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WEF will Kaffeekonsum nicht einschränken

Auf dem Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos in der Schweiz im Januar 2024 wurde der CO2-Ausstoß der Kaffeeproduktion erörtert – dabei wurden auch Forderungen nach umweltfreundlicheren Anbaumethoden geäußert. Anders als in sozialen Medien in mehreren Sprachen behauptet, wurde jedoch in keinster Weise über eine vermeintliche Einschränkung des Kaffeekonsums debattiert. Die früheste Version dieser falschen Behauptung, die AFP ausfindig machen konnte, stammt von einer US-amerikanischen Website, die bereits zuvor Verschwörungsmythen über das WEF veröffentlicht hat.

„Davos Forum erklärt dem Kaffee den Krieg: nicht mehr als 2-3 Tassen pro Tag, weil das zur globalen Erwärmung führt“, lautet der Titel eines Videos, das am 27. Januar 2024 von einer Moderatorin des rumänischen Radiosenders Gold FM auf Facebook gepostet und seitdem fast 300 Mal geteilt wurde. Dasselbe Video wurde auch auf anderen Plattformen geteilt, unter anderem auf TikTok und YouTube.

Ähnliche Behauptungen, dass „laut dem Weltwirtschaftsforum Kaffeetrinkerinnen und Kaffeetrinker sich in Zukunft auf zwei oder drei Tassen Kaffee pro Jahr beschränken müssen“, wurden auch in Artikeln wie beispielsweise hier oder hier geteilt, darunter auch in einem Beitrag des  Senders Gold FM.

Die Postings verweisen auf ein Video einer Podiumsdiskussion bei dem Treffen des WEF im Januar 2024 in Davos, in dem ein Redner den CO2-Ausstoß des Kaffeeanbaus erläutert. Eine Überprüfung der Aufzeichnung dieser Sitzung zeigt jedoch, dass dabei nicht über Pläne zur Einschränkung oder gar zum Verbot von Kaffeekonsum gesprochen wurde.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 29. Februar 2024

Falsche Behauptung geht auf US-Website zurück

Die falsche Behauptung kursierte auf EnglischSlowakischTschechisch und Niederländisch. Auf Polnisch behaupteten Nutzerinnen und Nutzer sozialer Medien sogar, das WEF werde Kaffee vollkommen verbieten.

AFP führte eine Suche mit englischen Schlüsselwörtern wie „coffee“ und „World Economic Forum“ durch und stieß dabei auf einen Artikel, der am 22. Januar 2024 auf der US-amerikanischen Website The People’s Voice veröffentlicht wurde. Der Titel des Artikels lautet übersetzt: „WEF erklärt dem Kaffee den Krieg: ‚Nicht mehr als 2 oder 3 Tassen pro Jahr'“.

Dies ist die früheste Version der falschen Behauptung über Pläne zur Einschränkung des Kaffeekonsums, die AFP ausfindig machen konnte.

In dem Artikel ist auch ein Beitrag auf X enthalten, der auf einen Videoclip eines Redebeitrages bei dem Treffen des WEF verweist. Der Beitrag ist kommentiert mit „Jetzt kommen sie und nehmen euch euren Kaffee weg“. In dem Redebeitrag wird jedoch nichts von vermeintlichen Plänen zur Eingrenzung oder zum Verbot von Kaffeekonsum gesagt.

Screenshot des irreführenden Artikels von The People’s Voice: 4. März 2024

AFP hat bereits früher falsche Behauptungen überprüft, die von The People’s Voice veröffentlicht wurden – wie etwa, dass das Weltwirtschaftsforum zur Tötung von Katzen und Hunden aufgerufen habe, um den Klimawandel zu bekämpfen, oder dass die Tochter von Klaus Schwab „Klima-Lockdowns“ angekündigt habe. The People’s Voice wurde der Liste an Websites, die irreführende und falsche Behauptungen teilen, hinzugefügt.

In dem Artikel über Kaffee wird ebenfalls behauptet, das WEF wolle beispielsweise auch Fleisch- und Milchprodukte für „tabu“ erklären. AFP hat ähnliche Behauptungen untersucht und festgestellt, dass sie falsch sind – wie etwa, dass einige Städte in den USA ein Versprechen unterzeichnet hätten, Fleisch zu verbieten, oder dass das WEF plane, Fleisch- und Milchprodukte in smarten Städten bis 2030 zu begrenzen.

Das WEF ruft nicht zur Einschränkung des Kaffeekonsums auf

Einmal im Jahr findet in Davos ein Treffen des Weltwirtschaftsforums statt – Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und anderen Bereichen treffen zusammen, um über globale Herausforderungen zu diskutieren. Die diesjährige Veranstaltung fand vom 15. bis 19. Januar 2024 statt und wurde unter anderem von US-Außenminister Antony Blinken und der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, besucht.

Bei einer Suche auf der offiziellen Website des WEF fand AFP das von The People’s Voice erwähnte Podiumsgespräch gefunden. Dieses fand am 17. Januar 2024 statt und trug den Titel „Putting a Price on Nature“. Dabei wurde erörtert, wie Ökologie und Ökonomie besser integriert und wie Naturschutzbemühungen mit Entwicklungszielen in Einklang gebracht werden können.

