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Video zeigt Landschaft in China, keine Erdspalte in der Türkei

Vor einem Monat haben schwere Erdbeben die Südosttürkei und den Nordwesten Syriens erschüttert. Mehr als 50 000 Menschen sind dabei ums Leben gekommen, diverse Gebäude wurden beschädigt oder stürzten ein. Im Netz sollen neue Bilder nun weitere Folgen der Naturkatastrophe zeigen: Facebook-Nutzer teilen ein Video und behaupten, dass es das «Aufbrechen der Erdkruste nach dem Erdbeben in Hatay» zeigen würde. Darin ist eine Luftaufnahme einer Schlucht zu sehen, die an die San-Andreas-Verwerfung im US-Bundesstaat Kalifornien erinnert. Doch zeigt der Clip eine Erdspalte in der Türkei?

Bewertung

Die Behauptung ist falsch: Die Bilder kursieren mindestens seit November 2022 im Netz. Sie zeigen eine von Bodenerosionen geprägte Landschaft in China. Mit den schweren Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet hat die Aufnahme nichts zu tun.

Fakten

Mithilfe von Bilderrückwärtssuchen lässt sich ein chinesisch-sprachiger Beitrag bei Youtube finden. Das Video wurde am 4. November 2022 hochgeladen und enthält Szenen, die auch in dem verbreiteten Facebook-Clip zu sehen sind. Ab Minute 00:24 ist etwa in dem Youtube-Video exakt die Kameraperspektive zu sehen, die im Facebook-Clip als dritte Einstellung eingeblendet wird (ab 00:05).

Das Bildmaterial existierte also schon, bevor die schweren Erdbeben die türkisch-syrische Grenzregion erschütterten. Es kann somit keine durch die Beben entstandene Veränderung an der Erdoberfläche zeigen.

Doch was ist in dem Video zu sehen?

Der Titel des Youtube-Videos in chinesischer Sprache gibt dazu einen Hinweis: Es geht um eine Schlucht in Pinglu, einem Bezirk in der Provinz Shanxi in Nordchina.

Mit Satellitenbildern von Google Maps und Google Earth lässt sich der genaue Standort der Schlucht bestimmen. Ein Abgleich ergibt: Mehrere Details aus dem Video, wie etwa ein Gebäude direkt an der Schlucht oder der Straßenverlauf, lassen sich auch auf den Satellitenbildern wiederfinden.

Weitere Suchen zu der Schlucht führen zu einem Beitrag vom 2. November 2022 auf Douyin, dem Äquivalent in China zum sozialen Netzwerk Tiktok. Die auf Douyin veröffentlichte Aufnahme zeigt bei Minute 00:09 eine Szene, die in dem Facebook-Clip spiegelverkehrt und in niedrigerer Auflösung zu sehen ist (ab 00:03).

Erosionen prägen das Landschaftsbild bei Pinglu

Zeigt das Video dann also eine Art chinesische San-Andreas-Verwerfung? Nein, denn die Entstehung der beiden Erdspalten hat unterschiedliche Gründe. Die San-Andreas-Verwerfung ist tatsächlich eine Bruchzone in der Erdkruste, an der zwei tektonische Platten – die pazifische und die nordamerikanische Platte – aufeinandertreffen.

Die Schlucht in der Nähe von Pinglu und die dortige Landschaft sind hingegen auf Flusserosion zurückzuführen, wie Geologen gegenüber der amerikanischen Nachrichtenagentur AP erklärten. Damit sind Abtragungen des Bodens durch Wasser, etwa bei Niederschlägen, gemeint. Die Region Pinglu liegt auf dem sogenannten Lössplateau, das vom Huang He («Gelber Fluss») durchflossen wird. Das Lössplateau weist unterschiedliche Eigenschaften auf, die es für solche Erosion anfällig machen. Im Laufe der Zeit sind so gewaltige Erosionsschluchten entstanden, die auch zu einer hohen Sedimentbelastung des «Gelben Flusses» geführt haben.

(Stand: 9.3.2023)

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Gesellschaft, Katastrophen

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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