Bewertung
Die Behauptung ist falsch: Das Grundgesetz sieht im Verteidigungsfall eine Verlängerung der Wahlperiode und damit einhergehend eine Verschiebung der Wahlen vor – keinen Ausfall. Die angebliche Ankündigung stammt nicht von der Bundestagsverwaltung, sondern es geht um eine Formulierung auf der Webseite der niedersächsischen Stadt Hildesheim.
Fakten
Der Blogeintrag aus dem Screenshot stammt vom 17. Juni 2024 und steht unter der Überschrift «Ankündigung: Bundestagswahl fällt im Kriegsfall aus». Er bezieht sich auf einen Post auf der Plattform X von Max Otte, dem Ex-Vorsitzenden des lange CDU-nahen Vereins Werteunion, aus dem mittlerweile eine eigenständige konservative Partei hervorgegangen ist. Otte postete am 17. Juni ein Bild und schrieb dazu: «Die Bundestagsverwaltung kündigt Wahlen an, behält sich aber eine Verschiebung im #Verteidigungsfall vor.»
Das Bild zeigt aber keine Ankündigung der Bundestagsverwaltung, sondern einen Screenshot von der Webseite der Stadt Hildesheim. Auf einer Unterseite informiert die Kommune über verschiedene Wahlen. Der Screenshot zeigt eine Formulierung zur Bundestagswahl: «Die Bundestagswahl zum 21. Deutschen Bundestag wird – vorbehaltlich der Auflösung des Bundestages nach Artikel 68 und vorbehaltlich der Verlängerung der Wahlperiode im Verteidigungsfall nach Artikel 115 h des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – voraussichtlich im Herbst 2025 stattfinden.»
In sozialen Netzwerken führt vor allem der Verweis auf den Verteidigungsfall für Empörung. So deuteten einige Nutzer in Kommentaren an, dass der Eintrag als ein Hinweis auf Vorbereitungen für einen unmittelbar bevorstehenden Krieg zu verstehen sei.
Stadt Hildesheim hat Eintrag auf Webseite am 18. Juni geändert
Wie Archiv-Versionen zeigen, stand die Formulierung tatsächlich auf der Webseite – bis sie am 18. Juni 2024 geändert wurde. Eine Sprecherin der Stadt Hildesheim bestätigte das gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Weil die Passage online irreführend und missbräuchlich verwendet worden sei, wurde sie an dem Tag geändert. Nun heißt es lediglich: «Die Wahl der Abgeordneten zum 21. Deutschen Bundestag wird voraussichtlich im Herbst 2025 stattfinden.»
Die Stadt gehe davon aus, dass die vorherige Formulierung etwa seit Ende 2021 auf der Seite stand und im Zusammenhang mit einer Neugestaltung veröffentlicht wurde. Damals seien in kurzer Zeit viele Seiten neu zu befüllen gewesen. «Offensichtlich wollte man an dieser Stelle schlicht den Gebrauch des Wortes „voraussichtlich“ umfänglich erläutern», erklärte die Sprecherin. Frühere Ankündigungen von Bundestagswahlen seien nicht so abgefasst gewesen.
Dass die im Netz diskutierte Formulierung bereits mindestens seit Dezember 2022 auf der Webseite steht, beweist eine archivierte Version. Im Januar 2022 war noch ein anderer Hinweis zu finden.
Um eine Ankündigung der Bundestagsverwaltung über den Ausfall der Wahl im Kriegsfall handelt es sich also nicht. Es lassen sich auch keine Hinweise für eine solche Ankündigung finden. Ein Sprecher des Bundestags erklärte auf Anfrage, dass die Bundestagsverwaltung nicht zuständig ist, die Bundestagswahlen vorzubereiten und zu organisieren. Er verwies stattdessen auf die Bundeswahlleiterin.
Verteidigungsfall: Grundgesetz sieht Verlängerung der Wahlperiode vor
Wie in Artikel 39 des Grundgesetzes (GG) geregelt, dauert die Wahlperiode des Deutschen Bundestags in der Regel vier Jahre. Die Neuwahlen finden frühestens 46, spätestens 48 Monate nach Beginn der Wahlperiode statt. Die aktuelle Wahlperiode des 20. Deutschen Bundestages hat mit ihrer konstituierenden Sitzung am 26. Oktober 2021 begonnen. Somit muss der Termin für die nächste Bundestagswahl innerhalb der Zeitspanne von Mittwoch, dem 27. August 2025, und Sonntag, dem 26. Oktober 2025, liegen, erklärt die Bundeswahlleiterin.
Eine Verlängerung der Wahlperiode über diese geregelte Zeitspanne hinaus ist nur im Verteidigungsfall möglich. Das schreiben auch die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags in einer Ausarbeitung, auf die das Büro der Bundeswahlleiterin auf dpa-Nachfrage hinwies. Als Verteidigungsfall wird nach Artikel 115a GG ein Szenario bezeichnet, in dem das «Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht».
Während des Verteidigungsfalles ablaufende Wahlperioden des Bundestages oder der Volksvertretungen der Länder enden nach Artikel 115h GG – auf den sich auch die Stadt Hildesheim in ihrer vorherigen Formulierung bezog – sechs Monate nach Beendigung des Verteidigungsfalles. Entsprechend findet die Neuwahl des Bundestages ebenfalls erst später statt, erklärte das Büro der Bundeswahlleiterin. Die Bundestagswahl würde also nicht ausfallen, sondern auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.
Und diese Regelung ist nicht neu: Der Artikel besteht seit 24. Juni 1968 und wurde mit dem 17. Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes – im Volksmund besser bekannt als «Notstandsgesetze» – hinzugefügt.
Vorzeitige Neuwahlen vor Ablauf der Wahlperiode sind derweil nur bei einer Auflösung des Bundestags möglich. Dann muss innerhalb von 60 Tagen gewählt werden. Nach Art. 115h Absatz 3 GG ist für «die Dauer des Verteidigungsfalles ist die Auflösung des Bundestages ausgeschlossen».
(Stand: 4.7.2024)