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Trockenheit am Bodensee im Jahr 1540 widerlegt nicht den menschengemachten Klimawandel

Der Klimawandel ist menschengemacht, darüber ist sich die Mehrheit der Klimaforschenden einig. Dennoch verweisen User online immer wieder auf Ereignisse, die die Rolle des Menschen beim Klimawandel infrage stellen. So wird eine angebliche Meldung des Schweizer Bundesamts für Meteorologie und Klimatologie verbreitet, wonach bereits 1540 der Bodensee ausgetrocknet sei, ohne dass es damals Flugzeuge und Autos gab, die CO2 ausstießen. Die Behörde dementierte die Meldung jedoch gegenüber AFP. Der See trocknete zwar tatsächlich in Teilen aus, die menschliche Klimabeeinflussung lässt sich dadurch aber nicht widerlegen.

Hunderte Nutzerinnen und Nutzer haben seit Anfang August 2022 die Behauptung zur Geschichte des Bodensees auf Facebook geteilt.

Die Behauptung: Auf einem Bild soll eine vermeintliche Meldung von MeteoSchweiz, dem Schweizer Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie, zu sehen sein. Diese scheint auf Zeitungspapier gedruckt abfotografiert worden zu sein. Demnach sei der Bodensee im Jahr 1540 ausgetrocknet. Wasserbrunnen seien bewacht worden. Dabei wird auf die Rolle von CO2 verwiesen. „Wo waren 1540 die Flugzeuge und Autos!?“

Facebook-Screenshot der Behauptung: 10.08.2022

User stellen immer wieder die Existenz des menschengemachten Klimawandels infrage. Auch historische Ereignisse wie ein außergewöhnlich niedriger Pegelstand der Elbe im Jahr 1904 werden dafür als Argumente genutzt. AFP widerlegte diese und andere Behauptungen, wonach die Erderwärmung natürlich und nicht ungewöhnlich sei oder dass für die Klimaerwärmung nicht der Mensch, sondern die Sonne oder Veränderungen in der Erdumlaufbahn verantwortlich seien. Auch die aktuell verbreiteten Postings bezweifeln anhand eines einzelnen Extremwetterereignisses die Rolle des Menschen für die globale Erderwärmung. AFP sammelt Faktenchecks zum Thema Klima hier.

MeteoSchweiz dementiert die Meldung

Auf AFP-Anfrage erklärte am 11. August 2022 eine Sprecherin des Schweizer Bundesamts für Meteorologie und Klimatologie, MeteoSchweiz, die geteilte Meldung stamme nicht von der Behörde. Welche Zeitung oder welches Medium die vermeintliche Meldung verbreitete, sei MeteoSchweiz nicht bekannt.

Weiter erläuterte die Sprecherin, dass im Jahr 1540 nicht von einer vollständigen Austrocknung des Bodensees gesprochen werden könne. „Die Austrocknung des Bodensees innerhalb eines Trockensommers ist physikalisch nicht machbar. Auch mehrere extreme Trockensommer beziehungsweise Trockenjahre in Folge reichen dafür nicht.“

Was geschah im Jahr 1540?

Stefan Brönnimann, Leiter der Gruppe für Klimatologie am Geographischen Institut der Universität Bern, bestätigte am 10. August gegenüber AFP, dass der Bodensee tatsächlich im Jahr 1540 in Teilen austrocknete, allerdings nicht vollständig. „Der Spiegel des Bodensees muss sehr tief gewesen sein, der Boden kam an vielen Stellen zum Vorschein.“

Auch die Angaben zur Verfügbarkeit von Wasser aus der vermeintlichen MeteoSchweiz-Meldung scheinen Brönnimann plausibel. In Mitteleuropa habe damals eine elf Monate dauernde Dürreperiode geherrscht. „Das war ein Jahrtausendereignis,“ erläuterte Brönnimann. Dass Treibhausgase wie CO2 für den heutigen Klimawandel irrelevant wären, lasse sich aus diesem historischen Ereignis aber nicht ableiten.

