Veganes „Fleisch“ aus dem Drucker – was viele als Durchbruch für die Reduktion von Tierleid und klimaschädlichem CO2 sehen, ist für manche ein unnatürliches Produkt mit unbekannten Inhaltsstoffen. Diese Inhaltsstoffe sorgen in Sozialen Medien aktuell für Verwirrung. In viralen Telegram-Posts (1,2) heißt es etwa, eine Firma drucke Steaks in einem 3D-Drucker, die auf tierischen Stammzellen basieren würden. Es handelt sich allerdings um eine Vermischung verschiedener Prozedere.
Einschätzung: Die Produkte von „Redefine Meat“ entstehen auf pflanzlicher Basis und sind vegan. Produkte, die auf einer Vermehrung von Stammzellen basieren, sind in der Europäischen Union nicht zugelassen.
Überprüfung: In der Lebensmittelforschung wird auf viele verschiedene Arten und Weisen versucht, eine Alternative zu tierischen Produkten zu finden, da industrielle Tierhaltung für bis zu 15 Prozent der Treibhausgasemissionen weltweit verantwortlich (3,4) und mit erheblichem Tierleid verbunden ist. Ein Versuch, Fleisch CO2-neutraler zu gestalten, baut auf der Forschung mit tierischen Stammzellen auf. Diese kommt nicht gänzlich ohne Tierleid aus, da die Stammzellen dem Tier entnommen werden müssen. (5) Wie die CO2-Bilanz bei dieser energieintensiven Art der Herstellung genau aussieht, ist ungewiss, da der Markt dafür noch zu klein ist. (5)
User behaupten in Sozialen Medien nun, dass das Unternehmen „Redefine Meat“ sein „Fleisch“ auf diese Art und Weise herstelle: durch eine Biopsie tierischer Stammzellen und einer anschließenden Zellproliferation, also einer Vermehrung der Zellen. Das stimmt aber nicht, die Firma arbeitet nur mit veganen Zutaten, wie sich auf deren Webseite mehrfach nachlesen lässt: „Die Produkte von Redefine Meat Ltd. werden aus pflanzlichen Zutaten hergestellt. Sie sind frei von GVO (Anm. gentechnisch veränderter Organismus) und jeglichen Bestandteilen tierischen Ursprungs.“ (6) Zu jedem Produkt kann man transparent die Inhaltsstoffe nachlesen (7,8).
In einem Interview bestätigte der Gründer von „Redefine Meat“, Eshchar Ben-Shitrit, zudem, dass für die Herstellung „handelsübliche pflanzliche Zutaten wie Soja- und Erbsenprotein, Kichererbsen, Rote Bete, Nährhefen und Kokosfett“ verwendet würden. (9) Durch die 3D-Drucktechnologie würden die Muskelfasern eines Tieres nachgebildet, indem verschiedene Komponenten miteinander verflochten würden. (9)
Auch in anderen Medien wird in Bezug auf „Redefine Meat“ von veganen Produkten gesprochen, etwa auf der Seite des Weltwirtschaftsforums (WEF), im britischen „Guardian“ oder in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. (10,11,12) In einer Stellungnahme gegenüber der APA verwies „Redefine Meat“ auf den Faktencheck von AFP, wo sie dies ebenfalls klarstellen. (13)
Im Übrigen sind Fleischnachbildungen mit tierischen Stammzellen in der EU noch nicht zugelassen (13). Eine Zulassung würde unter die Verordnung von neuartigen Lebensmitteln fallen (14). Teil dieser Zulassung ist eine Sicherheitsbewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (efsa) (15), die jeden Schritt der Verarbeitung dahingehend prüft, ob Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten ein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen.
Nach der Sicherheitsbewertung durch die efsa entscheiden die EU-Mitgliedstaaten und die EU-Kommission über Zulassung, Bedingungen der Verwendung und Kennzeichnung, wie ein Sprecher der Lebensmittelbehörde efsa gegenüber der APA erklärte. Derzeit seien keine aus Zellkulturen gewonnenen Lebensmittel zugelassen, denn „von den rund 240 Anträgen für neuartige Lebensmittel, die wir seit der Einführung der neuen Verordnung über neuartige Lebensmittel im Jahr 2018 zur Sicherheitsbewertung erhalten haben, haben wir noch keine Anträge zur Risikobewertung von aus Zellkulturen gewonnenen Anwendungen tierischen Ursprungs erhalten“, so der Sprecher.
Lebensmittel, die unter die „Novel Food“-Verordnung fallen, sorgen oft für Diskussionen. Zuletzt war der Aufschrei wegen der EU-Zulassung von Insekten als Bestandteile von Nahrungsmitteln vor rund einem Jahr groß. APA-Faktencheck recherchierte damals zu Falschbehauptungen bezüglich Kennzeichnung und Definition von Insekten (17, 18).
Quellen:
(1) Behauptung: https://go.apa.at/WNUaBtHQ (archiviert: https://archive.is/8w7XP)
(2) Behauptung: https://go.apa.at/L9muH1Aq (archiviert: https://ghostarchive.org/archive/rsTRM)
(3) IPCC-Report: https://www.ipcc.ch/srccl/ (archiviert: https://archive.is/UXvXP)
(4) UN-Report: https://www.fao.org/3/i3437e/i3437e.pdf (archiviert: https://archive.is/6Kdmd)
(5) Tagesschau zu Stammzellen: https://go.apa.at/YZIKNex4 (archiviert: https://archive.is/K36a7)
(6) Website von Redefine Meat: https://www.redefinemeat.com/de/products/ (archiviert: https://archive.is/KZQpo)
(7) Burger Inhaltsstoffe: https://go.apa.at/3TkcAh7g (archiviert: https://archive.is/CTKr0)
(8) Wurst Inhaltsstoffe: https://go.apa.at/pHjBTFT1 (archiviert: https://archive.is/rRGcm)
(9) Interview in der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie: https://go.apa.at/5TT5jfLc (archiviert: https://archive.is/bWcxt)
(10) Weltwirtschaftsforum: https://go.apa.at/2ahYLrUG (archiviert: https://archive.is/JhQLW)
(11) Guardian: https://go.apa.at/oQ068oDo (archiviert: https://archive.is/zLxLu)
(12) FAZ: https://go.apa.at/VS1DIWmE (archiviert: https://archive.is/WOGrR, Video archiviert: https://go.apa.at/cmzG5qTQ)
(13) AFP Faktencheck: https://go.apa.at/5OMPlcbz (archiviert: https://perma.cc/FXQ8-L2RK)
(14) Neuartige Lebensmittel: https://go.apa.at/18B2V8y0 (archiviert: https://archive.is/Tlxwr)
(15) efsa Lebensmittelbehörde: https://www.efsa.europa.eu/de (archiviert: https://archive.is/dZk5f)
(17) APA-Faktencheck zu Kennzeichnung von Lebensmitteln: https://go.apa.at/tz46PYxU
(18) APA-Faktencheck zu Lebensmitteln mit Insekten: https://go.apa.at/3Qx1mV6O
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