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Saharastaub besteht nur zu kleinem Teil aus Aluminiumoxid

Im Frühjahr 2024 konnte man in Deutschland Saharastaub beobachten. In einem vielfach geteilten Video (hier oder hier / Video hier) in den sozialen Netzwerken wird nun über die Zusammensetzung des Staubes diskutiert. Die Userinnen und User fragen sich: «Wie kommt 50% Aluminiumgehalt in einen Sahara-Staub?» Denn ein im Clip aufgeführter Labortest soll beweisen, dass in dem Staub mehr als 50 Prozent Aluminium und rund 38 Prozent Zink enthalten sind. Doch wer alle angegebenen Prozentwerte addiert, hat am Ende ein Problem.

Bewertung

Reines Aluminium kommt in Saharastaub nicht vor. Auch in oxidierter Form macht es nur einen geringen Anteil aus. Der Laborbescheid ist aus verschiedenen Gründen fragwürdig, die darauf basierende Rechnung geht nicht auf.

Fakten

Saharastaub in der mitteleuropäischen Luft ist nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) kein seltenes Phänomen. Dabei werden Teilchen in der größten Trockenwüste der Welt in Nordafrika aufgewirbelt und vom Wind Tausende Kilometer nach Norden getragen – vor allem im Frühjahr.

Benjamin Deutsch und Hannes Hörtnagel beschäftigen sich in ihrem Youtube-Kanal «Investinbest», der sich auch als «Das Wahrheitsprojekt» bezeichnet, mit diesem Phänomen. In ihrem Video, das auf verschiedenen Plattformen zu finden ist, erzählen sie, dass ein Mitglied ihrer Community den Saharastaub untersucht habe, und blenden bei Minute 3:40 einen Laborbescheid ein.

Welche Person oder welches Labor diesen Test durchgeführt hat, wird im Video nicht klar. Auch auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) wollten sich Deutsch und Hörtnagel dazu nicht äußern, übermittelten jedoch das Analyse-Ergebnis. Das ungenannte Community-Mitglied hatte offenbar mit einem Tuch den Glastisch auf einem Balkon abgewischt und den damit aufgenommen Saharastaub vom 10.04.2024 mit einem Röntgenfluoreszenz-Analysegerät untersucht.

Testung von Experten kritisch gesehen

Einiges spricht für eine unprofessionelle Probennahme: «Die Werte für Zink, Kupfer und Blei sind sehr hoch und könnten darauf hindeuten, dass die Probe noch andere Dinge enthielt außer des Original-Saharastaubs», ordnet Professor Herrmann, Leiter der Abteilung Chemie der Atmosphäre am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) ein.

Die Nutzung eines Röntgenfluoreszenz-Analysegerät hingegen wäre üblich. «Das ist eine gängige Technik», erklärte Herrmann. «Mit Röntgenstrahlung werden die verschiedenen Metallatome in einer Probe angeregt und geben die aufgenommene Energie als längerwellige Fluoreszenzstrahlung wieder ab.»

Die Person konnte verschiedene Elemente entdecken. Aufgeführt werden neben Zink, Kupfer und Blei auch Aluminium, Silizium, Phosphor, Mangan, Eisen, Nickel, Selen, Zinn und Bismut. Die Angabe erfolgt in Prozent. «Die Werte sind in ihren Verhältnissen untereinander grob realistisch, jedoch sicherlich nicht in den Werten», warnt Dr. Bryan Hellack vom Umweltbundesamt. Und: «Das hier verwendete Gerät ist ein sogenanntes Handheld-Gerät, was man nutzt, um Elemente zu identifizieren, aber nicht um die Menge zu quantifizieren.»

Deutsch und Hörtnagel heben im Video besonders das Vorkommen von Zink mit fast 38 Prozent und Aluminium mit über 50 Prozent hervor. Die Elemente werden als Stoffe bezeichnet, die Wasser aus der Natur ziehen und zur Austrocknung der Erde führen. Die Analyse beweise somit, dass vertrocknende Wälder keine Folge des Klimawandels sind, sondern das Ergebnis dieses Naturphänomens.

