Bewertung
Schaut man nur auf die deutsche Stromerzeugung, dann liegt der Anteil der Windkraft um die 30 Prozent. Ein Vergleich der Windkraft zum gesamten Energieverbrauch in Deutschland ist hingegen irreführend, weil dieser Gesamtwert durch viel ineffizientere Energieträger wie Kohle oder Autokraftstoffe in die Höhe getrieben wird.
Fakten
Zunächst ist nicht eindeutig zu entscheiden, was die Verbreiter des Social-Media-Posts genau unter «Energiebedarf» verstehen. Ist der Anteil der Windkraft am Stromverbrauch in Deutschland gemeint, dann liegt die behauptete Zahl von 3,2 Prozent meilenweit entfernt vom tatsächlich viel höheren Wert. Ist mit 3,2 Prozent hingegen der Anteil am sogenannten Primärenergiebedarf gemeint, wie es vor Jahren schon einmal in einem Interview (kostenpflichtig) beziffert wurde, dann passt der Vergleich hinten und vorne nicht. Aber der Reihe nach.
Windkraft hat am Strom einen Anteil von gut 30 Prozent
Wichtigster Energieträger bei der Stromerzeugung war 2024 mit einem Anteil von 31,5 Prozent die Windkraft, wie das Statistische Bundesamt am 12. März 2025 mitteilt. Von den 431,5 Milliarden Kilowattstunden Strom, die hierzulande produziert wurden, kamen 136,0 Milliarden von Windrädern.
Die in den Stromnetzen verfügbare Strommenge lag mit 457,8 Milliarden Kilowattstunden noch etwas darüber, da darin noch der Importüberschuss (Differenz zwischen Strom-Im- und -Exporten) eingerechnet ist. Nimmt man diesen Wert als Ausgangspunkt, dann liegt die heimische Windkraft bei 29,7 Prozent der verfügbaren Strommenge.
Auch die Übersicht des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme zeigt für 2024: Der Anteil der Onshore-Anlagen an der öffentlichen Stromerzeugung lag bei 25,4 Prozent, die der Offshore-Anlagen bei 5,9 Prozent. Für die ersten rund drei Monate 2025 (Stand 24. April) liegen die Zahlen entsprechend bei 22,3 und 5,6 Prozent.
Richtig ist, dass es in Deutschland rund 30.000 Windenergieanlagen gibt. Nach Angaben des Bundesverbandes Windenergie waren es Ende 2024 28.766 Onshore-Anlagen an Land (S. 5) und 1.639 Offshore-Anlagen auf dem Meer (S. 3).
Argumentation mit Primärenergiebedarf ist irreführend
Die Windkraft nicht in Bezug zur Stromproduktion, sondern zum gesamten Energieverbrauch in Deutschland zu setzen, führt in die Irre. In diesem Primärenergieverbrauch enthalten ist nicht nur der Stromverbrauch, sondern auch der Energiebedarf etwa von Heizungen, Industrieanlagen und Verbrennungsmotoren.
Denn Primärenergien sind alle Energien, die ohne vorherige Umwandlung in ihrer Ursprungsform vorhanden sind, also etwa Energie, die im Wind, in Braunkohle oder Erdgas steckt. Primärenergieträger sind häufig nicht direkt nutzbar, sondern müssen einen Umwandlungsprozess durchlaufen, um am Ende als Licht einen Raum zu erhellen, als Wärme Gebäude zu heizen oder als mechanische Energie Fahrzeuge anzutreiben. Auf dem Weg dahin geht einiges an der ursprünglichen Energie verloren. Zwei Beispiele:
- Der elektrische Wirkungsgrad der deutschen Braunkohlekraftwerke lag 2023 nach Angaben des Umweltbundesamtes bei weniger als 40 Prozent. Das heißt: Mehr als die Hälfte der eingesetzten Primärenergie der Braunkohle ging als Wasserdampf, der aus Kühltürmen austritt, verloren, nur der Rest stand als Strom zur Verfügung. Es ist allerdings durchaus möglich, einen Teil der Abwärme für Fernwärme nutzbar zu machen.
- Verbrennermotoren bringen nur einen Teil der Energie im Kraftstoff als Bewegung auf die Straße. Ein Großteil verpufft als Wärme. Bei einem Dieselmotor liegt dem Tüv Nord zufolge der Wirkungsgrad bei etwa 45 Prozent, bei einem Benziner selbst unter optimalen Bedingungen bei gerade etwa 30 bis 35 Prozent. Der Rest wird wirkungslos an die Umwelt abgegeben.
Das heißt: Ein großer Teil der Primärenergie geht auf dem Weg zwischen Gewinnung, Umwandlung, Verteilung und Anwendung verloren – je nach Träger unterschiedlich viel.
Wirkungsgrad von Windkraft bei 100 Prozent
Die Wirkungsgrad von Windkraft (wie auch von Wasserkraft und Photovoltaik) wird beim Primärenergieverbrauch mit 100 Prozent angenommen (hier und hier). 2024 hatten nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (S. 6) die erneuerbaren Energien einen Anteil von 20,0 Prozent am Primärenergieverbrauch.
Das heißt: Gerade weil viel Energie (Strom, Wärme, Verkehr) mit ineffizienteren, fossilen Energieträgern erzeugt wird, ist der gesamte Primärenergieverbrauch hoch. Bei einem höheren Einsatz effizienter nutzbarer, erneuerbarer Energien würde sich der Gesamtwert des Primärenergieverbrauchs wegen der Vermeidung von Umwandlungsverlusten verringern.
Die Denkfabrik Agora Energiewende geht in ihrer Studie «Klimaneutrales Deutschland 2045» von 2021 (S. 20) davon aus, dass sich der deutsche Primärenergieverbrauch bis 2050 von 13.000 auf rund 6.500 Petajoule halbieren muss, um die Klimaziele zu erreichen.
Auch bei Bruttoendenergieverbrauch liegt Windkraft höher
Neben dem Primärenergieverbrauch gibt es noch den Faktor des Bruttoendenergieverbrauchs. Dieser umfasst alle Arten des Endenergieverbrauchs der Verbraucher (inklusive Strom, Fernwärme, Kraftstoffe und Brennstoffe für Wärmeerzeugung) plus die Eigenverbräuche der Kraftwerke und Leitungsverluste.
Nach ersten vorläufigen Berechnungen für das Jahr 2024 wurden 22,4 Prozent des deutschen Bruttoendenergieverbrauchs mit erneuerbaren Energien gedeckt. Davon wiederum stammen 27 Prozent aus Windenergie.
Etwa 80 Prozent des Bruttoendenergieverbrauchs machen Kraftstoffe für den Verkehr und Brennstoffe für die Wärmeerzeugung aus. Dem Umweltbundesamt zufolge müssen diese beiden Bereiche zukünftig stärker in den Fokus für Erneuerbare rücken, um die deutschen Energie- und Klimaziele zu erreichen.
(Stand: 25.4.2025)