Auf einem Gipfeltreffen im Oktober 2024 bekräftigte der russische Präsident Wladimir Putin Bemühungen, die Abhängigkeit vom US-Dollar im internationalen Handel verringern zu wollen. Online kursierte daraufhin ein Foto mit der irreführenden Behauptung, Putin habe eine neue „Brics-Währung“ auf dem Gipfel präsentiert. AFP konnte jedoch nachweisen, dass das Foto von Putin mit einer Banknote in der Hand zwar authentisch, der Geldschein jedoch nicht echt ist. Laut Fachleuten drängt Putin tatsächlich auf ein neues Finanzsystem, das den internationalen Handel in lokalen Währungen fördert – nicht jedoch auf eine neue Währung.
„Putin hält die neue BRICS-Währung bereits in seinen Händen“, heißt es in einem X-Post vom 24. Oktober 2024. Dazu teilte der User ein Foto des russischen Präsidenten mit einer Banknote in der Hand, sowie zwei weitere Bilder, die jeweils die Vorder- und Rückseite eines bunten Geldscheins zeigen. Darauf zu sehen sind mehrere Länderflaggen.
Ähnliche Behauptungen wurden auch auf Facebook und Telegram verbreitet. Ein Facebook-Nutzer behauptete dazu, die gezeigten Geldscheine seien eine digitale, goldgedeckte Währung mit bereits festgelegtem Wechselkurs: „Der aktuelle Wert von 1 BRICS beträgt 17,98 EUR.“
Auch in anderen Sprachen wurden die identischen Bilder vielfach verbreitet. Ein englischsprachiger X-Post vom 23. Oktober 2024 wurde beispielsweise fast 6000 Mal geteilt.
„Brics“ ist eine Abkürzung für die ehemaligen Schwellenländer und Kernmitglieder des sogenannten Brics-Blocks Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Dieser wurde später um weitere Schwellenländer erweitert, zuletzt um Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emiraten im Januar 2024.
Die online kursierenden Fotos einer angeblichen „Brics-Währung“ wurden zeitgleich mit dem 16. Gipfeltreffen der Brics-Staaten verbreitet, das vom 22. bis 24. Oktober 2024 in der russischen Stadt Kasan stattfand. Vertreterinnen und Vertreter aus 36 Ländern und sechs internationalen Organisationen kamen dabei zusammen.
Wenige Stunden vor Abschluss des Gipfels veröffentlichten die Brics-Staaten ein 33-seitiges Dokument (hier archiviert) mit dem Titel „Erklärung von Kasan“. Das Dokument skizziert die Visionen der Staaten über globale Regierungsführung, wirtschaftliche Entwicklung und internationale Zusammenarbeit.
Die Behauptung, Putin habe während des Treffens einen Geldschein einer neuen Währung präsentiert, ist jedoch irreführend.
Keine neue Währung der Brics-Staaten
AFP hat die 134 Unterpunkte der Erklärung von Kasan gesichtet und konnte keinen Beschluss über eine neue Währung darin finden. Unter Punkt 65 wurde dazu aufgerufen, ein alternatives Zahlungssystem zu entwickeln, das es den Mitgliedsstaaten ermöglichen soll, grenzüberschreitende Geschäfte in lokalen Währungen abzuwickeln:
„Wir fördern die Stärkung von Korrespondenzbanknetzwerken innerhalb der Brics und ermöglichen Abrechnungen in Landeswährungen im Einklang mit der Brics-Initiative für grenzüberschreitende Zahlungen (BCBPI), die freiwillig und unverbindlich ist, und freuen uns auf weitere Diskussionen in diesem Bereich, auch in der Brics-Arbeitsgruppe für Zahlungen“, heißt es dort. Von einer „Brics-Währung“ ist keine Rede.
Authentisches Bild, falsche Schlussfolgerungen
Mithilfe einer umgekehrten Bildsuche konnte AFP nachweisen, dass das Foto von Putin mit einem Geldschein in der Hand tatsächlich authentisch ist. Die Ergebnisse führten zu einer offiziellen Bildersammlung des Brics-Gipfels. Dort findet sich dasselbe Bild, welches online mit der irreführenden Behauptung kursierte – neben weiteren Bildern aus anderen Blickwinkeln.
„Der russische Präsident Wladimir Putin nach dem Treffen der Delegationsleiter der Brics-Staaten in erweiterter Zusammensetzung im Rahmen des 16. Brics-Gipfels in Kasan“, lautet die Übersetzung der russischsprachigen Bildunterschrift. Es wird jedoch nicht erwähnt, was Putin in der Hand hielt.
