Anfang Oktober 2024 traf Hurrikan Milton auf die Küste des US-Bundesstaats Florida. In sozialen Medien kursierte derweil ein Video von dunklen Wolken, die angeblich beweisen würden, dass ein US-amerikanisches Forschungsprojekt vor Florida aktiviert worden sei. Doch der Clip stammt bereits aus dem Jahr 2021 und zeigt laut Meteorologen lediglich Gewitterwolken. Fachleute haben zudem wiederholt Falschbehauptungen widerlegt, wonach die als HAARP bekannte Forschungsanlage Wolken oder gar das Wetter manipulieren könne.
„HAARP wurde in Florida vollständig aktiviert“, heißt es in einem Facebook-Post vom 6. Oktober 2024. Dazu wurde das Video geteilt, in dem dunkle Wolkenformationen über einem Strand zu sehen sind.
Auch auf Telegram wurde das Video mit identischer Behauptung zehntausendfach verbreitet und kursierte auf X zudem in anderen Sprachen, etwa auf Englisch, Französisch, Japanisch und Polnisch.
Das Video wurde zu einem Zeitpunkt in sozialen Medien verbreitet, zu dem die mediale Berichterstattung vom Sturmgeschehen im US-Bundesstaat dominiert wird: Hurrikan Milton löste am 7. Oktober 2024 zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen Evakuierungsbefehle in Florida aus. Als er am 9. Oktober 2024 als starker Sturm der Kategorie 3 über die Halbinsel von Florida hinweg zog, kamen mindestens 16 Menschen ums Leben und Millionen waren ohne Strom.
Kurz zuvor hatte bereits Hurrikan Helene den Bundesstaat als Sturm der Kategorie 4 getroffen. Beide Stürme wurden von einer Flut an Desinformation begleitet, wie AFP berichtete.
Das online kursierende Video von bedrohlich aussehenden Wolken ist jedoch deutlich älter und hat nichts mit den Stürmen von September und Oktober 2024 zu tun.
Clip stammt aus dem Jahr 2021
Eine umgekehrte Bildsuche ergab, dass das identische Video bereits im Juni 2021 in einem Artikel (hier archiviert) der Onlinepublikation „Daily Star“ veröffentlicht wurde. Demnach habe ein Strandbesucher den „apokalyptischen Himmel“ am Strand von Fort Walton Beach in Florida aufgezeichnet. Ein Facebook-Nutzer, der laut Profil selbst in der Stadt Fort Walton Beach wohnt, postete das Video am 21. Juni 2021 (hier archiviert):
Dazu schrieb er auf Englisch: „Mutter Natur hat heute Morgen ein wildes Spiel getrieben! […] Ich hätte nie gedacht, dass dies so viele Menschen erreichen würde! Das war in Fort Walton Beach, Florida.“
Die Stadt Fort Walton Beach befindet sich an der nordwestlichen Küste von Florida – und gehört damit nicht zu den Regionen, die am stärksten vom Hurrikan Milton getroffen wurden.
Bis zum 14. Oktober 2024 war für den County Okaloosa, in dem Fort Walton Beach liegt, zudem kein Evakuierungsbefehl erlassen worden, wie aus der Website von Floridas Behörde für Notfallmanagement (hier archiviert) hervorgeht.
Clip wurde bereits mehrfach in falschem Kontext verbreitet
AFP hat in der Vergangenheit bereits andere Beiträge widerlegt, in denen das identische Video fälschlicherweise bestimmten Stürmen zugeordnet wurde, beispielsweise im September 2022 dem Hurrikan Ian.
Tyler Fleming, leitender Meteorologe beim US-amerikanischen Wetterdienst in Tampa Bay, erklärte zum damaligen Zeitpunkt gegenüber AFP, dass die gezeigten Wolken in dem Video nicht den typischen Mustern eines Hurrikans ähneln. „Das Video scheint eine Hängewolke mit darunterliegenden wellenförmigen Asperatuswolken zu zeigen“, schrieb Fleming in einer E-Mail vom September 2022. „Diese können bei normalen Gewittern auftreten, die auf Land treffen.“
Im Jahr 2023 wurde der Clip mit einer weiteren Falschbehauptung verbreitet: Er zeige die Auswirkungen eines Erdbebens, das Alaska im Juli 2023 erschütterte.
