Zwei Monate vor der Europawahl war der Anteil der Desinformation über die EU so hoch wie noch nie seit Beginn des EDMO-Monitorings im Mai 2023. Auch der Anteil der Desinformation über den Krieg im Nahen Osten ist im April stark angestiegen. Im Vergleich zum März hat er sich fast verdreifacht, was auf den Angriff des Irans auf Israel und den mutmaßlichen israelischen Vergeltungsschlag gegen den Iran zurückzuführen ist. Im April kursierten auch mehr Falschmeldungen über das Klima als im Vormonat. Neben dem Leugnen der Klimakrise und dem Leugnen der Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf das Klima, wurden Maßnahmen gegen die globale Erwärmung als unwirksam, dumm oder gefährlich dargestellt. Die Zahl der Falschmeldungen ging zwar leicht zurück, aber ihre Verbreitung war dennoch nach wie vor massiv.
Zu diesem Ergebnis kommt das monatliche Briefing des EDMO-Netzwerks. Die 36 Organisationen, die dazu beigetragen haben, veröffentlichten im April 2024 insgesamt 1.716 Faktenchecks. Von diesen Beiträgen beschäftigten sich 185 (11%) mit dem Klimawandel, 188 (11%) mit der EU, 169 (10%) mit dem Krieg im Nahen Osten, 167 (10%) mit der Ukraine, 100 (6%) mit Covid-19, 87 (5%) mit Migration und 37 (2%) mit LGBTQ+ und Genderfragen.
Falschinformationen über die EU und die Ukraine
Oft wurde in der analysierten Desinformation die Europäische Union mit der Ukraine in Verbindung gebracht. So waren wie bereits im März auch im April verstärkt Falschinformationen über die Beteiligung der EU oder ihrer Mitgliedsstaaten an Bodenoperationen in der Ukraine zu beobachten. Es wurde beispielsweise fälschlicherweise behauptet, dass französische Truppen in der Ukraine eingetroffen seien, dass Reservisten und EU-Bürger in den Krieg geschickt würden, dass bereits Militäroffiziere und Soldaten der EU-Mitgliedstaaten in der Ukraine getötet worden seien, dass EU-Mitgliedsstaaten Phosphorbomben an die ukrainische Armee liefern oder sich auf die Mobilisierung vorbereiten würden.
Andere Falschbehauptungen über die EU zielten auf deren Politik und Gesetze ab. Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels, insbesondere der Green Deal, wurden als ungerecht und autoritär dargestellt. Aber auch andere Gesetze und Maßnahmen wurden thematisiert. Während in Rumänien zum Beispiel behauptet wurde, dass die EU das Land verpflichten wolle, Migrant:innen aufzunehmen (und ihnen Wohnraum und andere Einrichtungen zur Verfügung zu stellen), kursierte in Frankreich die Falschmeldung, dass 80 Prozent der Gesetze des Landes auf EU-Rechtsvorschriften basierten und in Irland die Falschinformation, dass die EU-Kommission gefordert habe, die nationalen Parlamentswahlen zu verschieben, um die Verabschiedung bestimmter Gesetze vor einem möglichen Regierungswechsel zu gewährleisten.
Weitere Desinformationsnarrative zur Ukraine
Weitere Falschmeldungen über die Ukraine im April konzentrierten sich vor allem darauf, das Land auf moralischer Ebene anzugreifen. So waren unter anderem Behauptungen im Umlauf, in denen es hieß, dass die ukrainische Regierung Kinder an Pädophile im Westen verkaufe und eine Ukrainerin die „World Sex Championship“ gewonnen habe.
Andere Falschinformationen zielten auf ukrainische Geflüchtete ab, übertrieben die militärischen Schwierigkeiten der Ukraine oder behaupteten, dass sich die ukrainische Regierung am Krieg bereichere.
Die am weitesten verbreiteten Falschbehauptungen im April
Die Falschmeldung, dass der ukrainische Präsident Selenskyj eine Villa des britischen Königshauses gekauft habe, gehörte zu den am weitesten verbreiteten Falschbehauptungen in diesem Monat.
Weitere waren:
- Die jüngsten heftigen Überschwemmungen in Dubai seien durch die Strahlung der Haarp-Anlage in den USA, Cloud-Seeding (eine Methode zur Erhöhung der Niederschlagsmenge), Geoengineering oder Chemtrails verursacht worden.
- Übertreibungen der Krise zwischen Israel und dem Iran. Dabei wurden auch alte und unzusammenhängende Inhalte verwendet, um Angst vor einer Eskalation des Konflikt zu schüren.
- Das gefälschte Cover der französischen Zeitschrift „L’Hémicycle“, auf dem Macron als gerupfter Hahn dargestellt wird.
Falschinformationen mit nationalem Schwerpunkt
In Bulgarien kursierte die Falschmeldung, dass das nationale statistische Amt Daten manipuliere, damit Bulgarien die Kriterien der Eurozone erfüllt.
In Spanien hieß es, Migrant:innen hätten bei den Kommunalwahlen die Macht übernommen – dieses Narrativ ist Teil der Verschwörungstheorie „The Great Replacement“, der zufolge die europäischen Eliten die europäische Bevölkerung durch Migranten ersetzen.
In Griechenland machte die Falschbehauptung die Runde, dass der estnische Innenminister gedroht habe, orthodoxe Klöster zu schließen, die sich weigern, ihre Zugehörigkeit zur russisch-orthodoxen Kirche aufzugeben.
In Ungarn kursierte die Falschinformation, dass europäische Politiker:innen, die gegenüber der ungarischen Regierungspartei nicht freundlich gesinnt sind, alle „links“ seien.
KI-generierte Desinformation
Der Anteil der Desinformationen, die KI-generierte Inhalte verwenden, blieb im April wie in den Vormonaten mit 5 Prozent stabil. Unter anderem wurden KI-generierte Bilder verwendet, um das Ausmaß der Proteste gegen Einwanderung in Irland zu übertreiben oder Politiker in Griechenland zu attackieren.
Methodik
Die in diesem Briefing enthaltenen Informationen wurden mittels eines Fragebogens erhoben, der an die Mitgliedsorganisationen des EDMO-Faktencheck-Netzwerks geschickt wurde. Bezugszeitraum: 1. bis 30. April 2024. Anzahl der Befragten: 36. Hauptherausgeber dieses Dokuments: Tommaso Canetta und Enzo Panizio, Pagella Politica/Facta.
Organisationen, die zu diesem Briefing beigetragen haben: AFP, APA, BNT Provereno, Correctiv, Delf, Demagog.cz, Demagog.pl, Demagog.sk, DPA, DW, Eesti Päevaleht, EFE Verifca, Ellinika Hoaxes, Eurocomunicare, Fact Check Cyprus, Factcheck Vlaanderen, FactReview, Faktabaari, Faktisk, FranceTV, Funky, Greece Fact Check, Källkritikbyrån, Knack, InfoVeritas, Lakmusz, Les Surligneurs, Maldita, Medizin transparent, Newtral, Oštro, PagellaPolitica/Facta, Polígrafo, Re:Baltica, The Journal Fact-Check, TjekDet
Das ausführliche Briefing auf Englisch mit weiteren Informationen zu Falschinformationen in verschiedenen EU-Staaten finden Sie hier.