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Todesstrafe in der EU auch in Ausnahmefällen abgeschafft

Immer noch gibt es einige Länder auf der Welt, die Todesstrafen vollstrecken. Die Europäische Union gehört nicht dazu. Im Netz wird nun aber behauptet, die Europäische Union habe sich durch den Vertrag von Lissabon eine Hintertür offen gelassen, um im Falle eines «Aufstandes» oder im Kriegsfall die Todesstrafe wieder einführen zu können. Stimmt das?

Bewertung

Falsch. Die Europäische Menschenrechtskonvention und die EU-Grundrechtecharta verhindern eine Wiedereinführung der Todesstrafe, auch im Kriegsfall. Zudem hätte die Europäische Union gar nicht die Kompetenz, eine solche Maßnahme wieder einzuführen.

Fakten

Im Jahr 1982 wurde zum ersten Mal die Abschaffung der Todesstrafe in einem europäischen Rahmen festgeschrieben. Der Europarat verabschiedete Protokoll 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Darin heißt es: «Die Todesstrafe ist abgeschafft. Niemand darf zu dieser Strafe verurteilt oder hingerichtet werden». 2003 wurde sie um Protokoll 13 erweitert, das die Todesstrafe unter allen Umständen abschafft, auch im Kriegsfall.

Der Vertrag von Lissabon, der Ende 2009 in Kraft trat, verleiht der EU volle Rechtspersönlichkeit. Damit hat sie die Möglichkeit, internationale Verträge in den ihr zugewiesenen Zuständigkeitsbereichen zu unterzeichnen oder einer internationalen Organisation beizutreten.

Der Facebook-Post behauptet, die Europäische Union hätte Protokoll 13 der EMRK nicht mit in den Lissabon-Vertrag aufgenommen, um sich im Kriegsfall die Möglichkeit einer Wiedereinführung offen zu halten.

EU fehlt Zuständigkeit

Doch nur weil das Protokoll 13 nicht Teil des Lissabon-Vertrags ist, heißt dies nicht, die Europäische Union könnte die Todesstrafe einfach wieder einführen. Ihr fehlt schlicht die Kompetenz. Die EU hat ausschließliche und geteilte Kompetenzen, also solche, die ihr einen exklusiven Regelungsbereich zuweisen und solche, die gemeinsam mit den Mitgliedstaaten verantwortet werden.

In Bezug auf die Todesstrafe kann die EU keine Vorgaben zur Ausgestaltung ihres Strafrechts machen. Das bestätigt auch Walther Michl, Professor für Öffentliches Recht an der Universität der Bundeswehr München, der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auf Anfrage. Die Behauptung, die EU könne die Todesstrafe wieder einführen, entbehre «jeder Grundlage».

Die EU-Kommission äußerte sich bereits 2008 zu dem Vorwurf, die Europäische Union könne die Todesstrafe im Kriegsfall wieder einführen. Sie bezieht sich in einer Antwort auf eine Anfrage aus dem EU-Parlament auf die EU-Grundrechtcharta, die eine Wiedereinführung verbietet.

Auch Stefan Oeter, Rechtswissenschaftler an der Universität Hamburg, sieht keine Möglichkeit, dass die Todesstrafe durch die EU nach heutiger Rechtsprechung wieder eingeführt werden könnte. Auf dpa-Anfrage betont er ebenfalls, dass die Grundrechtecharta der EU ein ausdrückliches Verbot der Todesstrafe festlegt. Insofern gebe es auch keine Lücke, die eine Wiedereinführung ermöglichen würde, so Oeter.

EU-Grundrechtscharta verbietet Todesstrafe

Anders als die Europäische Menschenrechtskonvention, die auch in anderen europäischen Ländern wie der Türkei oder Georgien Anwendung findet, gilt die Grundrechte-Charta ausschließlich in EU-Staaten. Tatsächlich verbietet auch die EU-Grundrechtscharta die Todesstrafe. In Artikel 2, Absatz 2 heißt es: «Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden.»

Dies gilt auch für die Ausnahme im Kriegsfall aus Protokoll 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention, da die Charta einen über die EMRK hinausgehenden Schutz zulässt. Im Übrigen ist das Zusatzprotokoll Nr.13 der Europäischen Menschenrechtskonvention von allen Mitgliedstaaten der EU unterzeichnet worden. Im Anwendungsbereich der Charta kann die Todesstrafe daher keinesfalls wieder eingeführt werden.

Unabhängig von Richtlinien der Europäischen Union ist auch in der deutschen Rechtsprechung die Todesstrafe abgeschafft. Artikel 102 des Grundgesetzes regelt die ausnahmslose Abschaffung bereits seit Inkrafttreten des Grundgesetzes im Jahr 1949. Auch völkerrechtlich hat sich die Bundesrepublik durch den UN-Zivilpakt verpflichtet die Todesstrafe vorbehaltlos abzuschaffen.

(Stand: 22.2.2023)

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Politik, Gesellschaft, EU

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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