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Nein, es gibt keinen neuartigen Mückenstich, der tödlich sein kann

Online wird bereits seit 2017 wiederholt das Foto eines geröteten Knies geteilt. Dieses soll angeblich den neuartigen Stich einer Mücke zeigen, der womöglich tödlich sei. Expertinnen und Experten aus Deutschland, Österreich, Frankreich und Belgien widerlegten die Beiträge gegenüber AFP. Eine neue Art tödlicher Mückenstich ist nicht bekannt. Die tatsächliche Urheberin des Fotos sprach zudem bei dessen Veröffentlichung nie von einer Todesgefahr. 

Zehntausende User haben das Foto des geröteten Knies im Mai 2023 auf Facebook geteilt. In den Beiträgen heißt es, das Bild zeige das Knie eines Mädchens, das am Vortag von einer Mücke gestochen worden sei. Das Knie sei schließlich rot angeschwollen. Das Mädchen habe sich schlapp und schläfrig gefühlt, woraufhin sie in die Notaufnahme gebracht worden sei. Dort habe man der Familie erklärt, es handele sich um eine neue Art Mückenstich, der schwere Infektionen hervorrufe. Angeblich hätte der Stich zum Tod geführt, hätte die Familie länger gewartet, so die Beiträge.

Die Beiträge rund um den Mückenstich wurden bereits 2021 in französischer Sprache in Belgien, Frankreich und Kanada verbreitet.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 30. Mai 2023

Bild stammt aus dem Jahr 2017

Die Geschichte hinter dem Bild ist bereits mehrere Jahre alt und hat sich nicht erst kürzlich zugetragen, wie in den online geteilten Beiträgen beschrieben.

Der Originalbeitrag mit dem verbreiteten Foto lässt sich mithilfe einer umgekehrten Bildsuche ausfindig machen. Dieser erschien erstmals am 16. März 2017 auf Facebook und wurde in den vergangenen sechs Jahren mehr als drei Millionen Mal geteilt.

Die Verfasserin des Beitrags, eine Mutter aus den USA, beschreibt darin, wie ihre Tochter von einer Mücke gestochen wurde, woraufhin ihr Knie schmerzte und anschwoll und sie schläfrig wurde. Aus Sorge habe sie die Tochter in ein Krankenhaus gebracht, wo ihr von einer neuen Art Mückenstich berichtet wurde, der eine Infektion verursache. Weiter schreibt sie: „Wenn wir noch länger gewartet hätten, wäre sie (die Infektion) in ihrem Blut gewesen“.

Von einem Todesrisiko ist allerdings an keiner Stelle die Rede, wie in den deutschsprachigen Veröffentlichungen behauptet wird. In den Kommentaren erklärte die Frau, dass ihre Tochter mit Antibiotika behandelt worden sei.

Facebook-Screenshot des Kommentars zum Original-Beitrag: 8. Juli 2021

Kein neuer tödlicher Mückenstich bekannt 

AFP befasste sich bereits 2021 mit der online zirkulierenden Behauptung. Auf Anfrage erklärte Sylvie Manguin, Forschungsleiterin am Institut für Entwicklungsforschung und medizinische Entomologin an der Universität Montpellier, am 7. Juli 2021, dass sie von keiner neuen Art von Mückenstich, der zu schweren Infektionen führen könnte, gehört habe.

„Die seit 2004 in Frankreich invasive Art ist die Tigermücke, die in 58 Departements vorkommt“, so Manguin. Deren Stich sei zwar in den meisten Fällen nicht gefährlich, aber „sie kann Dengue– oder Chikungunya-Fieber übertragen, wenn sie zuvor infizierte Personen gestochen hat“.

Im November 2020 hatte die Gesundheitsbehörde Santé publique France Ärzte in der Tat vor der Möglichkeit gewarnt, dass sich auch Personen, die nicht gereist waren, in Kontinentalfrankreich mit diesen beiden exotischen Krankheiten oder dem Zika-Virus infizieren könnten. „Eine Sensibilisierung der Reisenden ist unerlässlich, damit sie sich in den Reisegebieten vor Mückenstichen schützen und bei der Rückkehr aus diesen Gebieten (…) so schnell wie möglich einen Arzt aufsuchen, wenn sie auffällige Anzeichen aufweisen“, empfahl die Gesundheitsbehörde.

Dengue– und Chikungunya-Fieber sind zwei Krankheiten, die meist harmlos verlaufen und symptomatisch behandelt werden, in manchen Fällen aber zu Komplikationen führen können. So äußert sich das sogenannte „klassische“ Dengue-Fieber in grippeähnlichen Symptomen, während das sogenannte „schwere“ oder „hämorrhagische“ Dengue-Fieber weitaus schwerwiegender ist und in Asien und Lateinamerika „zu einer Hauptursache für Krankenhausaufenthalte und Todesfälle bei Kindern und Erwachsenen“ geworden ist, schreibt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf ihrer Website.