AFP hatte über den Brics-Gipfel berichtet und den Moment fotografisch festgehalten, in dem Putin von einem Gipfelteilnehmer die besagte „Banknote“ überreicht bekam. Putin hielt sie danach in einer unbeschwerten Geste dem indischen Premierminister Narendra Modi entgegen.
Russische Medien berichteten, dass Putins Pressesprecher Dmitri Peskow beim Brics-Gipfel Nachfragen von Journalistinnen und Journalisten zu diesem vermeintlichen „Brics-Geldschein“ beantwortete. Laut Peskow habe Putin eine selbst gedruckte Banknote als „symbolische Banknote“ von „einem unserer Leute bekommen – entweder von der Industrie- und Handelskammer oder von jemand anderem“.
Der Geldschein wurde auch von russischen staatlichen Nachrichtenagenturen als „Spielgeld“ oder „symbolisches Geld“ bezeichnet.
Russlands Ausschluss aus internationalem Zahlungssystem
Aufgrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine wurden einige der wichtigsten russischen Banken vom globalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen. Daraufhin hatte Russland seine inländische Finanzinfrastruktur zunehmend ausgebaut: Mit dem sogenannten SPFS-System (kurz für System for Transfer of Financial Messages) für Banküberweisungen und dem Mir-System für Kartenzahlung.
Die Brics-Staaten haben ebenfalls Alternativen zu internationalen Finanzinstitutionen wie der Weltbank in Betracht gezogen. Moskau forderte die Brics-Staaten dazu auf, ein gemeinsames Zahlungssystem einzuführen und die Verwendung der nationalen Währungen der Mitglieder für den Handel zu erhöhen, um sich vom US-Dollar zu lösen. Doch bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels wurde keine Währungsalternative angekündigt oder gar eingeführt.
Während des Brics-Gipfels 2024 beschuldigte Putin die USA, den US-Dollar „als Waffe“ einzusetzen. Agathe Demarais, Senior Policy Fellow bei der Denkfabrik European Council on Foreign Relations, erklärte auf AFP-Nachfrage am 1. November 2024 per E-Mail: „Auf dem Brics-Gipfel wurde keine neue Währung vorgestellt. Russland versucht, ein Finanzsystem durchzusetzen, das die Zentralbanken der Brics-Länder miteinander verbindet, damit sie digitale Währungen austauschen können.“
Wiederkehrende Falschbehauptungen über neue Währung
Behauptungen über die Einführung einer neuen „Brics-Währung“ kursierten wiederholt in sozialen Medien. Während des Brics-Gipfels 2023 in Südafrika wurden ebenfalls Fotos einer angeblich neuen Währung online verbreitet – sowohl in Form von Banknoten als auch als Kryptowährung. Diese wurden fälschlicherweise als offizielles Zahlungsmittel der Brics-Mitgliedsstaaten beschrieben, oder als Mustervorlage einer neuen Banknote bezeichnet. Unabhängige Faktencheck-Organisationen hatten diese Behauptungen widerlegt.
Die Fotos der angeblichen Banknote, die im Jahr 2023 kursierten, ähneln jedoch dem Exemplar, mit dem Putin 2024 in Kasan fotografiert wurde. Der Geldschein von 2023 war jedoch mit „100“ bedruckt, während es sich bei dem Exemplar von 2024 um einen Schein mit dem aufgedruckten Wert „50“ handelte:
Am 6. September 2023, wenige Tage nach dem Ende des Brics-Gipfels 2023, überreichte der russische Botschafter in Südafrika, Ilja Rogatschew, dem Leiter der diplomatischen Vertretung der Vereinigten Arabischen Emirate, Mahash Saeed Alhameli, „eine symbolische Banknote“ einer fiktiven Brics-Einheitswährung mit einem Nennwert von 100. Laut Rogatschew sei sie in Russland produziert worden.
Das Souvenir wurde während eines Empfangs in der Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate in Pretoria, der Verwaltungshauptstadt Südafrikas, überreicht, um den Status des Landes als eines der neuen Brics-Mitgliedsländer zu würdigen.
Fazit: Online kursierende Behauptungen, der russische Präsident Putin habe bei einem Gipfeltreffen im Oktober 2024 eine neue Währung der Brics-Staaten vorgestellt, sind irreführend. Putin hielt auf authentischen Fotos zwar einen symbolischen Geldschein in der Hand, doch es wurden keinerlei Pläne für eine neue Währung vorgestellt.