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«Turbokrebs» ist kein medizinischer Begriff

Die Covid-Impfung soll Menschen vor einer schweren Erkrankung bewahren. Doch in sozialen Medien wird verbreitet, dass zurückgegangene Krebstumore angeblich «seit der Impfung leider wieder aufflammen, aufgrund der Schädigung ihres Immunsystems durch die COVID-Impfung». Tumore seien so groß wie nie, daher würden sie als «Turbokrebs» bezeichnet. Ist an diesem angeblichen Phänomen etwas dran?

Bewertung

Für die Behauptung gibt es keine Belege. «Turbokrebs» ist keine medizinische Diagnose oder Bezeichnung. Onkologen empfehlen Krebspatienten ausdrücklich eine Impfung, weil Erkrankte «ein besonders hohes Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 haben».

Fakten

Der Begriff «Turbokrebs» ist ein Laienbegriff, keine bekannte medizinische Bezeichnung. Es finden sich keine Einträge auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO). Geprägt wurde dieser Begriff von einem Rechtsanwalt auf einer Pressekonferenz namens «Pathologie-Konferenz». Er weist selbst darauf hin, dass dieses Wort nicht medizinisch gebräuchlich ist: «Turbokrebs, so nenne ich es mal, ist eine Erfindung von mir, ist also nicht unter medizinisch korrekter Bezeichnung segelnd, aber sehr einprägsam, denke ich» (ab Minute 3:03).

Unter dem Namen «Pathologie-Konferenz» wurden bereits mehrfach Falschinformationen über eine vermeintliche Gefahr durch den Covid-Impfstoff verbreitet. Fachexperten weisen die Behauptungen zurück. Was dagegen gut wissenschaftlich dokumentiert ist und weiterhin überwacht wird, ist die Wirksamkeit und Sicherheit der Covid-Impfstoffe.

Ein angeblicher Anstieg von Tumorbefunden in Folge der Impfung ist der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) nicht bekannt. «Wenn das ein echtes Problem wäre, hätten wir das bemerkt», sagte die Jenaer Professorin Marie von Lilienfeld-Toal, Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft für Infektionen in der DGHO, der dpa bereits im Januar 2022. «Wir finden keine erhöhte Rate von Rückfällen.» Auf Anfrage bestätigte sie im Januar 2023: «Die Einschätzung der DGHO hat sich nicht geändert.»

Auch in anderen Ländern beobachten Fachleute keinen Zusammenhang zwischen der Covid-Impfung und angeblich gehäuften aggressiven Krebserkrankungen. Das teilten medizinische Einrichtungen und Forscher aus Kanada, den USA und Frankreich Faktencheckern der Nachrichtenagenturen AFP und Reuters mit.

Möglich sei aber, dass Tumore später entdeckt und behandelt werden, weil die laufende Pandemie zu einem eingeschränkten Gesundheitssystem führt. Diese Vermutung werde noch von Forscherinnen und Forschern geprüft. «Wir gehen davon aus, dass einige Patientinnen und Patienten aufgrund der Pandemie verzögert mit Krebserkrankungen oder Rückfällen in ärztliche Behandlung gekommen sind. Einige dieser Erkrankungen waren dann schon im fortgeschrittenen Stadium», sagte die Onkologin von Lilienfeld-Toal. Von diesem negativen Effekt seien auch Geimpfte betroffen. «Diese Fälle haben aber nichts mit der Impfung zu tun.»

Die wissenschaftliche Fachgesellschaft weist darauf hin, dass Krebspatienten «ein besonders hohes Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 haben». Deswegen werde ihnen vorrangig eine Impfung empfohlen. Auch eine Auffrischimpfung empfiehlt die DGHO. «Es gibt keine krebsspezifischen Kontraindikationen gegen eine Covid-19-Impfung», schreibt die DGHO. Eine Kontraindikation meint einen medizinischen Umstand, der explizit gegen eine bestimmte Behandlung sprechen würde.

(Stand: 01.02.2023)

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Wissenschaft, Corona, Gesundheit

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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