Das Parlamentsgebäude im Gazastreifen wurde Mitte November 2023 von israelischen Truppen eingenommen. Doch ein Video, das angeblich die Zerstörung des Gebäudes zeigen soll, wurde sechs Kilometer entfernt aufgenommen — das bestätigen Satellitenaufnahmen.
„Israelische Truppen sprengen das Parlamentsgebäude in Gaza“, so ein deutschsprachiger Facebook-Beitrag vom 16. November 2023. Ähnliche Beiträge kursierten auch in israelischen Medien sowie auf X, ehemals Twitter, Instagram und Tiktok, unter anderem auf Englisch, Französisch, Rumänisch, Tschechisch, Spanisch und Italienisch.
Auf X teilte auch der israelische Diplomat Ofir Gendelman die Behauptung. Er hat in der Vergangenheit unbasierte Informationen über angebliche „palästinensische Krisendarsteller“ verbreitet.
Das manipulierte Video verbreitet sich mehr als einen Monat nachdem Hamas-Kämpfer mit einem Angriff am 7. Oktober, bei dem nach israelischen Angaben etwa 1200 Menschen getötet und rund 240 Geiseln entführt und in den Gazastreifen gebracht wurden, einen umfassenden Krieg ausgelöst hatten. Die israelischen Luftangriffe und die Bodeninvasion haben nach Angaben des von der Hamas geführten Gesundheitsministeriums fast 15.000 Menschen in dem palästinensischen Gebiet getötet. Am 24. November 2023 trat offiziell eine viertägige Waffenruhe in Kraft, die inzwischen verlängert wurde.
Auch der Parlamentskomplex des Gebiets wurde Berichten zufolge teilweise zerstört. Das im Internet kursierende Video zeigt dies jedoch nicht, sondern eine Explosion in einem anderen Gebäude in Gaza.
Das Gaza-Parlament wurde beschädigt
Die israelische Armee erklärte am 14. November 2023, sie habe „das Hamas-Parlament, das Regierungsgebäude, das Hauptquartier der Hamas-Polizei und eine technische Fakultät, die als Institut für die Herstellung und Entwicklung von Waffen diente“, eingenommen.
In Artikeln und sozialen Medien veröffentlichte Bilder zeigen israelische Truppen im Gebäude des Palästinensischen Legislativrats in Gaza-Stadt (hier archiviert), wo die Hamas — die De-facto-Regierung des Gebiets — getagt hatte.
Die US-amerikanische „New York Times“ veröffentlichte Satellitenbilder, die zeigen, dass der Gebäudekomplex des Parlaments zwischen dem 14. und 15. November 2023 teilweise zerstört wurde, nachdem israelische Truppen ihn eingenommen hatten. Ein Tweet eines Journalisten der „New York Times“ zeigt den Ort.
CNN veröffentlichte einen ähnlichen Bericht und merkte an, dass der Sender nicht in der Lage sei, unabhängig zu bestätigen, ob die israelische Armee für die Zerstörung verantwortlich sei.
Aufnahmen aus einem palästinensischen Dorf
AFP konnte die Herkunft des kursierenden Videos nicht herausfinden, aber es wurde nicht in Gaza-Stadt aufgenommen.
Das Gebäude des Palästinensischen Legislativrats im Gazastreifen weist besondere architektonische Merkmale auf, darunter das Tor und die Kuppel — beide sind auf dem online geteilten Material nicht zu sehen. Das Parlament befindet sich außerdem in einer dicht bebauten städtischen Umgebung, während das Gebäude in dem Video in einer eher ländlichen Gegend zu stehen scheint.
Einige Nutzer der sozialen Medien wiesen darauf hin, das Video sei in dem Dorf Juhor ad Dik aufgenommen worden. Dies konnte AFP mithilfe von Geolokalisierungstechniken bestätigen.
Die sechs Türme und der Baum in den Aufnahmen stimmen mit den Merkmalen des Gebäudes auf online geteilten Satellitenbildern überein.
Juhor ad Dik befindet sich etwa sechs Kilometer vom Gebäude des Palästinensischen Legislativrats in Gaza-Stadt entfernt.
Am 28. November 2023 analysierte die „New York Times“ ein Video, welches am Vortag von der israelischen Armee aufgenommen wurde und Panzer zeigt, die „nach Westen in Richtung der Siedlung Juhor ad Dik“ fuhren. „In einem Gebiet mit einer ungefähren Länge von einer Meile (1,6 Kilometer) in Juhor ad Dik werden Gebäude bombardiert, darunter offenbar auch Häuser und Wohnhäuser“, berichtete die Zeitung.
Israels Luftangriffe im Gazastreifen haben nachweislich zahlreiche Moscheen, Kirchen, Wohnhäuser und Krankenhäuser beschädigt oder zerstört.
Fazit: Das Video stammt zwar aus dem Gazastreifen, zeigt allerdings nicht das Parlamentsgebäude in Gaza-Stadt. Dieses wurde zwar tatsächlich beschädigt, doch die Aufnahmen wurden stattdessen etwa sechs Kilometer entfernt in dem Dorf Juhor ad Dik aufgenommen. Das bestätigen Satellitenbilder.