Im Oktober 2024 kursierte dieses mehrfach falsch interpretierte Video nun mit der Behauptung, es beweise, dass „HAARP vollständig in Florida aktiviert wurde“ und die Wolken im Zusammenhang mit den beiden Hurrikanen Helene und Milton erzeugt habe – auch diese Aussagen sind falsch.
Was ist HAARP?
HAARP (High-Frequency Active Auroral Research Program) ist ein amerikanisches Forschungsprogramm, das 1990 ins Leben gerufen wurde, um die Ionosphäre mithilfe von Radiowellen wissenschaftlich zu erforschen. Es verwendet den leistungsstärksten Hochfrequenzsender weltweit, „um das Wissen über die obere Atmosphäre der Erde zu erweitern“, indem „die physikalischen und elektrischen Eigenschaften der Ionosphäre der Erde erforscht werden, die unsere militärischen und zivilen Kommunikations- und Navigationssysteme beeinträchtigen können“, wie es auf der Website des Programms (hier archiviert) heißt. Die Untersuchungen werden mithilfe von 180 Antennen an einem Standort in Alaska durchgeführt.
Bis zum Jahr 2015 wurde HAARP gemeinsam von der United States Air Force (Usaf) und der United States Navy verwaltet. Nachdem die Usaf im Laufe der 25-jährigen Nutzung schrittweise weniger Mittel für das Projekt bereitgestellt hatte, übernahm die University of Alaska Fairbanks den Betrieb der Einrichtung, wie ebenfalls auf der Website des Programms zu lesen ist.
HAARP war in der Vergangenheit wiederholt Thema von Verschwörungserzählungen – einschließlich der weitverbreiteten Behauptung, der Hochfrequenzsender könne das Wetter in anderen Teilen der Erde manipulieren.
AFP hat bereits die falsche Aussage widerlegt, HAARP könne Unwetter, Erdbeben oder Vulkanausbrüche auslösen. Auch Falschbehauptungen in Zusammenhang mit Erdbeben und Hurrikanen hat AFP überprüft.
Hochfrequenzsender kann keine Gewitterwolken und Stürme erzeugen
Laut Fachleuten seien alle Behauptungen, dass mithilfe von HAARP das Wetter oder gar Stürme von der Kraft eines Hurrikans erzeugt werden könnten, völlig aus der Luft gegriffen:
„Der tragische Verlust von Menschenleben und die weitreichende Zerstörung durch den Hurrikan Helene sind eine ernste Mahnung für die immense Kraft von Naturkatastrophen. Die Forschungsausrüstung der HAARP-Anlage ist nicht in der Lage, solche Ereignisse zu erzeugen oder zu verstärken“, schrieb Jessica Matthews, Forschungsleiterin von HAARP, per E-Mail auf AFP-Anfrage am 1. Oktober 2024.
Howard Diamond, Direktor der Abteilung für Atmosphärenwissenschaften und Modellierung am Luftressourcenlabor des US-Instituts für Ozean- und Atmosphärenforschung (NOAA), stimmte dem zu. „HAARP hatte absolut nichts mit der Entstehung des Hurrikans Helene, der Entstehung eines anderen Hurrikans oder der Entstehung eines anderen natürlichen Wetterereignisses zu tun“, schrieb er in einer E-Mail vom 30. September 2024.
„Radiowellen in den Frequenzbereichen, die HAARP überträgt, werden weder in der Troposphäre noch in der Stratosphäre absorbiert – den beiden Schichten der Atmosphäre, die das Wetter auf der Erde beeinflussen“, heißt es auf der FAQ-Seite (hier archiviert) des Forschungsprogramms HAARP. „Da es keine Wechselwirkung gibt, gibt es auch keine Möglichkeit, das Wetter zu kontrollieren.“
Fazit: Ein online kursierendes Video zeigt keine künstlich erzeugten Sturmwolken des Hurrikans Milton. Das Video stammt bereits aus dem Jahr 2021 und hat somit nichts mit den Hurrikanen aus dem Jahr 2024 zu tun. Entgegen online kursierender Falschbehauptungen wurden diese Wolken auch nicht durch die Forschungsanlage HAARP erzeugt. Fachleute erklärten bereits mehrfach gegenüber AFP, dass HAARP nicht in der Lage ist, Stürme zu erzeugen.