Bei dem online geteilten Foto scheint es sich laut Sylvie Manguin aber um keine der Krankheiten zu handeln: „Es sieht eher aus wie eine Allergie“, so die Forscherin. „Es kann auch ein Stich sein, der sich durch das Kratzen mit schmutzigen Fingernägeln, unter denen sich Bakterien verstecken können, superinfiziert hat“.

Bei manchen Menschen, die zu entzündlichen Überreaktionen neigen, könnten Mückenstiche auch anschwellen. Aber Fälle von Mückenstichen, die ins Krankenhaus führen können, seien in Frankreich „sehr selten“, versicherte Manguin: „Ich habe noch nie davon gehört“. Die Entomologin verwies zudem auf die Möglichkeit des Stichs eines anderen Insekts, zum Beispiel einer Wespe, die bei Allergikern ein Angioödem, also eine Schwellung der Unterhaut, auslösen könne.

Auch Wim Van Bortel, Entomologe am Institut für Tropenmedizin in Antwerpen (ITM), erklärte 2021 gegenüber AFP, ihm sei keine neue Art von Stich in Belgien bekannt: „Bei der letzten Kontrolle wurden in Belgien drei exotische Mücken gefunden. Die Arten Aedes koreicus (aus Korea kommend) und Aedes japonicus (aus Japan kommend) kommen in Belgien vor, verursachen aber keine Belästigung. Die Tigermücke wird regelmäßig gesichtet, hat sich aber noch nicht etablieren können“.

Isabel Brosius, Beraterin für Infektionskrankheiten am ITM, bestätigte ebenfalls, dass ein Krankenhausaufenthalt aufgrund eines Mückenstichs „äußerst selten“ sei. „Manche Menschen reagieren empfindlicher auf den Speichel bestimmter Mückenarten“, erklärte sie. „Wie stark die Reaktion ausfällt, hängt sowohl von der Person als auch von der Mücke ab. Es stimmt nicht, dass es eine bestimmte Mückenart gibt, die ausnahmslos bei allen Menschen sehr starke Schwellungen hervorruft.“

Um das Infektionsrisiko zu vermeiden, rät Isabel Brosius, sich so wenig wie möglich zu kratzen: „Wenn Sie eine Wunde aufkratzen, sollten Sie sie so schnell wie möglich desinfizieren. Wenn in den Stunden nach dem Stich eine Schwellung auftritt, ist es am besten, die Stelle zu kühlen. Dadurch wird die Reaktion der Haut beruhigt.“ Sollte kein Eis zur Verfügung stehen, könne ein Antihistaminikum zur Behandlung allergischer Symptome helfen. Sollte hingegen in den folgenden Tagen eine Schwellung auftreten, die schmerzhaft sei, könne es sich um eine Infektion handeln. „In diesem Fall sollten Sie Ihren Arzt aufsuchen“, rät Isabel Brosius.

Auf AFP-Anfrage erklärte zudem Hans-Peter Führer am 4. August 2021, Forscher am Institut für Parasitologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien, auch in Österreich gebe es nur ein relativ geringes Risiko bei Stechmücken. „Allerdings breitet sich die asiatische Tigermücke in Europa aus – und wurde auch bereits in Wien nachgewiesen. Diese kann Dengue, Chikungunya und Zika übertragen.“

Zu dem Foto erklärte Führer: „Auf Stechmücken reagiert man so eigentlich nicht. Auf Gnitzen und Simuliidae [Kriebelmücken, Anm. d. Red.} kann das passieren.“ Durch welche Mückenart die Schwellung hervorgerufen worden sei, ließe sich anhand des Stiches nicht sagen, es handele sich aber wohl um eine Sekundärinfektion durch Aufkratzen.

Problematische Mückenstiche gebe es in Österreich keine, so Führer. „Außer man kratzt sich blutig und holt sich Bakterien rein.“

Michael Ramharter, Leiter der Bernhard-Nocht-Ambulanz des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, erklärte am 26. Mai 2023 gegenüber AFP, die auf dem Foto zu sehende Schwellung erinnere eher an eine bakterielle Superinfektion. „Das ist selten, kann aber im Prinzip nach jedem Insektenstich passieren, wenn Keime in die Wunde gelangen. Eine neue Stechmückenart oder Mückenstichart ist uns nicht bekannt.“

Fazit: Es gibt hierzulande keine neue Mückenart, deren Stich besonders gefährlich ist. Das online geteilte Bild kursiert bereits seit 2017 im Netz. Die Verfasserin des Original-Beitrags sprach nie davon, dass der Stich potenziell tödlich sei. Von AFP kontaktierte Expertinnen und Experten erklärten ebenfalls, es sei keine neue tödliche Art von Mückenstich bekannt. Das Foto erinnere an eine Infektion.

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Wissenschaft, Gesundheit

Autor(en): Marie GENRIES / Saladin SALEM / AFP Belgien

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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