufthansa Group Airlines trotz geringer Nachfrage durchführen mussten, um Start- und Landerechte an Drehkreuzen und großen Flughäfen der EU zu sichern“, erklärte die Sprecherin weiter. Wie viele solcher Flüge die Fluggesellschaft damals absolvieren musste und ob solche „unnötigen Flüge“ auch in diesem Winterflugplan zu befürchten seien, beantwortete Lufthansa nicht.
Die letzte Änderung der EU-Verordnung von Oktober 2022 sah eine Abweichung von der Quote in bestimmten Krisensituationen wie „der COVID-19-Krise, anderer epidemiologischer Lagen oder als direkte Auswirkung des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine“ vor, die bis zum 28. Oktober 2023 befristet war. „Da sich der Flugverkehr wieder normalisiert und stabilisiert hat, gilt die Anforderung an die Fluggesellschaften, 80 Prozent der Zeitnischen-Serien zu nutzen, wieder“, erklärte eine Sprecherin der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland auf AFP-Anfrage am 21. November 2024.
Eine Stichwortsuche zu diesem Thema führte zudem zu keinen aktuellen Meldungen. Es ist anzunehmen, dass – wie vor zwei Jahren – auch jetzt von vielen Medien darüber berichtet worden wäre.
Fazit: Die geteilte Meldung von 18.000 „Geisterflügen“ der Lufthansa stammt von Januar 2022. Damalige kaum gebuchte Flieger mussten trotz geringer Nachfrage abheben, damit die Fluggesellschaft ihre Start- und Landerechte einer EU-Verordnung zufolge nicht verlor. Eine solche Nachricht ist im November 2024 nicht zu finden.