Nein, dieses Video zeigt keine Palästinenser, die sich als Leichen ausgeben

Mehrere Personen liegen am Boden, abgedeckt mit weißen Tüchern. Sie tragen Socken und Schuhe; eine von ihnen bewegt sich. Um sie herum stehen viele, die die Szene anscheinend beobachten. Laut Beiträgen auf X zeigt dieses Video Palästinenser, die sich als Todesopfer inszenieren. Die Behauptung kursiert auch auf Türkisch und Chinesisch, das Video erreichte hunderttausende Nutzerinnen und Nutzer. Auf Tiktok heißt es, die Hamas – von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft – habe die Menschen im Video als Leichen ausgegeben. Auf X heißt es, das Video stamme vom arabischen Nachrichtensender Al Jazeera mit Sitz in Katar.

Dasselbe Video veröffentlichte Jair Netanjahu in einem X-Beitrag bereits 2021. Er ist der Sohn des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Dazu schrieb er auf Englisch: „Paliwood! Sehen Sie sich die palästinensischen ‚Opfer‘ in Gaza an, die aus Versehen im palästinensischen Fernsehen live übertragen wurden.“

„Paliwood“ ist eine abgewandelte Schreibweise des aus „Palästina“ und „Hollywood“ zusammengesetzten Wortes „Pallywood“. Seit den Angriffen der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und Israels Gegenangriffen kursieren vermehrt Beiträge mit diesem Begriff im Netz. Damit soll suggeriert werden, Bilder palästinensischer Opfer würden systematisch gestellt.

Anders als behauptet, zeigt das Video jedoch keine Inszenierung, sondern Studenten bei einem Protest an einer Universität in Ägypten im Oktober 2013. Wir baten Jair Netanjahu um eine Stellungnahme, erhielten bis zur Veröffentlichung jedoch keine Antwort.

X-Beitrag mit einer Falschbehauptung zu einem Video.
Das Video einer Protestaktion von Studenten an einer Universität in Ägypten wird auf X in einen falschen Kontext gesetzt (Quelle: X; Screenshot und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)

Video entstand 2013 bei Protesten an einer Universität in Ägypten

Nutzerinnen und Nutzer auf X, darunter BBC-Journalist Shayan Sardarizadeh, wiesen darauf hin, dass das Video eine Protestaktion von Studierenden in Ägypten 2013 zeige. Sardarizadeh teilte dazu auch einen Screenshot aus einem Youtube-Video, auf dem ein Logo zu erkennen ist. Eine Suche mit diesen Hinweisen führt auf Youtube zu demselben Video, veröffentlicht von der ägyptischen Zeitung Elbadil am 28. Oktober 2013. Das Logo der Zeitung ist oben rechts eingeblendet.

Das Logo des Youtube-Videos stimmt mit dem Logo einer ägyptischen Zeitung überein.
Das Logo oben rechts in dem Video, das in Sozialen Netzwerken kursiert, entspricht dem Logo einer ägyptischen Zeitung (rechts). Diese veröffentlichte das Video bereits 2013 auf Youtube. (Quelle: Youtube; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

In der arabischen Videobeschreibung heißt es, dass Studenten der islamistischen Muslimbruderschaft eine Demonstration an der Al-Azhar-Universität im ägyptischen Kairo organisierten. Die ägyptische Zeitung Akhbar El Yom veröffentlichte am selben Tag ein Youtube-Video, das dieselbe Szene aus einem anderen Blickwinkel zeigt (Minute 1:13). Die Faktencheck-Redaktion der AFP konnte mithilfe von eigenen Bildaufnahmen verifizieren, dass die Videos tatsächlich das Universitätsgebäude zeigen.

Mehrere Medien berichteten damals über die Proteste. Demnach steht das Video in Zusammenhang mit Demonstrationen gegen den Militärputsch vom damaligen ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi im Juli 2013. Mursi war Vertreter der Muslimbruderschaft. Nach dem Putsch stufte die Übergangsregierung die Muslimbruderschaft als Terrororganisation ein. Seitdem saß Mursi laut Angaben des Spiegels im Gefängnis, er starb 2019 bei einer Gerichtsverhandlung.

Alle Faktenchecks zu Falschmeldungen und Gerüchten zum Krieg im Nahen Osten finden Sie hier.

Redigatur: Viktor Marinov, Max Bernhard

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Youtube-Video der ägyptischen Zeitung Elbadil, 28. Oktober 2013: Link (archiviert)
  • Youtube-Video der ägyptischen Zeitung Akhbar El Yom, 28. Oktober 2013: Link (archiviert)
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Israel-Hamas-Konflikt

Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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