Einer der Rednerinnen und Redner war Hubert Keller, Senior Managing Partner einer unabhängigen Schweizer Bankengruppe. Bei Minute 24:37 der Diskussion sprach er über die Auswirkungen von Kaffee auf die Umwelt. Die Aussage, die in den irreführenden Online-Posts verwendet wird, lautet folgendermaßen:

„Kaffee ist wirklich interessant, weil er nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine ökologische Dimension hat, die ein wichtiges Glied in der Produktionskette ist. In Bezug auf die ökologische Dimension, so stößt der Kaffee, den wir alle trinken, zwischen 15 und 20 Tonnen CO2 pro Tonne Kaffee aus – das sollten wir alle wissen. Jedes Mal, wenn wir Kaffee trinken, geben wir also CO2 in die Atmosphäre ab“, sagte er.

Er fügte hinzu, dass der größte Teil des Kaffees in Monokulturen angebaut werde, was ebenfalls zum Klimawandel beitrage, und „die Qualität dieser Ressourcen verschlechtert sich rapide“, betonte er.

Keller schlug vor, von der Monokultur der Kaffeeproduktion zu einem „regenerativen“ Anbaumodell überzugehen, das auch die biologische Vielfalt schütze.

„Das würde dazu führen, dass sich die Kaffeeplantagen vollständig regenerieren und positiv auf die Natur auswirken – so wird ein besserer Wert für ein Gut geschaffen (…), ohne dass die Verbraucher mehr für ihren täglichen Kaffee bezahlen“, schlussfolgerte er.

Nirgendwo in seiner dreiminütigen Rede erwähnte Keller ein Verbot oder eine Reduzierung des Kaffeekonsums und er gab auch keine Ratschläge für die Menge an Kaffee, die man konsumieren solle.

Einen Tag zuvor sprach Keller bei einer Veranstaltung seines Unternehmens in Davos über nachhaltigen Kaffeeanbau und erwähnte auch hier nicht die Reduzierung oder das Verbot von Kaffeekonsum.

Auch auf der Website des WEF gibt es keine entsprechende Erklärung oder Medienmitteilung.

Der CO2-Fußabdruck von Kaffee

Nach Wasser und Tee ist Kaffee das am dritthäufigsten konsumierte Getränk der Welt. Der CO2-Fußabdruck der Kaffeeproduktion hängt von verschiedenen Faktoren wie Anbaumethoden, Verarbeitungsmethoden, Transport und Verpackung ab.

Die Rodung von Land für Kaffeeplantagen ist beispielsweise mit der Abholzung von Wäldern verbunden, wodurch große Mengen an CO2 freigesetzt werden. Auch die Kaffeeverarbeitung erfordert Energie, die oft aus fossilen Brennstoffen stammt. Außerdem werden die Kaffeebohnen häufig über lange Strecken von den Farmen zu den Exportzielen und schließlich zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern transportiert.

Laut dem Kohlenstoffemissionsrechner der BBC verursacht eine Tasse Kaffee pro Tag 155 Kilogramm Treibhausgasemissionen pro Jahr – was etwa einer Autofahrt von 640 Kilometer entspreche.

Kaffee, der mit weniger nachhaltigen Methoden produziert wird, stößt so viel Kohlenstoff aus wie Käse, wobei der CO2-Fußabdruck nur halb so groß ist wie der von Rindfleisch. Und das alles, bevor man Kuhmilch hinzufügt, die die Umweltbelastung noch erhöht.

Screenshot der CO₂-Fußabdruck-Grafik von der Carbon Brief Website: 6. März 2024

In einer 2020 veröffentlichten Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des UCL Earth Science heißt es, dass jedes Jahr weltweit mehr als 9,5 Milliarden Kilogramm Kaffee produziert werden und dass sich diese Menge bis 2050 verdreifachen soll. In der Studie werden verschiedene Maßnahmen zur Verringerung des ökologischen Fußabdrucks der Kaffeeproduktion vorgeschlagen, darunter der Ersatz von chemischen Düngemitteln durch organische Abfälle und die Nutzung erneuerbarer Energien. Durch die Röstung der Kaffeebohnen im Herkunftsland wird auch ihr Gewicht reduziert, sodass Fahrzeuge „weniger Treibstoff für den Transport der gleichen Menge Kaffee verbrauchen“.

Durch den Kauf von Bio-Kaffee werden synthetische Pestizide und Düngemittel vermieden, wodurch der Boden, das Wasser und die biologische Vielfalt geschützt werden, während faire Handelspraktiken eine gerechte Entlohnung der Landwirtinnen und Landwirte gewährleisten. Weitere Möglichkeiten zur Förderung eines umweltfreundlichen Kaffeekonsums sind die Entscheidung für kuhmilchfreie Alternativen und wiederverwendbare Becher sowie der Kauf von Kaffee aus lokaler Produktion.

Das WEF ist regelmäßig Zielscheibe abstruser Desinformation, darunter die Falschbehauptungen, es verbiete die Bibel, fördere Pädophilie und sage, dass bis 2030 alle Babys „im Labor gezüchtet“ werden sollten.

Fazit: Behauptungen, nach denen das Weltwirtschaftsforum Menschen vorschreiben wolle, wie viel Kaffee sie konsumieren dürften, oder dass Kaffee verboten werden solle, sind falsch – derartige Aussagen wurden weder bei dem Jahrestreffen in Davos getroffen, noch stehen sie sonst in irgendeinem Zusammenhang mit dem Weltwirtschaftsforum.

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Wirtschaft, Verbraucher

Autor(en): Natalia SAWKA / Lisa-Marie ROZSA / AFP Österreich / AFP Polen

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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