Die Trockenheit des Bodensees sei im damaligen Klima ein extrem seltenes Ereignis gewesen, erklärte Brönnimann. „Heute sind heiße und trockene Sommer in Mittel- und Südeuropa schon fast normal geworden.“ Das Beispiel des Bodensees zeige die verheerenden Auswirkungen eines solchen Klimaereignisses. „Solche Ereignisse werden mit dem Klimawandel häufiger werden.“

Über den Auslöser der Dürreperiode im Jahr 1540 ist sich Brönnimann aber nicht sicher: „Ein besonderer auslösender Faktor ist nicht bekannt. Tatsächlich können solche Ereignisse zufällig entstehen, nur war deren Wahrscheinlichkeit früher viel geringer als heute. Und die Wahrscheinlichkeit wird weiter zunehmen.“

Das Schweizerische Nationalmuseum veröffentlichte ebenfalls einen Artikel über die Trockenheit von 1540. Darin heißt es, das Jahr sei ein meteorologischer Extremfall gewesen. Weiter wird erläutert:

„Die Hitze staute sich über Mitteleuropa und das Hoch stabilisierte sich über Monate hinweg. Die Flüsse trockneten aus. Im Jahrhundertsommer 2003 führte der Rhein noch etwa die Hälfte der normalen Wassermenge. 1540 waren es 10 bis 15 Prozent. Sogar in Basel gelangte man zu Fuß ans andere Ufer. Am Rheinfall war es gespenstisch ruhig. Und am dramatisch verkleinerten Bodensee suchten die Leute auf dem trockenen Seegrund nach römischen Münzen.“

Eine Studie der ETH Zürich aus dem Jahr 2016 kam ebenfalls zu dem Schluss, dass die Dürre im Jahr 1540 im Zusammenhang mit überdurchschnittlichen Sommertemperaturen in Mitteleuropa stand. Ein weiterer wissenschaftlicher Artikel von Forschenden der Universität Bern aus dem Jahr 2014 bekräftigt, dass die Niederschlagsmenge von 1540 extrem gering war. „Dieses Ergebnis wird durch unabhängige dokumentarische Belege über extrem niedrige Flussläufe und europaweite Wild-, Wald- und Siedlungsbrände gestützt.“

Trockenheit nimmt bedingt durch den Klimawandel zu

AFP überprüfte ähnliche Behauptungen zu historischen Extremwetterereignissen bereits in der Vergangenheit. Dabei betonte unter anderem Matthias Mauder, Professor für Meteorologie an der Technischen Universität Dresden, am 3. Juni 2022, es sei generell nicht haltbar, aus Einzelereignissen auf eine Veränderung des Klimas zu schließen. Wetter ist der Zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt, während Klima eine Zusammenfassung des Wetters über einen langen Zeitraum meint.

Auch Uwe Grünewald, ehemaliger Universitätsprofessor für Hydrologie und Wasserwirtschaft an der TU Cottbus, lieferte in einem Beitrag aus dem Jahr 2021 einen Überblick über Dürre- und Trockenperioden der letzten 2000 Jahre in Europa. Für diese gebe es nicht nur meteorologische und klimatologische Ursachen, auch der vom Menschen verursachte Landnutzungswandel spiele eine Rolle. Dazu zählen etwa Entwaldung, Flächenversiegelung und der Verlust von Mooren. Erklärungen für Niedrigwasser, die auf nur eine Ursache zurückgehen, würden damit ebenfalls zu kurz greifen.

Das Umweltbundesamt sieht die Abnahme der Bodenfeuchte in Deutschland als Prozess, der vom Klimawandel beeinflusst wird. Vor allem Teile Ostdeutschlands und des Rhein-Main-Gebiets seien betroffen. So heißt es im Monitoringbericht für das Jahr 2019, in den vergangenen Jahrzehnten habe sich ein Trend zunehmender Hitze-Extrema abgezeichnet.

