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Knapp 77 000 Ukrainer beziehen Grundsicherung im Alter

Auf der Suche nach Schutz vor dem russischen Angriffskrieg haben bereits mehr als 1,1 Millionen Menschen aus der Ukraine in Deutschland Zuflucht gefunden. Wenn sie hierzulande als Kriegsflüchtlinge registriert sind und ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können, haben Ukrainer unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Sozialleistungen – so wie auch deutsche Staatsbürger unabhängig vom Alter. Im Netz behaupten nun mehrere User in diesem Zusammenhang, dass angeblich «90 000 Rentner aus der Ukraine» in Deutschland «Grundsicherung im Alter» erhalten würden. Ist diese Zahl korrekt?

Bewertung

Die Zahl ist falsch. Mit Stand vom März 2023 bezogen dem Statistischen Bundesamt zufolge knapp 77 000 Personen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit Grundsicherung im Alter. Die Zahl 90 000 bezieht sich hingegen auf den Anstieg aller Empfänger im Laufe eines Jahres – unabhängig von der Staatsangehörigkeit.

Fakten

In Deutschland ist im Rahmen der Sozialleistungen an verschiedenen Stellen von Grundsicherung die Rede. Gemeint sind damit staatliche Leistungen, mit denen das Existenzminimum (also der Grundbedarf an Lebenskosten einer Person) gedeckt wird. Je nach Erwerbsfähigkeit und Alter gibt es dabei verschiedene Hilfen.

Ein Überblick über einige Sozialleistungen

Das Bürgergeld wird etwa als «Grundsicherung für Arbeitssuchende» bezeichnet. Personen ab 15 Jahren bis zum Renteneintrittsalter, die erwerbsfähig und hilfebedürftig sind, erhalten diese Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Wer hingegen nicht erwerbsfähig ist, erhält «Hilfe zum Lebensunterhalt» oder die sogenannte «Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung» nach dem Sozialgesetzbuch XII.

Bei der «Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung» wird zwischen leistungsberechtigten Personen unterschieden. «Grundsicherung im Alter» erhalten Personen, die die Regelaltersgrenze (sprich den Renteneintritt) überschritten haben und deren Einkommen nicht ausreicht, um ihren Lebensunterhalt zu decken.

Unter die Grundsicherung bei Erwerbsminderung fallen entsprechend auch Personen ab dem 18. Lebensjahr bis zur Altersgrenze, die dauerhaft voll erwerbsgemindert sind – beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen. Weitere Personen, die diese Leistungen erhalten können, sind in Paragraf 41, Absatz 3a Sozialgesetzbuch XII aufgeführt.

Gesamtzunahme um 90 000 Empfänger zwischen März 2022 und 2023

Die im Netz kursierende Zahl von 90 000 bezieht sich auf die Grundsicherung im Alter. Als vermeintliche Quelle wird auf die «Tagesschau» verwiesen. Auf der Webseite der ARD-Nachrichtensendung lässt sich zum Thema ein kürzlich veröffentlichter Bericht vom 16. Juli 2023 finden. Die «Tagesschau» greift darin eine Meldung der Funke Mediengruppe auf.

Die Mediengruppe hatte zuvor unter Berufung auf Daten des Statistischen Bundesamtes geschrieben, dass im ersten Quartal 2023 etwa 684 000 Personen auf Grundsicherung im Alter angewiesen waren. Alle Menschen über der Altersgrenze – also Rentnerinnen und Rentner – können diese Sozialleistung beantragen, wenn eigene Einkünfte oder Vermögen nicht für ihre Lebenshaltungskosten ausreichen.

Im Vergleich zum ersten Quartal 2022 stieg die Zahl der Empfänger demnach um rund 90 000. Die Angabe gibt also die Gesamtzunahme der Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung im Alter an – unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Auch die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtete.

In dem «Tagesschau»-Bericht bezieht sich die Angabe «90 000» ebenfalls auf diese Gesamtzunahme. Von «90 000 ukrainischen Rentnern» ist auch hier keine Rede. Eine solche Angabe taucht genauso wenig in früheren Versionen des Artikels auf. Und sie stimmt auch nicht.

Knapp 77 000 Rentner aus der Ukraine beziehen Grundsicherung

Die dpa hat beim Statistischen Bundesamt nachgefragt. Die jüngsten Daten liegen mit Stand vom März 2023 vor. Unter den 684 360 Rentnerinnen und Rentnern, die in Deutschland zu diesem Zeitpunkt Grundsicherung im Alter bezogen, hatten der Behörde zufolge 76 795 Personen eine ukrainische Staatsangehörigkeit. Die im Netz verbreitete Zahl ist also falsch.

Die 684 360 Rentnerinnen und Rentnern eingerechnet haben im ersten Quartal 2023 insgesamt 1,22 Millionen Menschen unabhängig ihrer Staatsangehörigkeit in Deutschland Leistungen der «Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung» bezogen. Laut dem Statistischen Bundesamt waren darunter (Stand März) insgesamt 79 545 Personen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit. Neben den 76 795 ukrainischen Senioren entfielen also weitere 2745 Personen aus der Ukraine auf Personen ab 18 Jahren bis zur Altersgrenze.

Welche weiteren Ansprüche Ukrainer haben

Geflüchtete aus der Ukraine haben seit dem vergangenen Jahr Anspruch auf Leistungen nach dem Grundsicherungssystem. Welche Hilfen sie konkret erhalten können, ist vom Einzelfall und den jeweiligen Voraussetzungen abhängig.

Neben den Leistungsberechtigten der «Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung» gibt es auch unter den Bürgergeld-Empfängern Personen mit ukrainischer Staatsbürgerschaft. Die zuständige Bundesagentur für Arbeit schreibt dazu: «Im April 2023 wurden nach aktuellen Angaben 712 000 ukrainische Staatsangehörige in der Grundsicherung für Arbeitsuchende gezählt.»

Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die weder für Bürgergeld noch für die «Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung» berechtigt sind, können gegebenenfalls «Hilfe zum Lebensunterhalt» erhalten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hat es auch hier seit Beginn des russischen Angriffskriegs einen Anstieg der Empfänger mit ukrainischer Staatsangehörigkeit gegeben. Konkrete Zahlen nach Altersgruppen in Kombination mit einzelnen Staatsangehörigkeiten lagen der Behörde dazu aktuell aber nicht vor.

Was hinter solchen Behauptungen steckt

Rund um ukrainische Schutzsuchende und die Inanspruchnahme von Sozialleistungen kursieren im Netz immer wieder Falschinformationen. So hat sich das dpa-Faktencheck-Team etwa mit falschen Behauptungen zum Rentenalter beschäftigt. Die Beiträge zielen mitunter darauf ab, Bürgerinnen und Bürger gegen Schutzsuchende auszuspielen, Neid zu schüren und die Solidarität vieler Bürger zu erschüttern.

Oft wird zudem der Anschein erweckt, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer, die ihre Heimat wegen des Krieges verlassen mussten, nun vom Krieg angeblich profitieren würden – ein Narrativ, das unter anderem von pro-russischen Akteuren verbreitet wird.

(Stand: 31.8.2023)

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Migration, Politik, Ukraine

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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