„Echt eine riesen Sauerei“ und „Mir fehlen die Worte“, kommentieren Nutzerinnen und Nutzer unter zwei Videos auf Tiktok (hier und hier). Darin wird behauptet, geflüchtete Menschen aus der Ukraine würden in Hotels auf Mallorca untergebracht, die mit deutschen Steuergeldern umgebaut würden, um den „Ansprüchen“ der Geflüchteten „gerecht zu werden“. In den Videos wird jeweils ein anderes Hotel gezeigt. Veröffentlicht hat sie ursprünglich ein Kanal namens „fettbaer_man“. Laut Eigenbeschreibung veröffentlicht er Satire und nutzt den Hashtag „Satire“ auch in einem der Videos, doch dieser Hinweis fehlt in der anderen Aufnahme. Beide Videos wurden zusammen mehr als eine Million Mal aufgerufen und verbreiten sich auch auf Facebook.
Dutzende Nutzer verbreiteten eins der Videos zudem weiter, ohne es als Satire zu kennzeichnen. Sie machten aus dem Video ein sogenanntes Duett. Mit dieser Funktion können Videos auf Tiktok von anderen weiterverbreitet und gleichzeitig kommentiert werden.
Unsere Recherche zeigt: Die Behauptungen stimmen nicht. Zwar wird aktuell ein Hotel auf Mallorca zur Unterbringung von ukrainischen Geflüchteten genutzt, es handelt sich dabei aber um keines der Hotels aus den Tiktok-Videos. Die Unterbringung werde laut dem Spanischen Roten Kreuz zudem durch spanische Gelder finanziert. Dem Bundesfinanzministerium liegen keine Kenntnisse über den Einsatz deutscher Steuergelder für den Umbau von Hotels auf Mallorca für die Unterbringung von ukrainischen Geflüchteten vor.
Keine Belege, dass ukrainische Geflüchtete in den Hotels aus den Tiktok-Videos untergebracht sind
In den Videos werden zwei verschiedene Gebäude gezeigt. Wir konnten beide ausfindig machen. Wie uns das Tourismusbüro auf Mallorca mitteilte, handelt es sich bei einem der Hotels um das „Iberostar Selection Albufera Playa“ im Nordosten Mallorcas. Weitere Fotos, die wir auf Google gefunden haben, bestätigen das. Auf einigen Bildern sind die Balkone mit den markanten Brüstungen zu erkennen, die auch im Video zu sehen sind. Aufnahmen von Google Street View von November 2018 zeigen Palmen, einen Feuerhydranten und eine Laterne, die im Video ebenso zu erkennen sind.
Wir haben bei der Hotelkette nachgefragt, ob Umbaumaßnahmen für die Unterbringung Geflüchteter stattgefunden haben. Trotz wiederholter telefonischer und schriftlicher Nachfrage erhielten wir bis zur Veröffentlichung keine Antwort.
Die zweite Videoaufnahme zeigt das Hotel „Grupotel Parc Natural & Spa“, ebenfalls im Nordosten Mallorcas, keine zwei Kilometer von dem anderen Hotel entfernt. Das belegen eine Bilderrückwärtssuche mit einem Standbild aus dem Video und ein Vergleich mit Aufnahmen von Google Street View von September 2022.
Auch dieses Hotel haben wir telefonisch kontaktiert. Uns wurde jedoch mitgeteilt, dass zu unserer Anfrage, ob ukrainische Geflüchtete dort momentan untergebracht sind, niemand Auskunft geben kann. Die Saison sei vorbei und das Hotel deshalb geschlossen.
Antworten der spanischen Regierung und des Roten Kreuzes in Spanien bekräftigen jedoch, dass in diesen beiden Hotels keine Geflüchteten aufgenommen wurden.
Spanisches Rotes Kreuz: Ukrainische Geflüchtete sind noch vorübergehend in einem anderen Hotel auf Mallorca untergebracht
Über eine Google-Suche in Spanisch zu „Geflüchteten”, „Hotels“, „Mallorca“ stoßen wir auf mehrere Medienberichte, die jedoch über die Unterbringung von Geflüchteten berichten. Laut der spanischen Zeitung Ultima Hora waren im März 2022 im Hotel „Palma Bellver“ auf Mallorca Notunterkünfte für ukrainische Geflüchtete bereitgestellt worden. Diese Vereinbarung habe für einen Monat gegolten. Am 30. März 2022 berichtete Diario de Mallorca, dass das spanische Rote Kreuz die dort untergebrachten Geflüchteten in andere Unterkünfte bringe. Dazu zählten unter anderem ein Krankenhaus und das „Palma Bay Club Resort“ in Playa de Palma, südlich des Zentrums der Stadt Palma auf Mallorca.
Das Rote Kreuz bestätigte uns auf Anfrage, dass in diesem Hotel momentan noch ukrainische Geflüchtete vorübergehend untergebracht seien. Die Plätze in Playa de Palma seien vom Roten Kreuz verwaltet und Teil des „Programms für die Aufnahme und Integration von Personen, die internationalen Schutz beantragen“. Die Unterbringung werde vollständig von spanischen Geldern finanziert. Es diene als vorübergehende Unterkunft, um anschließend die Geflüchteten auf verfügbare Plätze auf dem Festland zu verteilen.
„Abgesehen von diesen Hotels gab es keine weiteren Hotels, die ukrainische Geflüchtete aufgenommen haben“, so das Rote Kreuz. Folglich wurden oder werden auch keine anderen Hotels zu diesem Zweck umgebaut oder renoviert.
Das Ministerium für Inklusion, soziale Sicherheit und Migration in Spanien teilte uns auf Anfrage ebenfalls mit, dass weder aktuell noch in der Zukunft geplant sei, ukrainische Geflüchtete in Hotels auf Mallorca unterzubringen.
Keine deutschen Steuergelder für Unterbringung von ukrainischen Geflüchteten in Hotels auf Mallorca
Wir haben zudem bei der Bundesregierung nachgefragt, ob deutsche Steuergelder für die Unterbringung von ukrainischen Geflüchteten nach Mallorca fließen. Die Pressestellen des Bundesinnen- und Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wiesen uns darauf hin, dass ein solcher Einsatz von Steuergeldern und die Betreuung von Gebäuden des Bundes im Zuständigkeitsbereich der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) liegen, die der Aufsicht des Bundesministeriums der Finanzen untersteht. Wir haben dort nachgefragt, ob mit Geldern aus Deutschland die Renovierung von Gebäuden im Ausland für die Unterbringung von Geflüchteten stattfinde. Die Rückmeldung der Pressestelle lautete, dass die BImA im Ausland keine Gebäude zur Unterbringung von Geflüchteten anbiete.
Auch die Pressestelle des Bundesfinanzministeriums schrieb uns, dass keine Kenntnisse zu einem solchen Einsatz deutscher Steuergelder vorlägen.
Immer wieder wird in Sozialen Netzwerken mit irreführenden Behauptungen Stimmung gegen ukrainische Geflüchtete gemacht. Wir berichteten etwa über die Falschmeldungen, dass ukrainische Geflüchtete Sonderkonditionen erhielten, wenn sie ihr Auto in Deutschland zum ersten Mal anmeldeten oder dass sie früher Rente bekämen.
Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.
Redigatur: Uschi Jonas, Sophie Timmermann, Paulina Thom