Nein, ukrainische Geflüchtete erhalten nicht 688 Euro Kindergeld pro Kind

„Nicht mal ich bekomme so viel als deutscher Staatsbürger“, kommentiert ein Nutzer ein Tiktok-Video, das knapp eine halbe Million Aufrufe verzeichnet. Darin wird behauptet, das Kindergeld für ukrainische Geflüchtete sei durch einen neuen Beschluss pro Kind auf 688 Euro erhöht worden. „Das wäre unverschämt“, heißt es weiter in den Kommentaren, manche fragen wütend: „Warum sind ihre Kinder mehr wert als unsere?“

Der Account, der das Video verbreitet, liefert trotz mehrfacher Nachfragen in den Kommentaren keine Quelle für seine Behauptung. Auch wir konnten keine Belege für die genannte Summe finden, es handelt sich um eine Falschmeldung. Aus der Ukraine geflüchtete Eltern erhalten genauso viel Kindergeld in Deutschland wie alle anderen auch, nämlich 250 Euro pro Kind.

Behauptungen wie diese sind kein Einzelfall: Immer wieder wird im Netz mit Falschbehauptungen zu Sozialleistungen – wie etwa dem Bürgergeld oder einem angeblichen Bonus beim Jobcenter – Stimmung gegen Geflüchtete gemacht.

Screenshot eines Tiktok-Videos mit der Behauptung
In diesem Tiktok-Beitrag wird fälschlicherweise behauptet, das Kindergeld für ukrainische Geflüchtete sei pro Kind auf 688 Euro erhöht worden (Quelle: Tiktok; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)


Bundesagentur für Arbeit: Kindergeld in Höhe von 688 Euro ist eine Falschmeldung

Im Video ist das Wasserzeichen eines anderen Tiktok-Accounts zu erkennen: „locke.hamburg“. Er scheint demnach Ursprung der Behauptung gewesen zu sein, ist aktuell jedoch nicht mehr aufrufbar. Mehrere Tiktok-Accounts verbreiteten die Behauptung jedoch anschließend weiter.

Bei den Beiträgen in Sozialen Netzwerken handele es sich „klar um eine Falschmeldung“, schreibt Olga Schwalbe von der Bundesagentur für Arbeit auf unsere Nachfrage. Die Familienkasse, die zur Bundesagentur für Arbeit gehört, zahle seit dem 1. Januar 2023 „250 Euro pro Kind und Monat“. Auch das Bundesfinanzministerium, das für das Kindergeld zuständig ist, schreibt uns auf Anfrage: „​​Ein Anspruch auf Kindergeld in Höhe von 688 Euro pro Kind im Monat ist im deutschen Recht nicht vorgesehen.“ Das Kindergeld sei einheitlich für jedes Kind im Einkommensteuergesetz geregelt. Dort steht – wie auch im Bundeskindergeldgesetz – der Betrag von 250 Euro pro Monat pro Kind.

Die Erhöhung des Kindergeldes zu Beginn des Jahres wurde vom Bundestag beschlossen. Auf dessen Webseite finden sich seitdem keine neuen Beschlüsse zur Höhe des Kindergelds.

Eltern, die aus der Ukraine geflohen sind, haben unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf Kindergeld

Wie das Bundesfamilienministerium und die Bundesagentur für Arbeit auf ihren Webseiten erklären, können Eltern, die aus der Ukraine geflohen sind, unter folgenden Bedingungen Kindergeld erhalten: Der antragstellende Elternteil hat eine Aufenthaltserlaubnis, die eine Arbeitserlaubnis für mindestens sechs Monate umfasst und hält sich in Deutschland auf. Auch das Kind muss sich in Deutschland, einem EU-Mitglied, dem Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten. Kein Kindergeld gibt es, wenn vergleichbare Leistungen, zum Beispiel aus dem Ausland, schon bezogen werden.

Eltern, deren Einkommen nicht oder nur knapp für die gesamte Familie reiche, könnten zusätzlich Anspruch auf Kinderzuschlag haben, schreibt Schwalbe von der Bundesagentur für Arbeit. „Dieser beträgt bis zu 250 Euro monatlich pro Kind und wird mit dem Kindergeld ausgezahlt.“ Selbst mit dem Kinderzuschlag, der allen Leistungsberechtigten in Deutschland zusteht, kann man demnach maximal auf 500 Euro pro Kind pro Monat kommen.

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Sophie Timmermann, Steffen Kutzner

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Information der Bundesagentur für Arbeit für ukrainische Geflüchtete: Link
  • Themenseite Kindergeld des Familienportals, Bundesfamilienminister: Link
  • Paragraph 6 des Bundeskindergeldgesetzes: Link
  • Paragraph 66 des Einkommenssteuergesetzes: Link
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Politik, Ukraine

Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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