Auch die Helmholtz-Klima-Initiative schreibt online, die in Deutschland beobachtete Zunahme aufeinanderfolgender Trockentage sei eine Folge des Klimawandels. Laut Helmholtz-Klima-Initiative würde eine globale Erwärmung um weitere drei Grad Celsius beispielsweise „für Teile Südwestdeutschlands gegenüber dem Zeitraum 1971 bis 2000 eine Verdoppelung der Zeiten unter Dürre bedeuten“.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) schrieb im Juli 2022: „In Deutschland waren fast alle Frühjahre seit 2009 zu trocken. Auch in den nächsten drei Monaten könnte in großen Teilen Europas Trockenheit auftreten.“ Je nach Ausmaß der globalen Erwärmung würden die Niederschläge im Mittelmeerraum abnehmen. In Zukunft bestehe im Sommer die Gefahr des vermehrten Ausdehnens von Trockenheit auf Mitteleuropa.

Der Klimawandel ist menschengemacht

Die derzeit beobachtete Erderwärmung lässt sich nach wissenschaftlichem Kenntnisstand eindeutig auf den Menschen zurückführen. Der Weltklimarat IPCC veröffentlicht regelmäßig Berichte, die in der Wissenschaftsgemeinschaft als zuverlässige und anerkannte Quelle zur globalen Erwärmung angesehen sind. Im ersten Teil des am 9. August 2021 veröffentlichten sechsten Sachstandsberichts hieß es: „Es ist eindeutig, dass der Einfluss des Menschen die Atmosphäre, Ozeane und die Landflächen erwärmt hat.“

MeteoSchweiz erklärte gegenüber AFP: „Die heute verfügbaren physikalischen Berechnungen zeigen, dass ab etwa Mitte des 20. Jahrhunderts beim globalen Temperaturanstieg die menschliche Klimabeeinflussung durch Treibhausgase klar sichtbar ist. Gemäß dem aktuellen Wissen wäre die globale Temperatur in den letzten Jahrzehnten mehr oder weniger stabil geblieben oder hätte sich periodisch sogar leicht abgekühlt, wenn nur die natürlichen Faktoren Einfluss hätten.“ Die gemessene globale Erwärmung sei der deutlich sichtbare Fußabdruck der menschlichen Klimabeeinflussung.

Treibhausgase wie CO2 verursachen dabei den globalen Temperaturanstieg. Das Bundesumweltamt erklärt den Treibhauseffekt so: Vom Menschen erzeugte Treibhausgase wie Kohlenstoffdioxid (CO2) sammeln sich in der Erdatmosphäre. Kohlenstoffdioxid entsteht etwa beim Verbrennen von Kohle, Erdgas oder Öl. Treibhausgase sind durchlässig für kurzwellige Sonnenstrahlung, absorbieren jedoch langwellige Wärmestrahlung. Durch den stetigen Anstieg der Treibhausgaskonzentration in der Erdatmosphäre seit der Industrialisierung verringert sich die ins All abgegebene Wärmestrahlung, wodurch sich das Erdsystem aufwärmt.

Zahlreiche Metastudien, also Studien, die systematisch die internationale Forschungslage zusammenfassen, kommen zu dem Schluss, dass der Einfluss des Menschen für die Erderwärmung verantwortlich ist. Eine solche Studie aus dem Jahr 2013 überprüfte 11.944 Arbeiten, die zwischen 1991 und 2011 zum Thema Erderwärmung erschienen sind. Von den untersuchten Studien waren sich 97 Prozent einig, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht ist.

Fazit: Im Jahr 1540 erlebte Mitteleuropa eine mehrmonatige Dürre. Im Zuge dessen trocknete der Bodensee tatsächlich in Teilen aus. Eine entsprechende Meldung stammt aber nicht von MeteoSchweiz, wie die Behörde gegenüber AFP dementierte. Zudem wird der menschengemachte Klimawandel durch das Ereignis nicht infrage gestellt. Dieser wird durch die Emission von Treibhausgasen wie CO2 vorangetrieben.

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Umwelt

Autor(en): Saladin SALEM, AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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