Elemente nur in oxidierter Form

Allerdings ist bei den aufgeführten Werten Vorsicht geboten, wie Harald Elsner von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) der dpa erklärt. Er weiß, dass die Elemente in Saharastaub üblicherweise in ihrer Sauerstoffform und nicht in metallischer Form vorkommen.

Entsprechend handelt es sich beispielsweise nicht um Aluminium, sondern um Aluminiumoxid, was laut DWD und TROPOS auch tatsächlich in Saharastaub zu finden ist. Mit dieser Herleitung ist auch der hohe Wert von 88 Prozent, der für Silicium aufgeführt ist, nicht verwunderlich. Hier dürfte es sich um Siliciumdioxid handeln, was der Hauptbestandteil von Sand ist und häufig in Quarz vorkommt – also genau der Stoff, aus dem laut DWD der Saharastaub hauptsächlich besteht.

Addition angeblicher Prozentwerte ergibt mehr als 100

Elsner hat aber auch eine Erklärung für die hohen Aluminium- und Zinkwerte, die ihm zufolge so in der Natur nicht vorkommen. Der Experte vermutet den Fehler in der Maßeinheit: Der Laborbescheid führt alle Elemente in Prozent auf. Die erhöhten Werte passen seiner Ansicht nach jedoch besser zur Einheit parts per million (ppm), vereinfacht gesagt also Gramm pro Tonne. Konsequenterweise hätten die für «Aluminium» angegebenen 50.123 ppm also in Prozent umgerechnet werden müssen. Entsprechend wären im Saharastaub gerade einmal fünf Prozent Aluminiumoxid enthalten.

Das entspricht bereits stärker den Einschätzungen führender Wissenschaftler. So schreibt der DWD: «Chemisch besteht Saharastaub überwiegend aus Quarz», gefolgt von den Aluminosilikaten, Eisenoxiden, Kalzit und Gips. Das Aluminium kommt dabei «typischerweise in oxidierter Form» vor und ist lediglich eine «Beimengung». Zu den sogenannten Aluminosilikaten zählen nämlich auch andere Minerale, wie Ton oder Kaolinit.

Elsners These wird zudem von simpler Mathematik gestützt. Addiert man alle im Laborbescheid angegebenen Prozentwerte auf, so kommt man schnell auf weit über 100 Prozent. Die 88 Prozent für das Siliciumdioxid dürften noch stimmen. Bei einigen anderen chemischen Elementen kann man annehmen, dass sie in ppm angegeben sind. Erst wenn man die Werte neu in Prozent umrechnet, geht die Rechnung auf.

Keine Gefahr durch Saharastaub

Final ist noch zu sagen, dass sich die Aluminium-Verbindungen im Saharastaub kaum auf die Natur auswirken dürften. Das Umweltbundesamt beschreibt diese Form von Verbindung als sehr fest: «Damit ist das Aluminium erstmal, auch weil Aluminiumsilikate nicht wasserlöslich sind, fest eingebunden und kann nicht mit seiner Umwelt interagieren».

Auch der Experte von TROPOS erklärt, dass das Aluminium nicht frei, sondern in einem anorganischen Makromolekül eingebaut ist: «Um die Metalle aus diesem oxidischen Mischkristall freizusetzen, muss man chemisch massiv werden, zum Beispiel durch Säureeinwirkung.» Somit kann Saharastaub nicht als Beweis gegen den menschengemachten Klimawandel eingesetzt werden.

Das Video schneidet dann noch weitere, schon vielfach widerlegte Behauptungen zum WHO-Vertrag, zu sogenannten Chemtrails und zur Wettermanipulation an.

(Stand: 09.05.2024)

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Wissenschaft, Verbraucher, Umwelt

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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