Unruhen in Frankreich entfachen Desinformation und Fremdenfeindlichkeit in der EU

Nach dem Tod von Nahel Merzouk, einem 17-jährigen Jugendlichen, der am 27. Juni in der Nähe von Paris von einem Polizeibeamten getötet wurde, kam es in Frankreich, insbesondere in der Region Paris, zu Unruhen. Es kursierten Videos und Bilder, die angeblich die Unruhen in Frankreich zeigten, in Wirklichkeit aber Jahre vor den Unruhen an ganz anderen Schauplätzen aufgenommen wurden. Die irreführenden Inhalte verbreiten sich in der gesamten EU.

Zu diesem Ergebnis kommt das monatliche Briefing des EU-weiten EDMO-Faktencheck-Netzwerks. Dazu beigetragen haben 22 Faktencheck-Organisationen, die im Juli 2023 insgesamt 1.122 Faktenchecks veröffentlicht haben.

Clickbaiting mit alten und nicht mit der Situation zusammenhängenden Inhalten ist ein bekanntes Phänomen, unter anderem wurde es auch während der Proteste gegen Corona-Maßnahmen oder nach den Erdbeben in der Türkei und Syrien im Februar 2023 betrieben. Dieses Mal wurde die Desinformation zudem noch mit islamfeindlichen und fremdenfeindlichen Botschaften gekoppelt, wie auch eine kürzlich durchgeführte EDMO-Analyse festgestellt hat.

Die am weitesten verbreiteten Falschinfos in der EU im Juli

Neben der Desinformation über die Unruhen in Frankreich waren die am weitesten verbreiteten Falschmeldungen in der EU im Juli laut der beteiligten Faktencheck-Organisationen:

  • Das Logo der Rainforest Alliance (ein Frosch) soll darauf hinweisen, dass die damit gekennzeichneten Lebensmittel Impfstoffe oder Insekten enthalten
  • Ein Labor von Bill Gates in Kolumbien erstellt angeblich gentechnisch veränderte Moskitoarten
  • Die Tochter des ukrainischen Verteidigungsministers soll eine Villa in Cannes gekauft haben
Neues Desinformationsnarrativ in Bezug auf den Ukraine-Krieg

Von den insgesamt 1.122 analysierten Beiträgen befassten sich 143 (11%) mit Desinformation über den Krieg in der Ukraine, der gleiche Wert wie im Juni und Mai. Insbesondere ukrainische Flüchtlinge waren wie in den Vormonaten vor allem in Osteuropa immer wieder Zielscheibe von Falschnachrichten. Im Juli tauchte aber auch ein neues Desinformationsnarrativ auf, was wahrscheinlich in den nächsten Monaten noch an Bedeutung gewinnen wird: Die Bekanntgabe des ukrainischen Präsidenten Selenskyjs, dass die ursprünglich für Oktober 2023 und März 2024 angesetzten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen verschoben würden, löste eine neue Welle von unbegründeten Anschuldigungen aus, dass er die Ukraine in eine Diktatur verwandeln wolle. Die Verschiebung der Wahlen ist aber lediglich eine unvermeidliche Folge des nach der russischen Invasion verhängten Kriegsrechts.

Auch der Anteil an Desinformation über Covid-19 (5%) und über den Klimawandel (9%) blieb stabil. Leicht rückläufig war der Anteil an Desinformation über die Europäische Union, der mit 4% nach einem Anstieg im Juni wieder auf das Niveau im Mai zurückging.

Falschinformationen auf dem nationalen Level

In Bulgarien wurden im Juli Falschmeldungen im Zusammenhang mit den schweren Waldbränden verbreitet: Athen soll Moskau um Hilfe gebeten haben und Russland soll daraufhin ein Löschflugzeug geschickt haben.

In Spanien kursierte die Behauptung, das EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Wahlkampf für die spanischen Parlamentswahlen am 23. Juli 2023 den Kandidaten der sozialistischen Partei unterstütze und den Mitte-Rechts-Kandidaten kritisiert habe.

In Belgien zirkulierte ein Video, das angeblich eine halbe Million Flüchtlinge auf ihrem Weg von Libyen nach Italien zeigte.

In Schweden kursierten zwei Fotos, die mit einem Abstand von 100 Jahren aufgenommen wurden und zeigen sollen, dass der Meeresspiegel nicht ansteigt.

Anteil an KI-generierter Desinformation nimmt ab

KI-generierte Desinformation machte im Juli nur noch 2% der insgesamt aufgedeckten Desinformation aus (25 Artikel von 1.122). Im Juni, Mai und April war ein Anteil von 4% festgestellt worden. Es ist möglich, dass das Interesse an dieser Technologie bereits nachlässt und/oder dass ein erhöhtes Bewusstsein der Öffentlichkeit für KI-generierte Bilder Verbreiter von Desinformation abhält, sie zu verwenden.

Methodik

Die in diesem Briefing enthaltenen Informationen wurden mittels eines Fragebogens erhoben, der an die Mitgliedsorganisationen des EDMO-Faktencheck-Netzwerks geschickt wurde. Bezugszeitraum: 1. bis 31. Juli 2023. Anzahl der Befragten: 22. Hauptherausgeber dieses Dokuments: Tommaso Canetta und Enzo Panizio, Pagella Politica/Facta.

Organisationen, die zu diesem Briefing beigetragen haben: 15min, AFP, Delfi, Demagog.cz, DPA, Eesti Päevaleht, EFE Verifica, Ellinika Hoaxes, Factcheck Vlaanderen, Faktabaari, FranceTV, Funky, Knack, Lakmusz, Maldita, PagellaPolitica/Facta, Pravda, Re:Baltica, The Journal Fact-Check, TjekDet, VerificaRTVE, VRTNWS.

Das ausführliche Briefing in Englisch mit weiteren Informationen zu Falschinformationen in verschiedenen EU-Staaten finden Sie hier.

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